Bilanzskandal

Was bedeutet die Wirecard-Pleite für Awinta-Apotheken?

Stuttgart - 02.07.2020, 11:15 Uhr

Die Wirecard-Pleite: Sind auch Apotheken betroffen? Immerhin besteht eine Kooperation mit Awinta. (m / Foto: imago images / Sven Simon)

Die Wirecard-Pleite: Sind auch Apotheken betroffen? Immerhin besteht eine Kooperation mit Awinta. (m / Foto: imago images / Sven Simon)


In den Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard tat sich jüngst ein 1,9 Milliarden Euro schweres Loch auf. Die Medienberichte der vergangenen Wochen sind für Branchenkenner jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Jahrelang wurden dem Münchener Unternehmen kriminelle Machenschaften wie Bilanzmanipulation und Betrug vorgeworfen. Nun steht Wirecard vor der Zerschlagung, ein Insolvenzverfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung wurde eröffnet. Das könnte sich auch auf mehrere tausend Apotheken auswirken, denn seit 2016 bietet der Softwareanbieter Awinta Payment-Lösungen aus dem Hause Wirecard an.

Schon seit mindestens einem halben Jahrzehnt soll es beim Finanzdienstleister Wirecard zu Tricksereien, dubiosen Geldströmen und mutmaßlichen Bilanzfälschungen gekommen sein. Seit 2015 recherchierte und berichtete die britische „Financial Times“ regelmäßig über fragwürdige Machenschaften des 1999 gegründeten, börsennotierten Unternehmens aus München. Die Wirecard AG ist ein Bezahldienstleister, der bargeldlose Zahlungen im stationären Handel und Internet abwickelt. Das Unternehmen ist gewissermaßen der Vermittler zwischen den Geschäftskunden einerseits und den Banken beziehungsweise Kreditkartenfirmen andererseits.

Seit Ende Juni haben die Medienberichte über Wirecard eine ganz neue Dramatik und Schlagzahl erhalten: Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro haben zu einem Defizit in der Jahresbilanz geführt. Medienberichten zufolge soll es sich dabei um Beträge handeln, mit denen der inzwischen zurückgetretene Wirecard-Chef Markus Braun Bilanzsumme und Umsatzvolumen seines Unternehmens aufblähen wollte. Die vorgetäuschten Einnahmen hätte es bei den zwei philippinischen Banken gar nicht gegeben.

Wirecard Bank nicht Teil des Insolvenzverfahrens

Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung hat sich der Vorstand der Wirecard AG nun dazu entschieden, beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Was heißt die Wirecard-Pleite nun für Kunden? Die Wirecard Bank ist ein Tochterunternehmen der Wirecard AG und verfügt über einen Kundestamm mit vielen Privatpersonen. Es wird versucht, die Bank davor zu schützen, in den Pleite-Strudel des Mutterkonzerns hineingesogen zu werden. So teilt das Unternehmen mit, dass die Wirecard Bank AG nicht Teil des eröffneten Insolvenzverfahrens sein soll. Ein Sonderbeauftragter der Finanzaufsicht BaFin wacht nun über die Zahlungsströme und hat den Wirecard-Vorstand abgelöst. Doch es bleibt fraglich, ob man die Bank tatsächlich aus der Insolvenz heraushalten kann, denn es existieren enge Verflechtungen mit der AG.

Awinta beruhigt Apotheken

Für viele Apotheken ist jedoch vor allem ein anderer wichtiger Wirecard-Geschäftsbereich von der Insolvenz betroffen: die bargeldlosen Payment-Lösungen. 2016 gab der Softwareanbieter Awinta die Kooperation mit Wirecard bekannt. Im Rahmen dieses Abkommens stellt Wirecard Awinta Hardware, Processing und die Kreditkartenakzeptanz zur Verfügung. Zudem läuft die Zahlungsabwicklung der Awinta-Apotheken über Wirecard. In einem Schreiben von Awinta an alle betroffenen Apotheken, das DAZ.online vorliegt, heißt es:

„Unser Kooperationspartner, die eigenständige Wirecard Retail Service GmbH, ist eine 100% Tochter der betroffenen Wirecard Bank. Uns liegt ein Schreiben vor, in dem die Wirecard Bank sowohl die Stabilität unserer Geschäftsbeziehung, als auch die Sicherung der Gelder sowie Absicherung durch dritte Instanzen unterstreicht. Aktuell geht man davon aus, dass die eigenständige Wirecard Retail Service GmbH normal weiterarbeiten kann und nicht von der Insolvenz der Wirecard AG betroffen ist.“

Die Abwicklung aller EC-Karten-Transaktionen sei dabei unabhängig von dem Insolvenzantrag der Wirecard AG. Mit anderen Worten: Die mehr als 7.000 Awinta-Apotheken in Deutschland müssen nicht befürchten, dass die Auszahlungen der EC-Karten-Transaktionen auf das Geschäftskonto eingeschränkt oder gefährdet sind.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Digitalisierung bei Payment & e-Rezepten: ein Fass ohne Boden

von Rudi Ratlos am 02.07.2020 um 20:06 Uhr

Nun, das wird noch interessant. Die Datenströme der Zahlungen können genauso verworren und erschwert nachvollziehbar gemacht werden wie die e-Rezepte. Die Chancen auf kriminelle Manipulationen bei der TI wurde ganz sicher nicht getestet, geschweige denn bei der Spezifizierung berücksichtigt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

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