Fusion zur „SE“

Ist Noventi auf dem Weg an die Börse?

Stuttgart - 03.07.2020, 17:50 Uhr

Was bezweckt die Noventi Group mit der Fusion ihrer Schwesterkonzerne? (c / Foto: Schelbert)

Was bezweckt die Noventi Group mit der Fusion ihrer Schwesterkonzerne? (c / Foto: Schelbert)


Innerhalb der Noventi Group kommt es zu einem markanten Zusammenschluss: Die bisherigen Schwesterkonzerne Noventi GmbH und Noventi Health SE wurden verschmolzen und firmieren nun gemeinsam als Noventi Health SE. Anteilseigner der europäischen Aktiengesellschaft sind nach wie vor die Apotheker, die sich im Verein FSA organisieren. Ebnet sich Noventi mit dieser Gesellschaftsform etwa den Weg an die Börse? Der Wechsel von der GmbH hin zur SE war jedenfalls nie unumstritten.

Der Gesundheitsdienstleister Noventi, zu dem unter anderem das Apothekensoftwarehaus Awinta und der Abrechnungsdienstleister VSA (seit Juni 2018: Noventi HealthCare GmbH) gehören, hat heute bekannt gegeben, dass innerhalb der Unternehmensgruppe die Noventi GmbH und die Noventi Health SE fusionieren werden und zukünftig gemeinsam als SE firmieren.

Die Societas Europaea, kurz SE, ist eine Rechtsform für Aktiengesellschaften in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum. Die Unternehmensanteile in Form von Aktien werden dabei nach den jeweils nationalen Vorschriften übertragen. Bei der Noventi Health SE sind sämtliche Aktien im Eigentum des FSA e. V., einem apothekereigenen Verein, der gegenüber der Unternehmensgruppe allgemeine Berufsinteressen im Hinblick auf EDV, moderne Technologien und den Abrechnungsverkehr vertritt. Zur Noventi Gruppe gehören 27 Tochtergesellschaften, die bisher vor allem der Noventi GmbH zugeordnet waren.

Stammkapital steigt von zwei Millionen auf 45 Millionen Euro

In einer Pressemitteilung der Noventi Group wird die Entscheidung zur Fusion wie folgt kommuniziert: „Die Zusammenführung […] soll Prozesse innerhalb des Konzerns optimieren, einen engeren internen Austausch ermöglichen und Synergieeffekte deutlich verstärken.“ Vorstandsvorsitzender Dr. Hermann Sommer wird mit den Worten zitiert, man habe als Noventi den Anspruch, Leitmarke im deutschen Gesundheitsmarkt zu sein. „Umso bedeutsamer ist es deshalb, innerhalb des Konzerns Grenzen abzubauen und Kräfte gezielt zu bündeln, um den Gesundheitsmarkt künftig noch aktiver mitzugestalten“, so Sommer. Das Stammkapital der Noventi-Aktiengesellschaft erhöht sich durch den Zusammenschluss von zwei Millionen auf 45 Millionen Euro.

In einer SE kann die Geschäftsführung auf zweierlei Weise organisiert sein: Entweder existiert ein Vorstand, der von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird (dualistisches System), oder ein Verwaltungsrat übernimmt die Unternehmensleitung in eigener Verantwortung per geschäftsführender Direktoren (monistisches System). Bei Noventi besteht der Aufsichtsrat vor allem aus Apothekeninhabern. An die „Unternehmenseigentümer“, also den gewählten Mitgliedern des FSA, berichten Aufsichtsrat und Geschäftsführung regelmäßig im Rahmen von Beiratssitzungen.

Im Zuge der Zusammenlegung von SE und GmbH wurde auch eine neue Ressortaufteilung des Vorstands bekanntgegeben. Dr. Hermann Sommer übernimmt zukünftig das Ressort Vorstandsvorsitz und Transformation, Victor Castro das Ressort Finance und Operations und Dr. Sven Jansen leitet das Ressort Sales und Marketing.

Fusion schwächt Mitspracherecht der Apotheker

Die Noventi Gruppe sieht sich als apothekereigenes Unternehmen, das sich von rein privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen im Gesundheitsbereich explizit abgrenzen möchten. In Jahresberichten wird immer wieder betont, dass eine Börsennotierung „mit häufig alleinigem Ziel der Gewinnmaximierung“ in Widerspruch mit den Belangen des FSA-Vereins „als starker Interessenverteter seiner im Gesundheitssektor tätigen Mitglieder“ stehe. Weiter hieß es beispielsweise im Geschäftsbericht 2016: „Diese Positionierung und Ausrichtung stärkt auch die Interessen und Ziele der Noventi GmbH, deren Tochterunternehmen führende Dienstleister im Gesundheitswesen sind.“

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Noventi-Philosophie mit Wegfall der GmbH weiterentwickelt. Fest steht, dass es kein notwendiges Merkmal einer SE sein muss, dass ihre Aktien an der Börse gehandelt werden. Auch die Bildung einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht muss nicht unbedingt einen Börsengang mit sich bringen (prominentes Beispiel: der bundeseigene Eisenbahnkonzern Deutsche Bahn AG). Nach Informationen von DAZ.online wurde die Fusion bei Noventi viele Jahre lang kritisch gesehen, vor allem von FSA-Mitgliedern. Das Mitspracherecht des Vereins soll nun deutlich geschwächt sein. Es dürfe jetzt beispielsweise nur noch formal über die Mitglieder des Aufsichtsrats beraten werden, heißt es aus Apothekerkreisen.

Blüht Noventi ein ähnliches Schicksal wie Stada?

Auch andere Branchenvertreter verfolgen die Entwicklungen aufmerksam. Ein Börsengang Noventis gilt satzungsbedingt aktuell als ausgeschlossen und wird von Konzernseite auch immer wieder kategorisch dementiert. Noventi soll am Ende nicht ein ähnliches Schicksal wie der Stada Arzneimittel AG blühen: Ein ursprünglich apothekereigenes Unternehmen wird auf dem internationalen Parkett zum Spielball branchenfremder Großaktionäre.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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