Arzneimittellieferengpässe

Nüßlein (CSU) setzt auf lückenlose europäische Lieferketten

Berlin - 14.07.2020, 09:00 Uhr

Dr. Georg Nüßlein will an die Rabattverträge ran: Exklusivverträge haben aus seiner Sicht ausgedient. Zudem soll künftig zumindest ein Zuschlagempfänger eine lückenlose europäische Lieferkette nachweisen können. (Foto: imago images / Christian Spicker)

Dr. Georg Nüßlein will an die Rabattverträge ran: Exklusivverträge haben aus seiner Sicht ausgedient. Zudem soll künftig zumindest ein Zuschlagempfänger eine lückenlose europäische Lieferkette nachweisen können. (Foto: imago images / Christian Spicker)


Bereits im vergangenen April hatte sich Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) vor dem Hintergrund der Coronakrise dafür ausgesprochen, das System der Arzneimittel-Rabattverträge anzupassen. Diese Forderung greift er nun in einem Positionspapier zu Lieferengpässen erneut auf. Aus seiner Sicht, muss mit exklusiven Verträgen Schluss sein – nun will er seine Fraktionskollegen von seinem Ansatz überzeugen. 

Dass Europa bei vielen wichtigen Wirkstoffen und Arzneimitteln von Produzenten in fernen, meist asiatischen Ländern, abhängig ist, ist nichts Neues. Doch erst die Coronakrise und die Furcht vor weiteren und anhaltenden Lieferengpässen scheint echte Bewegung in die Politik zu bringen. Schon Mitte April hatte Georg Nüßlein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und in dieser Position zuständig für Gesundheitsthemen, Stellung bezogen. Unter anderem fordert er als eine Maßnahme gegen Engpässe, dass Rabattverträge nicht mehr nur mit einem Hersteller abgeschlossen werden dürfen.

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Mittlerweile hat der CSU-Bundestagsabgeordnete diese Forderung in einem persönlichen Positionspapier zu Lieferengpässen untergebracht. Auch darin ist die Coronakrise der Aufhänger: Die Abhängigkeit von wenigen Produktionsstandorten, „wo wegen des Virus Bänder still gestanden haben und nun dadurch die internationalen Lieferketten erheblich gestört sind“, gefährde die medizinische Versorgung, konstatiert Nüßlein. Zu den Arzneimitteln hinzu komme die riskante Abhängigkeit im Bereich der Schutzausrüstung von chinesischen Lieferanten.

Spürbare Anreize nötig

Für den Unions-Vize ist klar: Nötig sind spürbare Anreize, damit „wichtige Schutzausrüstung und wichtige Arzneimittel-Wirkstoffe wieder auch bei uns produziert werden“. Bei der Produktion von Masken geschehe dies bereits durch Förderprogramme des Bundeswirtschaftsministeriums. Wichtig sei aber, dass nicht nur einzelne Komponenten der Masken in Deutschland produziert werden, sondern die kompletten Masken. 

Die Bewegung bei den Schutzmasken reicht Nüßlein nicht: „Wir müssen auch die Rabattverträge angehen“, schreibt er in seinem Positionspapier. Denn: „Die aktuelle Praxis, einen Rabattvertrag für ein Arzneimittel ausschließlich mit einem Hersteller zu schließen, mündet in Lieferengpässe, wenn dieser Hersteller – aus welchem Grund auch immer – nicht liefern kann.“ Seine Lösung ist dabei dieselbe wie schon im April: Rabattverträge sollten mit mindestens zwei Herstellern, besser noch mit dreien geschlossen werden. Außerdem müsse in Zukunft mindestens ein Hersteller, der lückenlos eine europäische Lieferkette nachweisen kann, einen Zuschlag für einen Rabattvertrag erhalten. Welche „spürbaren Anreize“ hier gesetzt werden könnten, erklärt der CSU-Abgeordnete in seinem Papier allerdings nicht.

Dafür stellt er klar: „Reine Kostenargumente lasse ich an dieser Stelle nicht gelten.“ Für ihn ist eine Gesamtkostenbetrachtung nötig. In diese müssten beispielsweise auch die „teils erschreckenden Umweltverschmutzungen an bestehenden Produktionsstandorten in Asien stärker berücksichtigt werden“. Damit züchte man schließlich auch multiresistente Keime – ein Problem, das dann wieder in Deutschland und Europa lande.

Vorstoß noch in dieser Legislaturperiode – oder ein Auftrag für die nächste Koalition?

Weiterhin führt der CSU-Politiker in seinem Papier die Hintergründe zu Rabattverträgen sowie die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gelisteten Lieferengpässe auf. Zum Problem der Wasserverschmutzung verweist er auf Untersuchungen des Infektionsmediziners Dr. Christoph Lübbert vom Universitätsklinikum Leipzig. Dieser hatte eine Reihe von Wasserproben in Hyderabad (Indien) genommen und auswerten lassen – dabei seien hohe Mengen an Antibiotika und Antimykotika festgestellt worden.

Nun muss sich zeigen, ob Nüßlein zunächst seine Fraktionskollegen und später auch den Koalitionspartner von seinen Ideen überzeugen kann. Allerdings hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bislang erfolgreich gegen eine Einschränkung der Rabattverträge gesperrt – so zuletzt Anfang des Jahres beim Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz. Nüßlein sieht offenbar dennoch gute Chancen, dass sein Papier nach der Sommerpause Fraktionsposition wird. So jedenfalls äußerte sich der CSU-Politiker gegenüber dem „Tagesspiegel Gesundheit und E-Health Background“. Wenn es nach ihm ginge, könnte das Thema noch in dieser Legislaturperiode angestoßen werden, heißt es dort. Allerdings halte er es auch für möglich, dass es erst Einzug in den nächsten Koalitionsvertrag findet.

Gegenüber dem Tagesspiegel Background erklärt Nüßlein auch, dass seine Pläne eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Er rechne damit, dass es etwa drei Jahre brauche, bis erste sichere Lieferketten stehen. „Wir müssen uns das jetzt endlich trauen“, so der CSU-Politiker.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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