Kommentar

DocMorris und Teleclinic: Fällt jetzt die nächste Schutzmauer?

Stuttgart - 17.07.2020, 13:30 Uhr

Another brick from the wall: DocMorris wird nicht müde, die schützenden Bausteine des deutschen Gesundheitssystems Stück für Stück zu eliminieren. (m / Foto: kai / stock.adobe.com) 

Another brick from the wall: DocMorris wird nicht müde, die schützenden Bausteine des deutschen Gesundheitssystems Stück für Stück zu eliminieren. (m / Foto: kai / stock.adobe.com) 


Nach dem (inzwischen gefallenen) Versandverbot, der (höchstrichterlich aufgehobenen) Gleichpreisigkeit und dem (noch haltenden) Fremdbesitzverbot stellt DocMorris nun das Edikt von Salerno in Frage. Mit der Übernahme des Telemedizin-Anbieters TeleClinic durch den Versandapotheken-Betreiber Zur Rose (der DocMorris-Mutter) fällt eine weitere wichtige Schutzmauer im Gesundheitssystem, kommentiert DAZ-Herausgeber Benjamin Wessinger.

Diesem Unternehmen scheint nichts heilig zu sein in seinem Bemühen, das bewährte und weltweit angesehene deutsche Gesundheitssystem grundlegend zu verändern. Gestartet als „Versandapotheke“ aus Holland, zu einer Zeit, als der Versand von Arzneimitteln in Deutschland noch verboten war, liegt das Brechen von Regeln und Gesetzen offenbar in der DNA von DocMorris.

Nachdem die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) 2004 den Arzneimittelversand in vorauseilendem Gehorsam vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erlaubte, gab man sich nämlich mitnichten zufrieden. Nein, als nächstes missachtete man jahrelang die Arzneimittelpreisverordnung, indem man Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gab. Und 2006 pfiff man einfach auf das deutsche Fremdbesitzverbot, das den Betrieb einer Apotheke nur einem persönlich haftenden Apotheker erlaubt, und eröffnete in Saarbrücken eine Apotheke. Diese wurde erst 2009 nach – wiederum – einem Urteil des EuGH geschlossen. Bei den Boni hatte DocMorris mehr „Erfolg“, 2016 schleifte der EuGH die deutschen Regelungen zur Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln zumindest für ausländische Versender. Grund für das Verfahren vor dem EuGH: Eine Vereinbarung von DocMorris mit der Deutschen Parkinson-Vereinigung …

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Und nun nimmt man also die seit hunderten von Jahren bewährte Trennung von Arzt und Apotheker in Angriff. Die größte Versandapotheke verleibt sich den Telemedizin-Marktführer ein. Der Aufschrei unter den Apothekern ist groß, wie die Kommentare im Internet und den Sozialen Medien zeigen. Der der Ärzte, unter denen es immer Freunde eines ärztlichen Dispensierrechts gab, könnte schon deutlich leiser ausfallen. Und die Reaktion der Politik? Man darf gespannt sein, ob und gegebenenfalls wie Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) reagieren wird. Hat er doch bisher keinen Hehl aus seiner Sympathie für „moderne“, am besten digitale „Innovationen“ im deutschen Gesundheitswesen gemacht. Wird er zuschauen, wie DocMorris die nächste Mauer zum Schutz der Patient*innen einreißt?

Ökonomie vor Versorgung

Erinnert sei an eines: Die Motivation für all diese Regelbrüche liegt nicht in einer Verbesserung der medizinischen oder pharmazeutischen Versorgung, sondern ist eine rein ökonomische. Denn die Trennung von Arzt und Apotheker dient – wie die Gleichpreisigkeit, das Fremdbesitz- und das ehemalige Versandverbot – dem Schutz der Patient*innen! Sie sollen eben gerade nicht einem ungehemmten Marktgeschehen ausgeliefert sein. Wer diese Regeln abschaffen will, sollte gut begründen können, wie sich dadurch der Patientenschutz und die Versorgung verbessern. „Innovation“ oder „Digitalisierung“ sind kein Selbstzweck. Man kann das offenbar nicht oft genug wiederholen.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker, DAZ-Chefredakteur
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Zur Rose etc

von Sven Larisch am 20.07.2020 um 7:57 Uhr

Mit dem Urteil des EuGH und der mehr als fadenscheinigen Begründung zfing es nicht an. Erst wurde der Apothekenmarkt reguliert (Kappung 2004) dann darf nun jeder im deutschen markt tun und lassen was er will, solange er im Auslangsitzt. Deutsche Gerichte verurteilen nach deutschen recht inländische Apotheker- ok. Aber wieso kann es eine Bundesregierung nicht schaffen, ein Rx Versandverbot durchzusetzen, welches in anderen Ländern, offensichtlich auch EU konform, funktioniert. Aber ehrlich- die Apotheke ist in ihrer bisherigen Form tot. Da kann man nur noch eine Grabrede halten. Denn niemand schafft es alle Apotheker auf eine Linie zu bringen. Immer jammern, aber ein Zeichen setzen (Streik) wird keiner machen, da alle Angst haben, mal einen tag zu schließen. Soll doch Doc Morris Notdienst machen und Rezepturen und Beratung. Die meisten Kunden sind eh zum Onlinehandel abgewandert seit Corona. a) wird geliefert ; b) ist günstiger; c) Rabatte auf Rezepte, d) Werbeomnipräsenz; e) Kapitalbeschaffung ist wesentlich einfacher;
Es werden keine Vor-Ort-Apotheken gebraucht.

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Diese Verbrecher brechen Recht wie es ihnen gefällt

von Rainer W. am 17.07.2020 um 18:01 Uhr

Verbote und Rechtslage in Deutschland haben diesen Versender nie gejuckt. Und während der aus Saudi-Arabien gesponserte Cousin des Quelleversands aus dem Ausland deutsches Recht bricht wie es ihm gerade passt guckt die Politik zu, die Krankenkassen jubeln und die Holländer sind vor der Verfolgung durch die deutsche Executive sicher.

In keinem anderen Bereich würde es den Beteiligten einfallen, das Recht des Landes zu ignorieren mit dem sie Handel treiben.

Oder gilt deutsches Datenschutzrecht nicht, wenn der Konzern im Ausland sitzt? Wie ist es mit sonstigen Verbraucherschutzregelungen? Bei allen anderen Regelungen wird Landesrecht akzeptiert.

Aber diesem chronischen Rechtsbrecher legt keiner das Handwerk. Mir fällt keine Erklärung mehr dazu ein außer Korruption.

Von dem Schaden, den eine Abwanderung von Arbeitsplätzen, Sozialabgaben und Kassenbeiträgen in die Steueroase Niederlande anrichtet ganz zu schweigen.

Ich bin Fassungslos wie es sein kann das Deutschland sich so vorführen lässt von einem Konzern, dessen Absichten zur Unterwanderung deutschen Rechts offensichtlicher nicht sein könnte.

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DocMorris

von Karl Friedrich Müller am 17.07.2020 um 14:14 Uhr

ist KEINE Apotheke. Sondern ein Versender, Händler, was auch immer.
Aber das könnte ja nun entscheidend sein. Da wird dann auch kein Edikt verletzt.
Das geht mir alles total auf den Wecker.
Dem Konzern isst niemals entscheidend die Grenze aufgezeigt worden, nun wird es immer schlimmer.
Politik, ABDA; Gerichte, Krankenkassen bereiten den Weg zur Deregulierung (besser Chaos) zum Schaden aller. Außer Konzern DocMorris natürlich.

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