Nur ein paar Tropfen Blut

Liquid Biopsy gewinnt in der Onkologie an Bedeutung

Stuttgart - 23.07.2020, 15:30 Uhr

Für eine Flüssigbiopsie sind nur wenige Tropfen Blut erforderlich. (s / Foto: imago images / Christian Ohde) 

Für eine Flüssigbiopsie sind nur wenige Tropfen Blut erforderlich. (s / Foto: imago images / Christian Ohde) 


Die Flüssigbiopsie oder auch Liquid Biopsy ist auf dem Vormarsch. In der Krebstherapie wird sie inzwischen etwa für das frühzeitige Erkennen von Resistenzen sowie die Verlaufskontrolle der Erkrankung genutzt. Doch was kann die Liquid Biopsy genau? Wo hat die Aussagekraft der Ergebnisse ihre Grenzen? Und ist sie auch für Krebs-Screenings geeignet?

Klassische Gewebebiopsien sind die Basis der pathologischen Routine­diagnostik, mit der nicht nur histologische Subtypen, sondern auch therapierelevante Veränderungen charakterisiert werden. Allerdings sind dieser Diagnostikart Grenzen gesetzt, vor allem bei der Notwendigkeit, molekulare Karzinomeigenschaften oder das Auftreten von Resistenzvarianten zu identifizieren. Mit der Liquid-Biopsy-Analyse (Flüssigbiopsie; blutbasierte Analytik zum Nachweis von Tumorzellen beziehungsweise Tumor-DNA) ist es erstmals möglich, minimal-invasiv sowohl die Tumorheterogenität als auch die klonale Entwicklung eines Malignoms im Zeitverlauf zu untersuchen. Ferner lassen sich minimale Resterkrankungen und Therapieresistenzen weitaus früher als mithilfe bildgebender Verfahren nachweisen. Ein weiteres Plus der Liquid Biopsy ist die nicht-invasive Gewinnung des Tumormaterials, was bei ungünstiger Lokalisation des Tumors (z. B. bei Lungen- oder Hirntumoren) oder schlechtem Allgemeinzustand des Patienten von Vorteil ist.
 

Anwendungsgebiete der Liquid Biopsy

  • Frühdiagnose
  • Verlaufskontrolle, Überwachung des Therapieerfolgs
  • Erkennen eines Rezidivs
  • Identifikation von Resistenz-Mechanismen
  • Stratifizierung, Identifizierung von Zielstrukturen
  • Prognoseeinschätzung
  • Prävention

Das Ausgangsmaterial ist mehrheitlich Blut (5 bis 7 ml), mitunter werden auch andere Körperflüssigkeiten wie Urin, Liquor oder Speichel herange­zogen. Meist werden zirkulierende ­Tumorzellen oder freies Tumor-Erbgut nachgewiesen:

  • Zirkulierende Tumorzellen (CTCs) sind einzelne Krebszellen, die vom Tumor in die Blutbahn gelangen. Nach Abtrennung und Anreicherung kann ihr Erbgut analysiert werden.
  • Bei zirkulierender freier Tumor-DNA (cfDNA) handelt es sich um kurze Erbgut-Abschnitte, die von absterbenden Tumorzellen ins Blut freigesetzt werden und die sich von der DNA gesunder Zellen unterscheiden. Diese cfDNA enthält Mutationen, Genfusionen oder veränderte DNA-Methylierungsmuster. Da cfDNA nur in sehr geringen Mengen vorkommt, sind zu ihrer Detektion spezielle Analysenmethoden erforderlich (droplet digital PCR und molekulare Barcode-basierte next generation sequencing-Assays mit extrem hoher Messtiefe).

Klinische Anwendung

Die Freisetzung von Tumor-DNA hängt wesentlich von der Entität, Lokalisation, Größe, dem Tumorstadium sowie der Vaskularisierung des Malignoms ab. Daher eignet sich der Nachweis von cfDNA nicht für alle Tumorentitäten. Derzeit wird die Liquid Biopsy vor allem für das Monitoring der Therapie metastasierter kolorektaler Karzinome und nicht-kleinzelliger Lungenkarzi­nome eingesetzt. Des Weiteren können einige Tests zur Therapieentscheidung bei bestehenden Tumorerkrankungen herangezogen werden.

Wie aussagekräftig sind Bluttests in der Früherkennung?

Die Früherkennung von Tumoren oder das präventive Screening mithilfe eines Bluttests – eine wohl von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptierte und bevorzugte Methode – ist derzeit noch eine Zukunftsvision. Seit wenigen Jahren werden entsprechende Tests angeboten, über deren Aussagekraft noch zu wenig Daten vorliegen. Der Epi proColon® Test kann möglicherweise zur Früherkennung von Darmkrebs eingesetzt werden, er erhebt aber nicht den Anspruch, eine Koloskopie zu ersetzen.

Erste Studiendaten zum ­präventiven Screening

Ob der Einsatz eines Bluttests im präventiven Screening aussagekräftig ist, wurde in einer prospektiven Studie (DETECT-A; Detecting cancers Earlier Through Elective mutation-based blood Collection and Testing) mit rund 10.000 Frauen im Alter zwischen 65 und 75 Jahren untersucht. Bei den Probandinnen lag keine bekannte Tumorerkrankung vor; die Auswahl fiel auf Frauen, da es für das häufig tödliche Ovarialkarzinom keine Früherkennung gibt. Das Screening mithilfe des CancerSEEK-Tests verlief in mehreren Stufen: Zuerst wurde der Bluttest durchgeführt. Dieser zeigte bei 490 Frauen ein positives Ergebnis. In diesen Fällen wurde der Test ein zweites Mal durchgeführt, um einen falsch-positiven Laborbefund auszuschließen, ferner wurden mögliche Fehlerquellen eliminiert. Die Zahl der Frauen, bei denen der Krebsverdacht weiter bestand, sank dadurch auf 134. Von diesen unterzogen sich 127 einer gezielten Krebssuche mithilfe bildgebender Verfahren (Positronen-Emissions-Tomografie und/oder Computertomografie).

Danach konnten folgende Aussagen getroffen werden: Bei 46 Frauen wurde ein möglicher Tumor entdeckt, der sich bei 26 Frauen in einer Biopsie ­bestätigte. Unter den 26 Tumoren befanden sich sechs Ovarialkarzinome, davon eines im Frühstadium. Weitere 16 Frauen hatten andere Krebserkrankungen in einem Anfangsstadium, so dass diese Patientinnen von dem Test profitiert haben könnten. Bei insgesamt 108 Frauen hat CancerSEEK zu einem falsch-positiven Ergebnis ­geführt, das durch die anschließende Positronen-Emissions-Tomografie und/oder Computertomografie revidiert wurde. Der CancerSEEK-Test kann aber auch falsch-negativ ausfallen: So wurde bei 46 Frauen eine Krebserkrankung erst dann entdeckt, als sie sich zwischenzeitig aufgrund von Beschwerden ärztliche Hilfe gesucht hatten. Bei weiteren 24 Frauen wurde bei einem konventionellen Screening ein Malignom (Brust-, Lungen- oder Dickdarmkrebs) entdeckt.

Stellenwert in der Prävention noch nicht klar

Wie Kommentatoren der Studie betonen, kann derzeit der Stellenwert einer Liquid Biopsy im präventiven Bereich noch nicht eingeschätzt werden. Der in obiger Studie eingesetzte Test wurde zwischenzeitlich weiterentwickelt, und neue Tests sind auf dem Markt. Um das klinische Potenzial der Liquid ­Biopsy optimal nutzen zu können, ­erscheint die Aufnahme der Tests in ­einen Therapiealgorithmus sinnvoll, damit das gesamte therapeutische und prognostische Instrumentarium ausgeschöpft werden kann.



Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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