Russland in der Kritik

Weltweit erster Corona-Impfstoff zugelassen

Stuttgart - 11.08.2020, 15:30 Uhr

Das russische Gamaleya-Institut hatte bereits im Mai mitgeteilt, einen Impfstoff entwickelt zu haben. Nach eigener Darstellung liefen die ersten Tests erfolgreich. Russland hat bislang aber keine wissenschaftlichen Daten zu dem Impfstoff für eine unabhängige Bewertung veröffentlicht. (x / Foto: imago images / Fotoarena)

Das russische Gamaleya-Institut hatte bereits im Mai mitgeteilt, einen Impfstoff entwickelt zu haben. Nach eigener Darstellung liefen die ersten Tests erfolgreich. Russland hat bislang aber keine wissenschaftlichen Daten zu dem Impfstoff für eine unabhängige Bewertung veröffentlicht. (x / Foto: imago images / Fotoarena)


DAZ.online berichtete bereits letzte Woche, dass Russlands COVID-19-Impfstoff aus dem staatlichen Gamaleya-Forschungsinstitut kurz vor dem Einsatz in großem Maßstab stehen soll. Allerdings fragten sich viele, wie das möglich sein kann – nach nur etwa drei Monaten klinischer Erprobung und ohne Zulassung. Nun spricht Russland von der ersten staatlichen Zulassung.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am heutigen Dienstag die weltweit erste staatliche Zulassung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus bekanntgegeben. „Das russische Vakzin gegen das Coronavirus ist effektiv und bildet eine beständige Immunität“, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Die Registrierung sei am Dienstagmorgen erfolgt, hieß es. Eine seiner beiden Töchter habe sich schon impfen lassen, sagte Putin.

Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleya-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Erst wenige Menschen haben ihn im Rahmen einer Studie erhalten. DAZ.online berichtete bereits vergangenen Woche, dass viele westliche Journalisten befürchten, Moskau könnte seinen Nationalstolz über die Wissenschaft und Sicherheit der Bürger stellen: „Schließlich sei die Phase I erst vor nicht viel mehr als einem Monat abgeschlossen worden und die Phase II dauere wahrscheinlich noch an.“

Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet nun, dass eine Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien dem international üblichen Vorgehen widerspricht. Demnach stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klar: „Jeder Impfstoff muss natürlich alle Versuchsreihen und Tests durchlaufen, bevor er genehmigt und ausgeliefert wird.“ Es gebe klare Richtlinien für die Entwicklung von Impfstoffen. Eine reguläre Zulassung ohne die umfangreichen Daten aus einer Phase-III-Prüfung mit mindestens mehreren Tausend Probanden erscheine riskant, erklärte auch Professor Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. In dieser Etappe könnten unter anderem mögliche seltene Nebenwirkungen detektiert werden. 

Russlands Gesundheitsminister Michael Muraschko erklärte, das Gamaleya-Institut und die Firma Binnopharm sollten das Medikament produzieren. Zuerst sollen Lehrer und Ärzte geimpft werden. Nach Behördenangaben beginnt die Impfung noch im August oder im September. Der Stoff solle auch ins Ausland exportiert werden. Unabhängig von der Zulassung läuft in Russland eine dritte Testphase.

Kritik aus Europa: „Russen eigentlich hinten dran“

Als höchst problematisch bezeichnet auch der Europaabgeordnete und Arzt Peter Liese (CDU) das Vorgehen der russischen Behörden beim Inverkehrbringen eines Impfstoffs gegen COVID-19: „Der russische Impfstoff hat nur die Phasen I und II der klinischen Prüfung abgeschlossen. Damit sind die Russen eigentlich hinten dran, denn weltweit gibt es schon sechs Projekte, die diese ersten beiden Phasen seit längerem abgeschlossen haben, unter anderem das von der EU geförderte Projekt des Mainzer Unternehmens Biontech gemeinsam mit dem Pharmakonzern Pfizer. Dieses und die fünf anderen gehen nun in die notwendige dritte Phase der klinischen Prüfung.“ Liese ist der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten). 

Auch Professor Andrew Ullmann, FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags und ebenfalls Mediziner, erklärt in einer Pressemitteilung: „Wenn Russland seine Ergebnisse nicht veröffentlicht und somit die Wirkung und Sicherheit international nicht bewiesen wird, ist eine Zulassung des Impfstoffs gefährlich. Gefährlich vor allem für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten, aber auch für das Vertrauen in einen zukünftigen Impfstoff. Intransparenz und Nebenwirkungen sind der Nährboden von Impfgegnern und Verschwörungstheorien, die uns danach jahrelang begleiten werden.“ 

Weltweit wird in mehr als 170 Projekten nach Corona-Impfstoffen gesucht und mehrere Forscherteams haben vielversprechende Zwischenergebnisse veröffentlicht. Allerdings rechnen viele Experten mit einem marktfähigen Impfstoff erst im kommenden Jahr.

Das Gamaleya-Institut hatte bereits im Mai mitgeteilt, einen Impfstoff entwickelt zu haben. Nach eigener Darstellung liefen die ersten Tests erfolgreich. Das Präparat wurde demnach an 50 Soldaten erprobt, die sich freiwillig gemeldet hätten. Russland hat bislang aber keine wissenschaftlichen Daten zu dem Impfstoff für eine unabhängige Bewertung veröffentlicht.

Kremlchef Putin hatte schon früh Druck bei der Entwicklung gemacht. Nach Angaben von Gesundheitsminister Muraschko wird derzeit ein zweiter Impfstoff gegen Sars-CoV-2 klinisch getestet. Weitere sollen folgen.



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1 Kommentar

Eine Registrierung ist keine Zulassung

von Martin am 13.08.2020 um 8:55 Uhr

Faktisch völlig falsche Darstellung, genau wie in der Mainstream Presse. Enttäuschende Leistung hier ebenfalls von Zulassung zu schreiben, anstatt korrekt Registrierung.
Erst nach einer Registrierung beginnt die Phase 3.

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