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Kleine Anfrage
Mehrwertsteuersenkung im Gesundheitswesen: Linke fordert „radikalen Kurswechsel“
In einer Kleinen Anfrage hat sich die Linksfraktion nach den Folgen der Mehrwertsteuersenkung für das Gesundheitswesen erkundigt – auch für Apotheken. Jetzt liegen die Antworten der Bundesregierung vor. Im Bundesgesundheitsministerium ist man der Meinung, dass die Einbußen der Apotheken ausgeglichen würden durch Mehreinnahmen im Botendienst. Die Linken-Abgeordnete Sylvia Gabelmann kritisiert, dass nicht wie vorgesehen die Verbraucher profitieren, sondern Krankenkassen, private Versicherer und andere Leistungserbringer.
Die Apotheker sind offenbar keine Fans der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer, die seit 1. Juli und bis zum Ende des Jahres gilt: Den Ergebnissen einer DAZ.online-Umfrage von Anfang Juli zufolge erwarten lediglich 5 Prozent von ihnen positive Auswirkungen auf ihren Umsatz.
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Umfrage-Ergebnisse
Was die Apotheken von der Mehrwertsteuersenkung erwarten
Auch die Arzneimittelexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Sylvia Gabelmann, zweifelt daran, ob die Mehrwertsteuersenkung im Gesundheitswesen einen Benefit bringt. Sie hat dabei neben den Apotheken auch die Hersteller und insbesondere die Patienten im Blick. In einer Kleinen Anfrage wollte sie von der Bundesregierung unter anderem wissen, wer die Nutznießer dieser Regelung im Gesundheitsbereich sind.
„Aufgrund von fixen Rabattverträgen sowie gesetzlich in fixierter Höhe verordneten Abschlägen werden Befürchtungen von Apothekerinnen und Apothekern sowie Generika-Herstellern geäußert, dass ihnen durch die Mehrwertsteuerabsenkung ein beträchtlicher finanzieller Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstünde und Arzneimittel zum Teil sogar zu einem Preis, der unter dem Herstellungspreis läge, abgegeben werden müssen“, schreibt Gabelmann in der Vorbemerkung zu ihrer Anfrage. Sie fragt, wer nach Einschätzung des Bundes von der für das zweite Halbjahr 2020 vorgesehenen Absenkung der Abgaben profitiert.
Wer profitiert von der Steuersenkung?
Stellvertretend für die Regierung antwortet die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister, Sabine Weiss: „Soweit es sich um eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung oder Leistung handelt und der leistende Unternehmer die Umsatzsteuersenkung weitergibt, erfolgt die Entlastung zugunsten des jeweiligen Kostenträgers.“ Als Beispiele nennt sie die Gesetzliche Krankenversicherung, private Krankenversicherer, die Beihilfe sowie Selbstzahler. „Darüber hinaus können auch Leistungserbringer wie Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen von der Absenkung der Umsatzsteuer profitieren, soweit sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit umsatzsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen einkaufen.“
Wie hoch die Entlastungen für die einzelnen Kostenträger und Einrichtungen ausfallen, wisse die Regierung nicht. Lediglich für die Beihilfe könne sie konkrete Zahlen nennen: Demnach spart der Bund schätzungsweise 1,9 Millionen Euro, von denen rund 1,5 Millionen Euro bei Impfstoffen, Arznei- und Verbandmittel anfallen. Die restlichen 400.000 Euro entfallen auf Hilfsmittel.
Einbußen der Apotheken gleichen sich durch Botendienst-Mehreinnahmen aus
Und was ist mit den Patienten? Diese sparen nur beim Kauf umsatzsteuerpflichtiger Lieferungen und Gesundheitsleistungen, die nicht von ihrer Versicherung übernommen werden, erklärt Weiss. Bei erstattungsfähigen Leistungen und Waren sei die jeweilige Krankenversicherung als Leistungsempfänger anzusehen. Eine Weitergabe der Steuersenkung an den Versicherungsnehmer ist demnach nicht möglich.
Botendienst-Honorar als Entschädigung
Auch nach den von DAZ.online berechneten finanziellen Einbußen von rund 12 Millionen Euro für Apotheken erkundigt sich Gabelmann. Dazu schreibt die Regierung: „Der mit der Umsatzsteuersenkung verbundenen geringen Belastung der Apotheken stehen erhebliche Mehreinnahmen über die mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeführten Vergütung des Botendienstes in Höhe von 5 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je Botendienst gegenüber.“ Änderungsbedarf, etwa durch Anpassung des gesetzlich festgelegten Apothekenzuschlags, sieht der Bund nicht.
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Was die möglichen Verluste der Hersteller betrifft, heißt es: „Es ist Angelegenheit der Vertragspartner, die Formulierung zur Umsatzsteuer in den Verträgen anzupassen und geeignete Regelungen zur Änderung der Umsatzsteuersätze im Rahmen der Vertragsautonomie zu treffen.“ Die Bundesregierung habe sich mit einem Schreiben vom 10. Juli 2020 an die Bundesverbände der Krankenkassen gewandt und sie gebeten, zusammen mit den Herstellern praktikable Lösungen zu erarbeiten.
Gabelmann genügt die Initiative des Bundes nicht. „Die Mehrwertsteuerabsenkung für Gesundheitsleistungen entlastet Patient*innen, Bürger*innen und Verbraucher*innen kaum“ kommentiert sie die Antwort der Bundesregierung. „Ich lehne es grundsätzlich ab, dass Arzneimittel mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belastet werden. Selbst wenn dieser abgesenkt wird, profitieren davon maßgeblich die Krankenkassen und nicht die Menschen. Vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen trifft die Mehrwertsteuer prozentual wesentlich stärker als Reiche. Daher muss die Mehrwertsteuer für apothekenpflichtige Arzneimittel dauerhaft auf 7 Prozent reduziert werden.“
Gabelmann: Regierung soll ihre Hausaufgaben machen
Die vermeintliche Logik der Bundesregierung weise deutliche Defizite auf: Demnach soll die Absenkung der Mehrwertsteuer angeblich der Konjunkturbelebung dienen, also zu mehr Konsum führen. „Die Idee: Auf Steuern verzichten und der Bevölkerung mehr Geld geben, damit diese sich mehr leisten können, und so die Konjunktur nach dem Lockdown ankurbeln. Dass die Bundesregierung dazu die Mehrwertsteuer abgesenkt hat, ist allerdings ziemlich absurd.“
Viele Fachleute geben laut Gabelmann an, dass letztlich bei den Menschen nur ein sehr kleiner Teil der Steuerersparnis ankomme. „Der Rest versickert – bei den Herstellern, den Ladeninhabern, den Unternehmern. Besser wäre es gewesen, denjenigen zielgerichtet mehr Geld zu geben, die ohnehin jeden Euro ausgeben müssen.“
Rausgeworfene Steuergelder?
Im Gesundheitswesen verfehle die Steuersenkung das von der Regierung angepeilte Ziel ganz besonders. „Denn obwohl allein bei Arzneimitteln mindestens auf eine dreiviertel Milliarde Euro aufgrund dieser Steuerabsenkung verzichtet wird – im gesamten Gesundheitsbereich wird es eher eine Milliarde Euro sein – kommt nur in wenigen Segmenten ein ganz kleiner Teil bei den Patient*innen, Bürger*innen und Verbraucher*innen an. Die Hauptprofiteure dieser Mehrwertsteuerabsenkung sind – wie die Bundesregierung zugeben muss – die Krankenkassen, privaten Versicherungsunternehmen, die Beihilfe, aber auch Leistungsträger wie Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen.“
Gabelmann ist sauer: „Es ist nicht akzeptabel, wie hier Steuergeld hinausgeworfen wird unter dem Deckmantel, die Wirtschaft anzukurbeln, aber bei den Menschen, also denjenigen, die dazu beitragen könnten, kaum etwas ankommt. Eine Konjunkturspritze sieht wahrlich anders aus. Ich erwarte daher, dass die Bundesregierung endlich ihre Hausaufgaben macht. Bestehende Fehler im System sind durch die Corona-Pandemie noch deutlicher als bisher bekannt zu Tage getreten. Die Linke fordert daher einen radikalen Kurswechsel nicht nur in der Gesundheitspolitik.“
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