Alzheimer-Krankheit

Vielversprechender Biomarker liefert genaue Diagnose

Remagen - 20.08.2020, 07:00 Uhr

In einer Studie gelang es, Alzheimer-Patienten und sogar Träger einer Mutation, die zu Alzheimer führen kann, über pTau217 mit einer hohen Spezifität zu identifizieren. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)

In einer Studie gelang es, Alzheimer-Patienten und sogar Träger einer Mutation, die zu Alzheimer führen kann, über pTau217 mit einer hohen Spezifität zu identifizieren. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)


Laut Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft nimmt die Zahl der Demenzerkrankten kontinuierlich zu. Mehr als zwei Drittel leiden unter einer Alzheimer-Demenz, aber Demenzen können auch andere Ursachen haben, die anderes behandelt werden müssen. Bislang ist es sehr aufwendig, die verschiedenen Demenzformen klar voneinander abzugrenzen. Ein neuer Bluttest könnte Abhilfe schaffen.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) macht auf eine neue Studie aufmerksam, die den Fachärzten Hoffnung macht. Eine internationale Forschergruppe hat Ergebnisse mit einem Biomarkertest präsentiert, der zu einer sicheren Alzheimer-Diagnose beitragen könnte.

Demenzen sind ein „bunter Strauß“

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Demenz“ und „Alzheimer“ oft in einen Topf geworfen, doch sie sind beileibe nicht dasselbe. Laut ICD-Code (F00-F03) können Demenzen, die sich als Störungen des Gedächtnisses, Denkens, der Orientierung, aber auch des Sozialverhaltens und der emotionalen Kontrolle manifestieren, vielschichtige Ursachen haben. Grob eingeteilt, kommen sie bei der Alzheimer-Krankheit (F00), bei zerebrovaskulären Störungen (F01) und bei anderen Zustandsbildern vor (F03), die primär oder sekundär das Gehirn betreffen. Die Alzheimer-Demenz ist mit 70 Prozent Anteil die häufigste Demenzform. 

Typ 1 mit spätem Beginn nach dem 65. Lebensjahr entwickelt sich langsam aber stetig. Es gibt jedoch auch Formen, die vor dem 65. Lebensjahr beginnen (Typ 2) und sich vergleichsweise rasch verschlechtern, sowie atypische oder gemischte Formen. Die vaskuläre Demenz ist das Ergebnis von Hirninfarkten infolge einer Gefäßkrankheit. Der Beginn liegt gewöhnlich im späteren Lebensalter. Daneben gibt es die arteriosklerotische Demenz mit einem akutem Beginn, etwa nach einer Reihe von Schlaganfällen. Demenzen können aber auch noch durch andere Krankheiten verursacht werden (F.02), wie etwa die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, das Parkinson-Syndrom, HIV oder die Multiple Sklerose, oder sie lassen sich gar nicht näher bezeichnen (F03).

Schwierige Abgrenzung

Für die Entwicklung neuer Therapien einer Demenz ist es wichtig, die zugrundeliegende Erkrankung zu diagnostizieren, damit die Therapie möglichst an den Ursachen angreift. Die S3-Leitlinie „Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie enthält einen Algorithmus, mit dem eine Demenz diagnostiziert und die krankheitsauslösende Ursache bestimmt werden soll. Das ist in der Praxis aber nicht immer einfach, zumal es auch Mischformen gibt. Die Diagnose kann zwar durch eine Analyse des Nervenwassers (Liquor) oder einen PET-Scan des Gehirns abgesichert werden, aber solche Untersuchungen sind invasiv und teuer. Das Non plus Ultra wäre ein Bluttest, mit dem man die häufigste Form der Demenz sicher und schneller diagnostizieren können, und zwar möglichst, bevor sie in eine schwere Verlaufsform übergeht.

Eignet sich das Tau-Protein als Biomarker?

Einer der auslösenden Mechanismen der Alzheimer-Krankheit ist die krankhafte Veränderung des Strukturproteins Tau, das sich in den Fasern der Nervenzellen ablagert und zu deren Untergang beiträgt. Bei Alzheimer-Patienten werden deshalb typischerweise erhöhte Tau-Protein-Konzentrationen gefunden. Ein erhöhtes Gesamt-Tau ist allerdings nicht sehr spezifisch für eine Alzheimer-Diagnose, denn erhöhte Werte können auch bei anderen Krankheiten wie zum Beispiel der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung vorkommen. Deshalb hat die Forschung nach exakteren Markern Ausschau gehalten. Untersucht wurden in der Vergangenheit unter anderem das an Position 181 hyperphosphorylierte Tau-Protein (Phospho-Tau181/ pTau181) und der Marker Neurofilament (Nfl) im Blut, aber beide erwiesen sich nicht als ausreichend genau.

Hohe Treffsicherheit und Genauigkeit

Die Studiengruppe aus den USA, Schweden, Großbritannien und Kolumbien hat nun Ergebnisse für das an Position 217 hyperphosphorylierte Tau-Protein (pTau217) als Biomarker vorgelegt. Sie wurden Ende Juli in JAMA veröffentlicht.

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Totgesagte leben länger

Die Wissenschaftler testeten den Biomarker an drei unterschiedlichen Alterskohorten mit insgesamt 1.402 Personen. In Kohorte 1 betrug das Durchschnittsalter 83,5 Jahre, in Kohorte 2 lag es bei 69,1 Jahren und in Kohorte 3 bei 35,8 Jahren. In allen drei Kohorten konnten Alzheimer-Patienten und sogar Träger einer Mutation, die zu Alzheimer führen kann, über pTau217 mit einer hohen Spezifität identifiziert werden. Die Treffsicherheit war signifikant höher als bei pTau181 und NfL und die Genauigkeit vergleichbar mit der der Liquor-Untersuchung oder eines PET-Scans.

„Alzheimer-Kandidaten“ frühzeitig herausfiltern

„Die Studienautoren verweisen darauf, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen, aber die vorliegenden Daten bestätigen, dass pTau217 ein vielversprechender Biomarker sein könnte, der eine frühzeitige Diagnose ermöglicht“, kommentiert Richard Dodel, Neurologe und Inhaber des Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Duisburg-Essen, die Ergebnisse. Angesichts dessen, dass es im Moment keinen Wirkstoff zur Heilung der Alzheimer-Demenz gebe, komme es wesentlich auf die Prävention, das heißt die Beeinflussung von Risikofaktoren für eine Demenz wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, körperliche Inaktivität oder Diabetes mellitus an, ebenso wie auf die Früherkennung, erklärt Dodel. Zu wissen, dass man ein „Alzheimer-Kandidat“ sei, werde viele Menschen zu einem gesünderen Lebensstil motivieren. Ein Alzheimer-Frühtest könne somit perspektivisch die Krankheitslast senken, hofft der Neurologe.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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