„Patente töten“

Aufruf: Macht von Pharmaunternehmen begrenzen!

Stuttgart - 29.09.2020, 16:00 Uhr

Unter anderem die BUKO Pharma-Kampagne und der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten sehen in der Coronakrise die Gelegenheit, einen grundlegenden Politikwechsel durchzusetzen. (c / Foto: medico international)

Unter anderem die BUKO Pharma-Kampagne und der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten sehen in der Coronakrise die Gelegenheit, einen grundlegenden Politikwechsel durchzusetzen. (c / Foto: medico international)


Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) macht seit der vergangenen Woche auf eine Pressemitteilung der BUKO Pharma-Kampagne und medico international aufmerksam. Der VdPP gehört zu deren Unterzeichnenden und fordert damit „von unseren Regierungen eine Politik, die Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt und die Macht von Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt“.

„Für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente“, dafür werden im Internet aktuell Unterschriften gesammelt – initiiert von der BUKO Pharma-Kampagne und medico international (Deutschland), Outras Palavras (Brasilien), People’s Health Movement und der Society for International Development. Unterstrichen wird die Forderung an die Politik von den Unterzeichnenden mit dem Slogan: „Patente garantieren Gewinne. Und töten Menschen.“

Anlass – aber nicht Ursache – der Initiative ist, wie so häufig im Jahr 2020, die Coronakrise: Die Welt sei zu einer „Patientin“ geworden. COVID-19 habe allen die „unentrinnbare Verflochtenheit“ des Planeten vor Augen geführt. Heilung gehe nur global oder gar nicht. Leider sei die Geschichte jeder Epidemie aber auch eine Geschichte des Zusammenspiels von Wissen, Macht und Politik: „So verharmlosen einige Regierungen die Gefahr durch das Virus und gefährden damit Tausende Menschenleben. Andere versuchen sich Masken, Diagnostika oder in Entwicklung befindliche Impfstoffe exklusiv zu sichern. Und die Pharmaindustrie stellt ihre Gewinninteressen ins Zentrum. Zugleich bauen philantrokapitalistische Akteure ihren Einfluss aus – zulasten demokratischer Prinzipien und Normen. Von globaler Solidarität in der Pandemie kann an dieser Stelle nicht die Rede sein“, heißt es.

Um COVID-19 tatsächlich erfolgreich entgegentreten zu können, müssten die Regierungen der Welt die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Forschung transparent erfolgt und medizinisches Wissen und seine Endprodukte als Gemeingut der Menschheit betrachtet werden, heißt es weiter. Doch auch die Regierungen, die vermeintlich Gesundheit gegen Profitinteressen verteidigen wollen, weigern sich laut der Pressemitteilung, das globale Patentsystem mit seinen „immer weiter voranschreitenden Verflechtungen“ in den Blick zu nehmen und zu „beseitigen“.


Das Patentsystem hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich auf Gewinnmaximierung und Kapitalerträge ausgerichtet und nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren gerechte Verteilung.“

BUKO Pharma-Kampagne und medico international (Deutschland), Outras Palavras (Brasilien), People’s Health Movement und Society for International Development


Diese globale Ungerechtigkeit treffe besonders „Zonen des Ausschlusses“, wie Flüchtlingslager, städtische Armenviertel überall auf der Welt bis zu ganzen Ländern. Trotz des rasanten medizinischen Fortschritts und der Verfügbarkeit von Medikamenten würden jedes Jahr Millionen Menschen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Malaria sterben: „Die WHO schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse keinen Zugang zu dringend notwendigen benötigten Medikamenten hat.“ 

Öffentliche Finanzierung der Forschung und Entwicklung wäre volkswirtschaftlich günstiger 

Die Pharmaindustrie erforsche und entwickle vor allem Medikamente, die hohe Gewinne in lukrativen Märkten versprechen: „Obwohl sie bereits zu den profitabelsten Branchen weltweit gehört, strebt sie dennoch nach immer größeren Gewinnen.“ Und das Patentsystem sorge dabei dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig gehalten werden, deren Entwicklung auf öffentlich finanzierter Forschung basiert. So würde verschleiert, dass die öffentliche Finanzierung der Forschung und Entwicklung volkswirtschaftlich günstiger wäre als ihre Refinanzierung über Patente und hohe Preise. Mit der Patentierung von Forschungsmethoden und -instrumenten würden zudem selbst Barrieren für den Forschungsfortschritt geschaffen.

Die Unterzeichnenden fordern also von den jeweiligen Regierungen eine an den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen ausgerichtete Politik, die Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt und die Macht von Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt. Dafür sei die Entkoppelung von Forschungskosten und Preis bei Medikamenten unabdingbar, „um neue Anreizmechanismen zu setzen, die Innovationen fördern und zugänglich machen“. Folgende Maßnahmen sollen dazu sofort ergriffen werden:

  • Die Einrichtung eines globalen Patentpools für die einfache und kostengünstige Handhabung von Lizenzverträgen, angesiedelt bei der WHO.
  • Die Verbesserung von Daten- und Preistransparenz in Forschung, Entwicklung und Verkauf, um Wissen breit zugänglich zu machen und Preise fair zu gestalten.
  • Eine sozialverträgliche Lizenzierung bei allen mit öffentlichen Mitteln geförderten medizinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
  • Die Förderung einer lokalen und öffentlichen pharmazeutischen Produktion durch die Unterstützung von Ländern des Südens beim Aufbau eigener Produktionskapazitäten u.a. durch Technologietransfer und Anschubfinanzierungen und die Schaffung leistungsfähiger regionaler Verteilungssysteme für Medikamente und Medizinprodukte.

Hier können Sie unterzeichnen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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