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EuGH hält französische Werbeverbote für weitgehend legitim
Mitgliedstaaten haben Wertungsspielraum
Was die Werbeprospekte und die Rabatte betrifft, legen die Richter dar, dass die Verbote, die die Würde des Apothekers schützen und den Arzneimittelmehr- und fehlgebrauch verhindern sollen, zwar den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken – aber durchaus gerechtfertigt sein können. Dabei verweist er auch darauf, dass Arzneimittel nicht mit gewöhnlichen Konsumgütern gleichgesetzt werden können. Ausdrücklich stellt der EuGH fest, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie sie dieses erreichen. Hierbei sei ihnen ein Wertungsspielraum zuzuerkennen. Mit Blick auf die Massen-Werbesendungen kommt der EuGH zu dem Schluss, dass das die Werbeverbote mit der fraglichen Richtlinie zu vereinbaren sind, solange sie nicht dazu führen, dass die Werbung außerhalb der Apotheke gänzlich verboten wird. Das müsse nun aber das französische Gericht prüfen.
Hinsichtlich der Rabattwerbung stellen die Richter fest, dass die fragliche Richtlinie dem Verbot, das einen Fehl- und Mehrgebrauch verhindern soll, ebenfalls nicht grundsätzlich entgegensteht. Allerdings müsse ein solches Verbot hinreichend bestimmt sein und dürfe nur für Arzneimittel, nicht aber für apothekenübliche Waren gelten – auch hier muss das vorlegende Gericht den Fall nochmal prüfen.
Anamnese-Fragebogen: Milderes Mittel als Versandverbot
Zu dem Punkt, dass Patienten vor der Bestätigung der ersten Bestellung einen Online-Anamnesefragebogen ausfüllen müssen, konstatiert der Gerichtshof zwar, dass eine solche Maßnahme Patienten vor einem Online-Arzneimittel abschrecken könnte. Er weist jedoch darauf hin, dass er „bereits entschieden hat, dass die Erhöhung der Zahl der interaktiven Elemente, die der Kunde vor einem möglichen Kauf im Internet verwenden muss, eine akzeptable Maßnahme darstellt, die den freien Warenverkehr weniger einschränkt als ein Verbot des Online-Verkaufs“. Damit ist das Urteil von 2003 gemeint, das klarstellte, dass EU-Mitgliedstaaten aus Gründen des Gesundheitsschutzes durchaus den Rx-Versandhandel verbieten dürfen. Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die hier in Rede stehende französische Regelung sich im Rahmen des zulässigen bewegt.
Mangelnde Nachweise?
Einen Dämpfer gibt es für die Franzosen aber mit Blick auf das Verbot, kostenpflichtige Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen einzusetzen. Hier bemühten sie eine ähnliche Argumentation wie Deutschland bei der Rx-Preisbindung: Demnach sei die flächendeckende Versorgung in Gefahr, wenn sich der Arzneimittelvertrieb auf große Apotheken konzentriere. Dazu stellt der EuGH fest, dass das Verbot die EU-Versender einschränkt, sich in Frankreich bekannt zu machen und damit auch den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränkt. Doch mit der Rechtfertigung haben die Richter Probleme: Zwar habe die französische Regierung behauptet, die Maßnahme habe das Ziel, eine ausgewogene Verteilung der Apotheken über das gesamte Staatsgebiet zu gewährleisten. Sie habe aber nicht „den ihr obliegenden Nachweis“ erbracht, dass die Maßnahme geeignet wäre, das Ziel zu erreichen und dazu auch erforderlich wäre. Allerdings ist an dieser Stelle noch kein endgültiges Urteil gesprochen. Vor dem vorlegenden französischen Gericht kann der Nachweis, „dass eine solche Regelung geeignet ist, die Erreichung eines Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist“ nämlich durchaus noch erbracht werden.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Oktober 2020, Rs C-649/18
1 Kommentar
Gibt es ein Umdenken in der EU?
von Heiko Barz am 02.10.2020 um 12:02 Uhr
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