Apothekeninhaberin kritisiert Regierungsmaßnahmen zur AvP-Pleite

„Gerechtigkeit geht anders“

Stuttgart - 08.10.2020, 09:15 Uhr

Apothekeninhaberin Sylvia Trautmann ist enttäuscht vom Ergebnis der Gespräche zur AvP-Insolvenz im Gesundheitsausschuss des Bundestags. (Foto: privat)

Apothekeninhaberin Sylvia Trautmann ist enttäuscht vom Ergebnis der Gespräche zur AvP-Insolvenz im Gesundheitsausschuss des Bundestags. (Foto: privat)


Sylvia Trautmann aus Dresden hat die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP voll erwischt. Niemand kann der Apothekeninhaberin sagen, wie lange sie auf die Rezeptumsätze des Monats August verzichten muss, die auf den Konten des Rechenzentrums eingefroren liegen. Sie fordert einen staatlichen Rettungsfonds, der die AvP-bedingten Zahlungsverluste ausgleicht – und zwar zinslos. Neben der Bundespolitik sieht sie die Apothekerverbände in der Pflicht.

Die Insolvenz des privaten Apothekenrechenzentrums AvP ist seit gestrigem Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags angekommen. Vor Fachpolitikern und Vertretern der ABDA gaben der vorläufige Insolvenzverwalter 
Dr. Jan-Philipp Hoos sowie der von der Bankenaufsicht BaFin eingesetzte AvP-Geschäftsleiter Ralf R. Bauer interessante Einblicke in die Geschäftsabläufe und Kontenstruktur des angeschlagenen Rechenzentrums. So soll ein Missmanagement über Jahre hinweg zu einem Defizit in der Kasse von AvP geführt haben. 

Die im Vergleich zu anderen Anbietern signifikant niedrigeren Gebühren und weitere, unverhältnismäßige Ausgaben sowie Entnahmen hätten das Unternehmen immer stärker ins Wanken gebracht, bis Anfang September dann schließlich die Bankenaufsicht BaFin das Factoring-Institut unter die Lupe nahm. Durch den Insolvenzantrag sind nun die Konten von AvP eingefroren. Apotheken werden auf die fehlenden Rezeptumsätze womöglich Jahre warten müssen. Unklar bleibt jedoch, in welcher Höhe dann überhaupt Zahlungen aus der Insolvenzmasse stattfinden werden.

Trautmann: KfW-Kredite sind der falsche Weg

Das Bundesfinanzministerium berichtete dem Gesundheitsausschuss gestern, dass Schnellkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit günstigen Zinskonditionen den betroffenen Betrieben ab sofort zur Verfügung stehen sollen. Für Sylvia Trautmann, Apothekeninhaberin aus Dresden, ist dies allerdings der falsche Weg. „Zinsgünstige Kredite oder Zahlungsaufschübe helfen betroffenen Apotheken langfristig nicht weiter, weil sie die Ursachen der Liquiditätsengpässe nicht beheben werden“, so Trautmann gegenüber DAZ.online.

Die Inhaberin betont, dass die Apotheker unverschuldet in diese Katastrophe geraten sind: „Ich bin keinesfalls damit einverstanden, dass ich mit meinem Privatvermögen für ein Finanzverbrechen haften soll, welches durch Gesetzgebung und staatliche Kontrolle hätte verhindert werden können.“ Sie sieht eine Kausalkette von staatlichem Versagen und unseriösem, verantwortungslosem Handeln der AvP-Unternehmensführung als Ursache für das Desaster. Dass die betroffenen Betriebe nun in der eigenen Notlage Kredite aufnehmen sollen, findet Trautmann unangebracht: „Gerechtigkeit geht anders!“

Ein Rettungsfonds muss her

Für Trautmann steht fest, dass ein staatlicher Rettungsfonds den kompletten finanziellen Ausgleich der AvP-bedingten Zahlungsverluste übernehmen muss – und zwar zinslos. Darüber hinaus fordert sie alle politischen Entscheidungsträger, insbesondere die Mitglieder des Bundestags, dazu auf, durch entsprechende Gesetzgebung und durch staatlich organisierte behördliche Kontrolle der BaFin dafür zu sorgen, dass ein derartiger Missbrauch treuhänderisch zu verwaltender Gelder künftig wirksam verhindert wird. Damit spielt sie auf die Tatsache an, dass AvP als Factoring-Institut und damit als eines der wenigen Rechenzentren die Abrechnungsgelder größtenteils nicht auf Fremdgeldkonten verwaltete.

Sylvia Trautmann aus Dresden ist nur eine von mehreren Tausend Apothekeninhaberinnen und -inhabern, die sich seit Wochen schon mit den eigenen betrieblichen Folgen der AvP-Pleite auseinandersetzen müssen. „90 Prozent meines Umsatzes sind Rezeptumsätze aus ärztlichen Verordnungen. Umsatz ist aber nicht Gewinn. Um weiter liquide zu bleiben, musste ich einen Kredit bei meiner Hausbank aufnehmen, der derzeit noch in Bearbeitung ist. Soll wohl vier Wochen dauern bis zur Auszahlung. Bis dahin muss ich einen teuren Kontokorrentkredit aufnehmen. Langfristig fehlt bei mir deutlich mehr als ein kompletter Jahresgewinn“, fasst sie ihre Situation zusammen.

Mehr Engagement der Verbände

Von ihrem Sächsischen Apothekerverband (SAV) wünscht sie sich in dieser Angelegenheit viel mehr Engagement. Bisher sei es nur der Apothekerverband Nordrhein gewesen, der im Interesse seiner Mitglieder öffentlich wahrnehmbar aktiv geworden ist. Immerhin habe der SAV mit Thomas Dittrich als Vorstandsvorsitzenden den heißesten Kandidaten im Rennen um die Nachfolge von Fritz Becker an der Spitze des Deutschen Apothekerverbands und damit wäre der sächsische Verbandschef besonders prädestiniert.

„Ich fände es sehr gut und sehe es als dringend notwendige Hilfsmaßnahme an, dass die  Vorstandsvorsitzenden der Apothekerverbände und der DAV-Vorsitzende hier ein persönliches Statement gegenüber Medien und Politik abgeben“, wünscht sich Trautmann. Sie stehe im Kontakt mit dem SAV und wolle ein Netzwerk mit anderen betroffenen Apothekeninhabern aufbauen. Interessenten dürften sich jederzeit in ihrer Dresdener Apotheke Bühlau melden. „Ich werde kämpfen und versuchen, jeden einzelnen Arbeitsplatz in meiner Apotheke zu halten – durch strikte Sparmaßnahmen und fleißige engagierte Arbeit. Ich liebe meinen Beruf und unsere Apotheke Bühlau“, schließt Trautmann ihr Plädoyer ab.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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9 Kommentare

nachfragen hilft!

von Kornelia Witzel am 08.10.2020 um 15:22 Uhr

... natürlich ist die Situation für alle Betroffenen furchtbar und unbefriedigend, doch wer an echtem Wissen interessiert ist, darf bei den Verbänden gerne nachfragen. So gab es gestern Abend eine online-Gesprächsrunde beim SAV, in der jeder erleben konnte, was dort in den letzten Wochen alles geleistet wurde und welche Probleme gelöst wurden und werden, damit wir diesen Monat überhaupt einen Abschlag bekommen. Dass das keinesfalls selbstverständlich ist, sollte nach dem gestrigen Gespräch auch dem Letzten klar geworden sein.

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AW: nachfragen hilft

von Sylvia Trautmann am 11.10.2020 um 13:43 Uhr

Ich bin von der AvP-Pleite betoffen und mir ist es nicht leicht gefallen, meine tiefe Betroffenheit im MDR- Sachsenspiegel öffentlich zu machen (übrigens auf Wunsch des SAV). Einzige Motivation, es doch zu tun dabei war, all meinen betroffenen Kollegen zu helfen. Bei den nachfolgenden Presseanfragen in meiner Apotheke teilte mir ein Redakteur einer Tageszeitung mit, dass auf seine telefonische Recherche hin im sächsischen Sozialministerium bis zum Mittwoch, den 7.10. noch keinerlei Gespräche mit Vertretern des SAV gelaufen sind.

Ich habe den Live-Chat der DAZ am vergangenen Freitag sowie den SAV-eigenen Live-Chat am Mittwoch abend verfolgt bei einer befreundeten Kollegin. Für uns war ernüchternd und enttäuschend, dass ein wichtiges politisches Ziel für künftige Gespräche mit der Politik von unserem Verband nicht vertreten und angegangen werden soll: Nämlich einen zinlosen KFW-Kredit mit flexibler Zeitlänge bis zur endlichen Auszahlung der Quote durch den Insolvenzverwalter, die dann durch eine vom Bund ergänzte finanzielle Ausgleichzahlung an die betroffenen Apo`s ergänzt wird. Es gibt keinen Grund, diesen politischen Einsatz als Wirtschaftsverband für zahlende SAV-Mitglieder nicht zu leisten: Das ist die beste Gelegenheit, der Politik argumentativ zu belegen: Wir Apotheker haben einen staatlichen Versorgungsauftrag mit Arzneimitten, die wir mit einem großen kapitalintensiven Warenlager vorfinanzieren, sowie auch die Herstellerrabatte.Zusätzlich wir machen das Inkasso gesetzlichen Zuzahlungen der Patienten für die Krankenkassen kostenlos. Seit Jahren haben wir zuwenig Geld für Gehaltsanpassungen unserer Mitarbeiter und für wichtige Zukunftsinvestitionen, weil wir eine schlappe Umsatzrendite von 1 % oder weniger haben. Ahnungslos ist der, wer das nicht weiß oder nicht als Standesvertreter unseres Wirtschaftsverbandes kommuniziert gegenüber Politik und Regierung . Sprechen Sie mal einen Politikvertreter MdB in ihrem Wahlkreis auf zwingend nötige Honorarerhöhungen für öffentliche Apotheken an. Die sind echt erstaunt, ahnungslos und verblüfft, wenn sie eine BWA einer Apotheke sehen, wie wenig Geld wir verdienen und wieviel wir dafür leisten müssen. Die verschlampten AvP-Gelder muss der Bund den Betroffenen Apotheken ersetzen, basta!!!
Wenn Kollegen kein Mitgefühl haben, na gut. Ein Konkurrent um die Ecke weniger vielleicht? Aber ich fordere von unserem Verbänden die korrekte Zieljustierung bei baldigen und effektiven Gesprächen in der Politik ein. Und ich erwarte eine Antwort auf meine e-Mail an Vertreter des SAV.
Mit kollegialen Grüßen

ahnungslos

von Dr. Reinhard Groß am 08.10.2020 um 13:19 Uhr

... wie ahnungslos muss man sein, um solche Kommentare abzugeben? Rufen Sie einfach in der Geschäftsstelle ihrer Verbände an und erkundigen Sie sich über den Stand der Gespräche und die eingeleiteten Maßnahmen im Zusammenhang mit der AvP-Insolvenz. Viele Betroffene haben das übrigens bereits getan und nutzen die Kompetenz ihrer Standesvertretungen.

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AW: Wirkungslos

von Nikolaus Guttenberger am 08.10.2020 um 13:46 Uhr

Was keine Wirkung zeigt ist überflüssig.

Ganz normale Kfw Kredite, die es vorher gab und nachher geben wird, sind kein Resultat. Sie sind eine offene Verhöhnung der betroffenen Kollegen.

Es gibt noch nichtmal irgend eine deutliche Kommunikation, die über ein „mimimi hoffentlich drückt die KfW ein Auge zu“ hinaus geht.

Ich bleibe dabei: Ein völlig unwirkliches und beschämendes Schauspiel, dass von so gut wie allen Standesorganisationen hier dargeboten wird.

Wenn das alles sein soll, kann man diese Konstrukte genausogut auch schliessen.

AW: Losgelöst @Nikolaus Guttenberger

von Uwe Bauer am 08.10.2020 um 15:01 Uhr

Kommentare wie die meines Vorposters können genau so gut unterbleiben, denn sie sind inhaltslos und somit recht sinnlos.

Nur weil etwas vermeintlich oder offensichtlich ggw. keine Wirkung zeigt, muss es nicht wirkungslos sein. Oder tat der werte Kollege(?) dank einer Grippeimpfung seinen Dienst in Erkältungszeiten nicht auch schon mal relativ sorglos?

Kredite und Darlehen sind sicherlich vonnöten, entfalten ob der notwendigen Anbahnung ihre Wirkung aber eher etwas zeitverzögert. Die sofortige Sicherung der Liquidität der betroffenen Offizinen hat oberste Priorität und daran wird gearbeitet. Dies erscheint mir alternativlos!

Alle hierbei stattfindenden Unternehmungen in die geneigte Berufsöffentlichkeit hinauszublasen, halte ich dagegen für instinktlos.

Über die Wiederherstellung der gefühlten Gerechtigkeit für die gebeutelten Apotheken kann man trefflich streiten, aber hier wird man sich gedulden, mit der Politik und den Kassen verhandeln und den Gerichten beugen müssen.

Wie man es auch dreht und wendet - ihr Kommentar bleibt niveaulos.

KEIN Verständnis

von Dr.Diefenbach am 08.10.2020 um 11:45 Uhr

ist gut gesagt bzgl. des NICHTVERHALTENS der BO.Ich verstehe auch nicht WARUM offenbar in etlichen Kammern und Verbänden das Thema AvP weitgehend ad acta gelegt erscheint.Denn ;WAS wird aus fehlenden Mitgliederbeiträgen,was aus fehlenden Zahlungen AN die Versorgungswerke? das wird ja Alles erst versetzt sichtbar, dann ist aber eine Reihe von Vorgängen nicht mehr reparabel.Aber-ich schrieb es schon-die ABDA Beiträge sollen jährlich weiter steigen--Vielleicht wacht so mancher im oberen Zehntel doch noch auf und überlegt mal,dass das vorliegende PR Desaster-NICHTS von Herrn Dr. Kern und Co habe ich in der Tagespresse gefunden-völlig indiskutabel ist.Dass die unerhörte Sachlage:Volle Haftung des Einzelnen gegen die Erfüllung eines Gemeinwohlauftrages steht-dies gehört breit platziert!!Und über die Coba mit Bundesbeteiligung und WIE das mit dem Entzug der Kontokorrentlinie gegenüber AvP gelaufen sein soll/könnte:DIESEN Skandal baden ein paar Menschen aus.Aber hierzu ist sicher aus hygienischer Sicht aus der Kommandozentrale der Mantel des Schweigens ausgebreitet.....l

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AvP

von Gerd-Rainer Blume am 08.10.2020 um 11:32 Uhr

Danke für den guten Komentar. Solange wir uns nicht zusammenschließen wird sich nichts ändern. Ich habe mal in der Kammer Westfalen-Lippe gesessen und versucht ein wenig aufzumucken. Erfolglos!!! Man muss lange "Tasche tragen" um in diese Eliten aufzusteigen. Mal sehen, was bei den anstehenden Pseudowahlen herauskommt
Immer noch hoffnungsfroh?!? G-R Blume

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blockiert?

von Karl Friedrich Müller am 08.10.2020 um 11:16 Uhr

ich hab nun 2 x versucht, einen Kommentar loszuwerden. ich bekomme keinen Link zur Veröffentlichung.
Es erübrigt sich nun auch, weil ich ungefähr das Gleiche geschrieben habe wie der Kollege vor mir.
Ich denke, dass alle Apotheken ob der Haltung der Politik und der ABDA, kalt lächelnd zusehen, sehr verunsichert sind.
Wenn wir kein Vertrauen haben können, dass wir unser Geld bekommen, ist das Geschäftsmodell erledigt, Ware gleich und Geld später.

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Ja !

von Nikolaus Guttenberger am 08.10.2020 um 11:01 Uhr

Es ist erbärmlich und traurig was unsere Standesvertretung hier abliefert.

Man stelle sich vor ein Abrechnungszentrum der Ärzte wäre pleite gegangen. Dabei hätten die "nur" ihren Lohn für einen bestimmten Zeitraum verloren. Die komplette Hölle würde da losbrechen.

Wir haben aber quasi einen kompletten Monat alle Arzneimittel auf eigene Kosten abgegeben, und unfassbare Beträge verloren, die bei einigen Kollegen existenzauslöschend sind. Unsere Vertretung bittet (lieb guckend) um einen Kredit, und erreicht für uns... nichts.

Ich frage mich ernsthaft, worin diese Leute eigentlich ihre Daseinsberechtigung sehen, wenn sie in den Spiegel gucken. Unsere Vergütung ist aus einer anderen Zeit, die letzte Erhöhung liegt mehr als eine Dekade (!) zurück. Herr Spahn ist dabei unseren kompletten Beruf ins Ausland zu verlagern, und wir werden mit Bürokratie tot geworfen.

Es gibt kein berufsständische Organisation auf der Welt oder in der Geschichte die umfassender und vollständiger versagt hat, und weiter versagt. Leider ist das die Wahrheit.

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