Studie zur globalen Wirkstoffproduktion

Wie kann die Abwanderung nach Asien gestoppt werden?

Berlin - 08.10.2020, 14:30 Uhr

Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer hält Europa als Produktionsstandort für pharmazeutische Wirkstoffe noch nicht für verloren. (c / Foto: Svea Pietschmann)

Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer hält Europa als Produktionsstandort für pharmazeutische Wirkstoffe noch nicht für verloren. (c / Foto: Svea Pietschmann)


Schon lange beklagen wir in Deutschland und Europa, dass sich die Produktion wichtiger Arzneimittelwirkstoffe zunehmend nach Asien verlagert. Bislang gab es dafür lediglich eine „gefühlte Evidenz“. Der Branchenverband Pro Generika wollte es genauer wissen und gab Anfang des Jahres eine Studie zur globalen Wirkstoffproduktion in Auftrag. Die nun vorliegende „Weltkarte der API-Produktion“ bestätigt zwar die bisherigen Vermutungen – sie zeigt aber auch: Noch ist die Ausgangsposition für eine Produktion in Europa gut. Diese zu erhalten, sei nun Aufgabe der Politik, meint Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer.  

Seit Jahren sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln ein Dauerthema in den Apotheken. In der Diskussion um die Ursachen geht es stets auch um die Herkunft der Arzneimittel beziehungsweise der in ihnen verwendeten Wirkstoffe. Zu hören ist immer wieder, Deutschland und Europa hätten sich abhängig gemacht von wenigen Wirkstoffherstellern in Fernost. Nun müsse die Produktion zurück nach Europa geholt werden.

Doch wie ist die Lage wirklich? Bislang mangelte es an validen Daten zu den Ursprüngen der sogenannten APIs (Active Pharmaceutical Ingredient). Der Branchenverband Pro Generika gab daher Anfang dieses Jahres eine Studie bei MundiCare Life Science Strategies in Auftrag, die handfeste Fakten liefern sollte. Am gestrigen Mittwoch wurde sie nun in Berlin vorgestellt.

Für die Studie mit dem Titel „Woher kommen unsere Wirkstoffe? Eine Weltkarte der API-Produktion“ wurden 554 APIs untersucht, die zumindest ein CEP (Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia) tragen – die „Goldstandard-Zulassung“ für ein API, wie Dr. Andreas Meiser, Autor der Studie und Geschäftsführer von MundiCare Life Science Strategies, erläuterte. Der Vorteil: CEPs werden in einer öffentlichen Datenbank erfasst. Allerdings sind nicht immer alle CEPs für ein API in Gebrauch.

Europa hat seine Spitzenstellung in den letzten 20 Jahren verloren

Die Verschiebung der Produktionsstätten macht der Vergleich der Jahre 2000 und 2020 deutlich. Während vor 20 Jahren in der Datenbank 589 CEPs gelistet waren, die zu 59 Prozent in Europa und zu 31 Prozent in Asien gehalten wurden, hat sich das Verhältnis heute umgekehrt: 63 Prozent der CEPs werden 2020 in Asien gehalten, nur noch 33 Prozent in Europa. Zudem hat sich die Zahl der CEPs enorm erhöht, vor allem in Asien. Die Studie machte insgesamt 3.786 solcher Wirkstoffzulassungen aus (2.369 in Asien, 1.260 in Europa). In Asien wiederum sind ganz klar China und Indien die Platzhirsche. Hier werden heute laut Studie mehr als 80 Prozent aller in Asien liegenden CEPs gehalten. Und auch in diesen beiden Ländern ist eine klare Konzentration auf wenige Regionen zu verzeichnen. Beispielsweise kommen 90 Prozent der indischen CEPs aus nur vier der 28 indischen Bundesstaaten. In China sind es fünf Provinzen an der Ostküste, in die fast drei Viertel der CEPs fallen. Hubei, die Provinz, in der das SARS-CoV-2-Virus seinen Ausgang nahm, zählt dazu, steht allerdings an letzter Stelle der chinesischen Top-5.

Die Grafik zeigt die Veränderungen bei der Anzahl der Wirkstoffzertifikate (CEPs), Wirkstoffe (APIs) und Hersteller nach Region zwischen 2000 und 2020.

Eine weitere Feststellung der Studie: Ein Sechstel der in Europa benötigten Wirkstoffe wird ausschließlich außerhalb Europas hergestellt. Dabei handelte es sich laut Meiser um eine heterogene Mischung quer durch die Indikationen. Betroffen sind etwa Simvastatin oder Chloroquin aber auch das eine oder andere Antibiotikum. Für mehr als die Hälfte (56 Prozent) der APIs gibt es überdies nur fünf oder weniger CEPs und damit sehr wenige Hersteller.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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