- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Corona: Welche Gruppen ...
Einführung von COVID-19-Impfungen
Corona: Welche Gruppen sollen als erste geimpft werden und warum?
Niemand weiß, wann die ersten COVID-19-Impfstoffe verfügbar sein werden. Relativ sicher scheint demgegenüber zu sein, dass das Angebot nicht für alle ausreichen wird. Welche Gruppen sollen als erste geimpft werden und warum? Die Gesellschaft für Virologie spricht sich in einer Stellungnahme dafür aus, die Priorisierung schon jetzt planerisch vorzubereiten.
Die Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 läuft weltweit auf Hochtouren, und die Gesellschaft für Virologie (GfV) rechnet damit, dass in absehbarer Zeit ein vorläufiger Verträglichkeits- und Wirksamkeitsnachweis für ein oder mehrere Vakzine gelingen könnte. Trotzdem wird es wohl in der ersten Zeit keine ausreichenden Mengen für alle geben. Die GfV setzt sich deshalb in einer aktuellen Stellungnahme mit der wichtigen gesellschaftlichen Frage auseinander, welche Gruppen in Deutschland als erste geimpft werden sollten.
Mehr zum Thema
STIKO bleibt bei bestehender Empfehlung
Keine standardmäßige Grippeimpfung für die gesamte Bevölkerung
In der Stellungnahme beleuchten die Virologen einige wichtige virologische Aspekte, die aus ihrer Sicht bei der Priorisierung in Betracht gezogen werden sollten. Dazu zählen sie die Epidemiologie der SARS-CoV-2-Pandemie, die Wirksamkeit und Wirkweise der Impfstoffe in verschiedenen Alters- und Risikogruppen und die Praktikabilität bei der Durchführung der Impfungen. Derzeit werde eine Vielzahl verschiedener Impfstoffklassen erprobt und die Wirkweise könne sich von Impfstoff zu Impfstoff unterscheiden, legen die Experten dar. Je nachdem, auf welchem Weg die zukünftigen COVID-19-Impfstoffe die betreffenden Personen schützen, könnten sich auch deren optimale Anwendungsbereiche unterscheiden.
Das oberste Ziel bei der Einführung einer Impfung muss nach ihrer Auffassung jedenfalls die Reduktion von COVID-19-bedingten Todesfällen und schweren klinischen Erkrankungen sein.
Zuständig ist die STIKO
In Deutschland hat die Ständige Impfkommission (STIKO) den gesetzlichen Auftrag, auf der Basis der Zulassung eines Impfstoffs Empfehlungen auszusprechen, heißt es in der Stellungnahme. Die methodischen Prozesse für die evidenzbasierte Nutzen-Risiko-Bewertung zugelassener Impfstoffe und die Entscheidungsfindung für Impfempfehlungen durch die STIKO sind laut GfV „vielfach erprobt und verbindlich“. Sie sind in einer öffentlich verfügbaren Standardvorgehensweise (SOP) dokumentiert. In einer Mitte August erschienen Stellungnahme hat die STIKO erläutert, wie sie die in der SOP beschriebenen Kriterien der evidenzbasierten Nutzen-Risiko-Abwägung bei der COVID-19-Impfung umsetzen und bei der Priorisierung auch ethische Aspekte berücksichtigen wird.
Was sagt der Pandemieplan?
Neben der STIKO verweist die Gesellschaft für Virologie bezüglich der Frage – welche Gruppen in Deutschland als erste geimpft werden sollten – auf den nationalen Pandemieplan mit vier Priorisierungsgruppen, die für SARS-CoV-2 definiert werden müssten, und zwar Personen:
- die von einer Impfung besonders stark profitieren (z. B. ältere Bevölkerungsgruppen),
- die häufig Kontakt zu besonders vulnerablen Personen haben (z. B. medizinisches Personal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern),
- die einen besonders großen Einfluss auf die Viruszirkulation haben (z. B. Altersgruppen mit besonders hohen Infektionsraten wie gegenwärtig die 20-39-jährigen),
- die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder der staatlichen Infrastruktur erforderlich sind.
Ein hohes Lebensalter gilt bei der SARS-CoV-2 Infektion als häufigster und vermutlich wichtigster bisher bekannte Risikofaktor für intensivpflichtige oder tödliche Krankheitsverläufe.
Mehr zum Thema
Zu Beginn des 3. Trimenons
STIKO empfiehlt Impfung gegen Pertussis in jeder Schwangerschaft
Daneben könnten aber auch andere Erkrankungen in allen Lebensaltersbereichen das Risiko für schwere Verläufe erhöhen. Daher halten die Virologen es für wichtig, die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe gerade auch bei älteren Personen und weiteren Risikogruppen zu überprüfen. Sofern eine Impfung in einer besonders gefährdeten Personengruppen nicht ausreichend wirkt, sollte stattdessen die Impfung im Rahmen einer „Kokon-Strategie“ erwogen werden. Hiermit ist die Impfung naher Kontaktpersonen gemeint, die damit als Überträger der Erkrankung ausscheiden. Zu denken wäre an betreuende Angehörige sowie auf jeden Fall medizinisches Personal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.
Impfstoff-Verteilung soll regionale Fallzahlen berücksichtigen
Da die Rate der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 sich von Bundesland zu Bundesland und auch innerhalb der Bundesländer nach Regionen beträchtlich unterscheidet, wäre es aus Sicht der Virologen ideal, wenn die Impfstoff-Verteilung auch regionale Fallzahlen berücksichtigen würde. Ein solches Vorgehen bei der Priorisierung dürfte allerdings politisch schwer umsetzbar sein, so ihre Vermutung.
Die bevorzugte Impfung von Personengruppen, die einen besonders großen Einfluss auf die Viruszirkulation haben, halten sie nur für sinnvoll, wenn diese die weitere Ausbreitung effizient verhindert. Es sei allerdings schwierig, diese Personengruppe zu definieren, da ein beträchtlicher Teil der Infektionen auf „Superspreader“ zurückzuführen sein könnte, die nicht im Voraus identifiziert werden könnten.
Logistische Herausforderungen
Ein weiteres Problem sieht die Gesellschaft für Virologie in der Strategie-gebundenen punktgenauen Verteilung von Millionen Impfstoffdosen innerhalb kurzer Zeit. Je nach Art des zugelassenen Impfstoffs könnten Kühlketten benötigt werden oder nur Reihenimpfungen möglich sein, da die Impfstoffe wegen Engpässen beim Abfüllen möglicherweise nur in Gebinden mit 50 oder 100 Impfdosen bereitgestellt werden könnten.
Zeitgleich zur Einführung: Überwachung in prospektiven Studien
Schließlich geht die Stellungnahme auch auf die Risiken ein, die mit der schnellen Impfstoffentwicklung einhergehen. Bereits im Mai dieses Jahres hatte sich die GfV zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Immunologie damit befasst. Zwar könne die Risiko-Nutzen-Abwägung es rechtfertigen, die Impfstoffe rasch breitflächig einzusetzen, weil die meisten impfassoziierten Nebenwirkungen innerhalb der ersten Wochen nach Impfung aufträten. Dennoch müssten die Wirksamkeit und Sicherheit der COVID-19-Impfungen unbedingt zeitgleich zur Einführung in prospektiven Studien überwacht werden.
1 Kommentar
Impfung
von T.R am 08.11.2020 um 10:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.