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Absage an Rx-Versandverbot
Schärfere Qualitätsregeln für Versand EU-rechtlich vorstellbar
Der „Fachbereich Europa“ des Deutschen Bundestages hat eine Ausarbeitung zur Vereinbarkeit eines deutschen Rx-Versandhandelsverbotes mit dem Unionsrecht erstellt. Demnach sei ein Rx-Versandverbot heute „wohl als unverhältnismäßig“ zu betrachten. Doch die Ausarbeitung bietet neue Ansatzpunkte für mögliche schärfere Regelungen zur Qualitätssicherung für den Versandhandel aus anderen EU-Ländern.
Die Ausarbeitung aus dem „Fachbereich Europa“ des Deutschen Bundestages zum Rx-Versandverbot wurde am 8. September abgeschlossen, aber erst in diesen Tagen öffentlich bekannt. Alternativ zu einem Rx-Versandverbot werden verschärfte Qualitätskriterien für den Versand untersucht. Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage, ob die Einführung eines Rx-Versandverbotes in Deutschland mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Sowohl die Formulierungen als auch die Argumentationsweise erinnern vielfach eher an EU-Institutionen und weniger an die Aussagen deutscher Politiker. Beispielsweise heißt es über das EuGH-Urteil zur Preisbindung vom Oktober 2016, der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe „aus dogmatischer Sicht wenig überraschend“ entschieden.
Autoren sehen Rx-Versandverbot als schwer begründbar
Auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung zum Versandhandel von 2003 sei ein Rx-Versandverbot denkbar. Doch sei fraglich, ob eine Rückkehr zum Rx-Versandverbot „aus Gründen des Gesundheitsschutzes (auch heute noch) unionsrechtlich möglich ist“. Es bestünden keine Zweifel, dass dies eine Maßnahme gleicher Wirkung (gemeint ist offenbar eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung) und damit ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit sei. Doch untersuchen die Autoren, ob eine Rechtfertigung gemäß Art. 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) möglich ist. Das Ziel, lokale Apotheken zu erhalten, diene dem Gesundheitsschutz, aber die Verhältnismäßigkeit sei zu prüfen. Bezüglich des Zweckes verweisen die Autoren auf den Entwurf für das Rx-Versandverbot, das der damalige Bundesgesundheitsminister Gröhe 2017 erstellt hatte.
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Demnach sollte das Rx-Versandverbot verhindern, dass die Zahl der Vor-Ort-Apotheken als Folge des Preiswettbewerbs mit ausländischen Versendern sinkt. Alternativ käme nach Einschätzung der Autoren das Ziel in Betracht, Medikamentenfälschungen oder -missbrauch einzudämmen. Die Autoren sehen keine grundlegenden Probleme hinsichtlich der Geeignetheit des Rx-Versandverbots für diese Ziele, wohl aber bei der Erforderlichkeit. Denn zum Schutz der flächendeckenden Versorgung werde nun die sozialrechtliche Preisbindung gemäß dem geplanten Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) vorgeschlagen. Dazu formulieren die Autoren bemerkenswert zurückhaltend: „Auf diesem Wege müssten sich, zumindest wohl nach den derzeitigen Vorstellungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BfG), auch Versandhandelsapotheken, wollen sie an der deutschen Regelversorgung teilnehmen, an die Preisbindung halten.“ Da dies ein milderes Mittel sei, bestünden begründete Zweifel an der Erforderlichkeit des Rx-Versandverbots. Auch bei der Begründung über den Gesundheitsschutz seien mildere Mittel denkbar, beispielsweise „Auflagen zur Wahrung der Qualität der Beratung und Aufklärung“. Außerdem verweisen die Autoren auf die Entscheidung der Bundesregierung nach dem EuGH-Urteil von 2003. Dass Deutschland damals den Rx-Versand zugelassen habe, könnte sich heute auf die Beurteilung der Erforderlichkeit eines Rx-Versandverbots auswirken. Aufgrund der 16 Jahre bestehenden Praxis und des Nichteintritts der befürchteten negativen Folgen scheine ein Rx-Versandverbot schwer begründbar.
Keine Perspektiven für ein Rx-Versandverbot
Die Autoren verweisen auch auf die Kritik am EuGH-Urteil von 2016, der EuGH stelle zu hohe Anforderungen an die Rechtfertigung und begrenze damit die Wertungsentscheidung des Gesetzgebers. Doch nach Ansicht der Autoren widerspreche diese Ansicht „dem Grunde nach“ der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit. Gegen die Verhältnismäßigkeit des Rx-Versandverbots könne außerdem sprechen, dass ein positiver Effekt des Versandhandels auf die Versorgung „wahrscheinlich“ sei. Dazu heißt es in der Ausarbeitung: „Die Möglichkeit verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet zu erwerben und zu sich liefern zu lassen, erhöht die Zugänglichkeit zur Versorgung.“ Auf die schnelle Verfügbarkeit in Akutsituationen als wesentliches Kriterium für die Versorgungsqualität gehen die Autoren jedoch nicht ein.
Als Fazit folgern die Autoren, die Einführung eines Rx-Versandverbotes sei „wohl als unverhältnismäßig“ und damit als Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit zu bewerten. Weiter heißt es dazu: „Zu einem anderen Ergebnis könnten Erkenntnisse führen, die negative Auswirkungen des Versandhandels auf die Zugänglichkeit und Qualität medizinischer Versorgung nachweisen.“ Mit Blick auf die zurückliegenden 16 Jahre sei davon aber wohl nicht auszugehen.
Weitere Qualitätsvorgaben für den Versand möglich
In einem weiteren Kapitel hat der „Fachbereich Europa“ eine „unionsrechtliche Einschätzung der Rechtmäßigkeit etwaiger Maßnahmen zur Qualitätssicherung für den Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln“ vorgenommen. Dazu erklären die Autoren, die Ausgestaltung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung sei „vorliegend nicht bekannt“. Offenbar war den Autoren § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG nicht bekannt, wonach der Versand aus einem anderen EU-Land „entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel“ stattzufinden hat. Darauf hatte kürzlich auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einer Ausarbeitung zum Arzneimittelversandhandel aus anderen EU-Ländern hingewiesen. Dort war allerdings eine „systemimmanente Überwachungslücke“ beim Versand aus dem Ausland festgestellt worden. Demnach wären keine neuen Gesetze nötig, sondern die überprüfbare Durchsetzung der bestehenden Regeln.
Dagegen erwägt der „Fachbereich Europa“ in seiner Ausarbeitung, dass der Versand in Anlehnung an § 17 Abs. 2a Nr. 1 ApBetrO mit Auflagen zur Verpackung, zum Transport und zur Auslieferung versehen werden könnte. Insbesondere verweisen die Autoren auf Temperaturkontrollen und übersehen dabei, dass die einschlägigen Versandregeln auch für ausländische Versender gelten. Stattdessen hinterfragen die Autoren, ob eine analoge Regelung ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit darstelle. Sie kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass der Nachweis zur Einhaltung der Kühlkette gegebenenfalls durch den Gesundheitsschutz zu rechtfertigen wäre. Dabei sprechen die Autoren jedoch nicht an, dass Versandhändler solche Produkte gerade aufgrund von Qualitätserwägungen aus ihrem Angebot streichen könnten.
Auslieferungsregel des Botendienstes auf den Versand übertragbar?
Auch bei der Auslieferung durch Fachpersonal sei die unionsrechtliche Einordnung von der Ausgestaltung der Maßnahme abhängig, heißt es in der Ausarbeitung. Die Autoren erwähnen hier merkwürdigerweise zunächst „medizinisches Fachpersonal“, beim Verweis auf die ApBetrO hingegen „pharmazeutisches Personal“. Sie verweisen zunächst auf die Regelung zum Botendienst gemäß § 17 Abs. 2 ApBetrO, wonach eine Lieferung durch pharmazeutisches Personal erfolgen muss, soweit die Verschreibung nicht in der Apotheke vorgelegen hat oder noch keine Beratung stattgefunden hat. Anschließend argumentieren sie, eine parallele Vorschrift für den Versand dürfte nicht über diese Kriterien hinausgehen. Im Vergleich zum Botendienst der Vor-Ort-Apotheken hätten Versender durch solche Regeln einen ungleich höheren logistischen und personellen Aufwand. Für eine solche Regelung beim Versand sei eine Rechtfertigung durch den Gesundheitsschutz nötig, aber die Verhältnismäßigkeit könne nur anhand der konkreten Ausgestaltung geprüft werden.
Die naheliegende praktische Konsequenz führen die Autoren allerdings nicht aus: Wenn die Regelung vom Botendienst auf den Versand übertragen würde, käme es auf die vorherige Überlegung an, dass die Kriterien nicht strenger als beim Botendienst sein dürften. Dann könnte der Versand ablaufen wie bisher, sofern vorher eine telepharmazeutische Beratung stattgefunden hat.
Raum für neue politische Ideen
Insgesamt lässt die Ausarbeitung keinen Raum für Erwartungen an einen neuen Anlauf für ein Rx-Versandverbot. Doch sie bietet Anregungen für Diskussionen über neue Gestaltungen des Versandes. Vielleicht können sich daraus neue politische Möglichkeiten ergeben.
2 Kommentare
Welche Qualitätsregeln
von Heiko Barz am 15.10.2020 um 19:32 Uhr
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Deutsches Recht kann in den Niederlanden nicht durchgesetzt werden
von Rainer W. am 14.10.2020 um 14:46 Uhr
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