Ausbau der Pharmazie an der Universität Jena

„Ziel muss sein, die Besten nach Thüringen zu locken“

Berlin - 30.10.2020, 14:15 Uhr

Dr. Cornelia Klisch ist Fachärztin für Neurologie sowie stellvertretende Vorsitzende im Landesverband der SPD Thüringen. (s / Archivbild; Foto: Tino Sieland)

Dr. Cornelia Klisch ist Fachärztin für Neurologie sowie stellvertretende Vorsitzende im Landesverband der SPD Thüringen. (s / Archivbild; Foto: Tino Sieland)


Pharmazeutische Betreuung intensivieren

Für viele Jungapprobierte ist die öffentliche Apotheke ein eher unattraktives Arbeitsfeld geworden. Nach einem naturwissenschaftlich-medizinischem Studium steht oft das Kaufmännische im Vordergrund, zudem sind die Arbeitszeiten unbeliebt. Wie würden Sie die Arbeit für junge Pharmazeuten in der öffentlichen Apotheke attraktiver gestalten?

Es gibt vielerorts Modelle, bei denen Apotheker multifunktioneller aufgestellt sind und die Patienten verstärkt auf Interaktionen screenen, zum Beispiel in der Palliativpflege oder der Onkologie. Ich denke, die Tätigkeitsfelder in Apotheken werden sich im Laufe der Zeit stark verändern. Wir müssen aber darauf achten, dass diese neuen Tätigkeitsfelder für Apotheken wirklich bereichernd und entlastend wirken – auch finanziell. Ich denke, an dieser Stelle liegt noch viel Arbeit beim Gesetzgeber. 

In manchen Bundesländern können Apotheker jetzt Impfen, was gerade jüngere Apothekerinnen und Apotheker motiviert. In Thüringen haben sich die Apotheker zunächst gegen diese neue Tätigkeit entschieden – auch aus Angst vor der Kritik der Ärzte. Wie bewerten Sie die Impfung in der Apotheke als Politikerin und als Ärztin?

Ich glaube, dass dabei aus einem Mangel eine Tugend gemacht wird. Vor ein paar Jahren entschied zum Beispiel die Stadt Erfurt, wie viele andere Kommunen, Impfungen aufgrund des Personalmangels im Gesundheitsamt nicht mehr anzubieten. Stattdessen verteilten sie das Angebot auf niedergelassenen Arztpraxen. Das halte ich bis heute für eine absolute Fehlentscheidung. Prinzipiell sollten die Strukturen im öffentlichen Gesundheitswesen ausgebaut werden, um die Bevölkerung auch mit Informationen oder Impfungen – wie in der aktuellen Pandemie – ausreichend versorgen zu können. Das Impfen durch eine neue Gruppe wie die Apotheker anzubieten, die nicht den gleichen medizinisch-fachlichen Hintergrund hat, kann zwar im Notfall eine Hilfe sein, eine zukunftsfähige Lösung sehe ich darin allerdings nicht. 

Nach dem Studium möchten viele junge Approbierte gezielt in die Apotheken, die anspruchsvollere Aufgaben anbieten, die Sie eher im öffentlichen Gesundheitswesen verorten. In anderen Ländern füllen Apotheker diese Rolle bereits in stärkerem Maße aus als hierzulande, auch nach guten Erfahrungen beim Impfen. Halten Sie diese Herangehensweise trotzdem für falsch? 

Jetzt fragen Sie eine Ärztin. Ja, ich halte es für den falschen Weg. Tätigkeiten wie das Impfen sollten in der Medizin bleiben. Natürlich können wir bestimmte Leistungen delegieren, wenn die Apotheker fachlich geschult sind und im Notfall Verantwortung übernehmen wollen. Aber immer neue Tätigkeitsfelder aufzugreifen, könnte die Apothekerinnen und Apotheker sowohl personell als auch finanziell überfrachten. Ich denke, wir sollten zunächst die bestehenden Strukturen, die die Pharmazie ausmachen, erst einmal stärken. Als ein Beispiel könnte man die pharmazeutische Betreuung von Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, intensivieren.  

Sie meinen durch Modelle wie die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN)?

Kolleginnen und Kollegen haben mich davon überzeugt, dass ARMIN eine wirklich gute Sache ist, und in Thüringen hat das Projekt Fuß gefasst. Genau solche Projekte brauchen wir, vor allem für die Patientensicherheit. Wenn Modellprojekte wie diese weiter ausgebaut werden, wäre sowohl Apothekern, Patienten als auch Ärzten geholfen. Projekte wie diese sollten auch stärker im Studium integriert werden. 

Frau Dr. Klisch, vielen Dank für das Gespräch.

 



Marius Penzel, Apotheker
redaktion@daz.online


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