Alternativen zu Xylometazolin & Co. (Teil 2 von 2)

Welche Nasensprays wirken abschwellend?

Stuttgart - 05.11.2020, 07:00 Uhr

Nicht jeder darf Nasensprays mit Xylometazolin, Oxymetazolin oder Tramazolin verwenden. Als Alternativen stehen zum Beispiel Nasodirect von Pari und Emser® Nasenpray zur Verfügung. Was sind ihre Vor- und Nachteile? (Foto: I Viewfinder / stock.adobe.com)

Nicht jeder darf Nasensprays mit Xylometazolin, Oxymetazolin oder Tramazolin verwenden. Als Alternativen stehen zum Beispiel Nasodirect von Pari und Emser® Nasenpray zur Verfügung. Was sind ihre Vor- und Nachteile? 
(Foto: I Viewfinder / stock.adobe.com)


Was hilft bei Schnupfen und verstopfter Nase? Nasensprays mit Xylometazolin, Oxymetazolin oder Tramazolin wirken zwar zuverlässig, doch trocknen sie die Nasenschleimhaut aus und bergen das Risiko einer Abhängigkeit. Welche Alternativen bietet die Apotheke? Im zweiten Teil der kleinen „Schnupfenspray-Serie“ geht es um das neue Nasodirect von Pari und das Emser Nasenspray.

Nicht jeder Patient darf Wirkstoffe wie Xylometazolin zur Abschwellung der Nasenschleimhaut nutzen. Zudem bergen alphasympathomimetische Nasensprays das Risiko einer Gewöhnung und Schädigung der Nasenschleimhaut. Welche Alternativen gibt es?

Nasodirect: Captomucin und hypertone Kochsalzlösung

Pari vermarktet seit Kurzem Nasodirect® Nasenspray. Herstellerangaben zufolge hat Nasodirect® folgende Effekte: „Befreit die Nase, löst den Schleim und wirkt abschwellend“ und das Ganze „ohne Gewöhnungseffekt.“ Wie schafft Pari das – ganz ohne α-Sympathomimetika? Zur Abschwellung der Nasenschleimhaut und Schleimlösung setzt der Hersteller auf zwei Prinzipien: ein altbekanntes – hypertone Salzlösung – und ein neues – Captomucil. Was nun ist Captomucil? Pari erklärt: „Captomucil ist ein Polysaccharid aus der Familie der Chitosane und wird aus dem Austernpilz Pleurotus ostreatus gewonnen.“ Über elektrostatische Wechselwirkungen des Chitosans mit dem Schleim soll dieser verflüssigt werden.

Wirkt nur oberflächlich – schnäuzt man den Wirkstoff nicht ins Taschentuch?

Nasodirect® wirkt als Medizinprodukt nur auf der Oberfläche der Nasenschleimhaut, „rein physikalisch“, und wird nicht von dieser absorbiert und vom Körper verstoffwechselt. Doch schnäuzt man den Wirkstoff denn nicht sofort beim Naseputzen direkt wieder ins Taschentuch? Diese Vermutung sieht Pari durch die Ergebnisse einer klinischen Studie (doppelblind, randomisiert) an 110 Patienten widerlegt. Der 2019 von Pari durchgeführten Untersuchung zufolge besserten sich die Symptome einer Rhinitis – verstopfte und laufende Nase, Niesen, Schleim – der Probanden unter Nasodirect® signifikant mehr als mit Placebo.

Zwei Fragen an den Hersteller

  1. Pari spricht von einer „elektrostatischen Wechselwirkung“ von Captomucil und dem Schleim. Wie kann man sich das vorstellen? Ist Captomucil eher basisch und interagiert mit sauren Mucopolysacchariden?  
    „Die mukoadhäsiven Eigenschaften von Chitosan beruhen auf physikalischen Wechselwirkungen wie elektrostatischer Anziehung, Wasserstoffbrückenbindung und hydrophoben und ionischen Interaktionen zwischen den positiv geladenen Aminogruppen des Chitosans und den negativ geladenen Aminosäureresten von Glykoproteinen im Schleim. Neben den intrinsischen Eigenschaften von Muzin und Chitosan beeinflussen auch die Umgebungsbedingungen, wie z. B. Lösungsvermittler, pH-Wert, Ionenstärke und Temperatur, die Interaktion zwischen beiden Molekülen sehr stark.“
  2. Pari weist auf eine klinische Untersuchung hin: Mit welcher Methode wurde in der klinischen Studie festgestellt, dass die Nase weniger verstopft war?
    „In der noch nicht publizierten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurde der Effekt des Captomucil Nasensprays auf nasale Symptome und die Viskosität des Mucus bei Patienten (n=110) mit Rhinitis- und Erkältungssymptomen untersucht. Nach einmal täglicher Anwendung von Captomucil (0.26 ml, 
    2 Stöße/Nasenloch) über zwei Wochen wurden von den Patienten im Total Nasal Symptom Score (TNSS) Verstopfung der Nase, Niesen und Sekret/laufende Nase) erfasst. Der TNSS ist ein bei akuter Rhinitis nicht validierter, aber bei allergischer Rhinitis häufig angewendeter Symptom Score.“

Eingesetzt werden darf Nasodirect® bei Kindern ab zwölf Jahren. Bei Kindern unter zwölf Jahren sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit darf Nasodirect® nur nach Rücksprache mit einem Apotheker oder Arzt angewendet werden.

Emser: als apothekenpflichtiges Arzneimittel zugelassen

Emser® Nasenspray wirkt laut Hersteller „abschwellend“. Es ist frei von Konservierungsstoffen. Das Emser Salz wird durch Eindampfen des Emser Thermalwassers gewonnen und enthält neben Natrium- und Chlorid-Ionen, wie in Kochsalzsprays, zusätzliche Ionen (Kalium, Calcium, Sulfat, Hydrogencarbonat) und Mineralstoffe, wie sie der natürlichen Zusammensetzung des Emser Thermalwassers entsprechen. Es ist mit einem pH-Wert zwischen 8 und 10 leicht basisch, was auf den Anteil an Hydrogencarbonat zurückzuführen ist. Emser Salzlösung ist in Konzentrationen von 1,175 Prozent isoosmotisch zu Körperflüssigkeiten (und zu Kochsalzlösungen mit 0,9 Prozent).

Drei Fragen an den Hersteller

  1. Emser® Nasenspray ist nicht hyperton – wie kommt die abschwellende Wirkung zustande?  
    „Die Wirkung einer lokalen Behandlung der Atemwege mit isoosmotischer Emser Salz-Lösung besteht im Wesentlichen in einer Aufrechterhaltung des Sol-Gel-Gleichgewichts, einer Anregung der mukoziliären Schlagfrequenz, welche für die natürliche Selbstreinigung der Atemwege von größter Wichtigkeit ist. Zusätzlich kommt es zu einer Reduktion der Rigidität und Viskoelastizität des zähflüssigen Sekrets – das in akut und chronisch erkrankten Atemwegen häufig zu finden ist –, was zu einer Erleichterung des Abtransports dessen führen muss. Die abschwellende und befreiende Wirkung von Emser® Nasenspray wurde sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern in klinischen Studien untersucht. Der positive Effekt auf Flimmerzellen konnte in Zellkulturversuchen (in vitro) gezeigt werden. In-vitro-Versuche mit Sputen von Patienten mit Cystischer Fibrose (Mukoviszidose) zeigten hierbei den deutlichsten Effekt durch eine isotone Lösung des natürlichen Emser Salzes, es zeigten sich keine Vorteile einer hypertonen Emser Salz-Lösung [King M, App E-M (1995): In-vitro-Untersuchungen zur umfassenden Evaluierung der Wirkung von natürlichen Emser-Salz-Lösungen auf die Mucus-Rheologie und Clearance. Final Report. Anm. d. Redaktion: Nicht veröffentlicht].“
  2. Warum sind ein hoher Hydrogencarbonat-Anteil und alkalischer pH-Wert vorteilhaft? 
    „Für alkalische Lösungen ist bekannt, dass sie zähes Sekret deutlich besser lösen als neutrale und/oder schwach saure Lösungen wie z. B. Kochsalzlösungen. Das konnte auch in In-vitro-Studien belegt werden. Ferner verfügen Lösungen aus Hydrogencarbonat-Ionen über eine entsprechende Pufferkapazität für saure Entzündungsmetaboliten, die bei Entzündungsgeschehen auftreten, sodass die Applikation von isotonen Lösungen des natürlichen Emser Salzes hier einen direkten Einfluss auf die Entzündungsreaktionen nehmen kann, was zusammen mit den weiter aufgeführten Wirkmechanismen zum Abschwellen der Schleimhaut führt.“
  3. Ist Hydrogencarbonat chemisch nicht sehr instabil und zerfällt sofort in gasförmiges CO2
    „Das Reaktionsgeschehen der Ausgasung verläuft langsam. Der Gehalt an Hydrogencarbonat in den Glasampullen ist über die gesamte Haltbarkeit stabil.“

Emser® Nasenspray ist als apothekenpflichtiges Arzneimittel zugelassen – das bedeutet: Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität hat der Hersteller in Studien nachgewiesen. In der Tat kann der Hersteller zahlreiche (jedoch nicht immer publizierte) Untersuchungen vorlegen, darunter eine Studie, die Emser Salz mit Xylometazolin in der Behandlung von Rhinosinusitis bei Kindern untersuchte („The value of Ems Mineral Salts in the treatment of rhinosinusitis in children Prospective study on the efficacy of mineral salts versus xylometazoline in the topical nasal treatment of children“). Veröffentlicht wurde die Studie (doppelblind, randomisiert, prospektiv) 2005 im „International Journal of Pediatric Otorhinolaryngology“. 

66 Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren mit akuter Infektion der Nase/oberen Atemwege und Beteiligung des Mittelohrs (sekretorische Otitis media) erhielten zwei Wochen lang entweder täglich ein bis zwei Hübe je Nasenloch Emser® Nasenspray oder Xylometazolin 0,5 Prozent. In erster Linie wurde der Entzündungsgrad der Nasenschleimhaut untersucht, sekundäre Endpunkte waren die Luftdurchlässigkeit der Nase, das allgemeine Gesundheitsbefinden der Kinder und – auf das Ohr bezogen – das Ausmaß der Paukenhöhlenbeteiligung und der Schwerhörigkeit. 

Emser Nasenspray vs. Xylometazolin: kein Unterschied

Alle Parameter, bis auf die Hörstörung, „verbesserten sich deutlich“, sowohl mit Xylometazolin als auch mit Emser Salz-Lösung (EMS). Die Hörstörung besserte sich hingegen nur tendenziell. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es bei Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren keinen Unterschied in der Wirksamkeit zwischen einer ausschließlichen Behandlung mit Emser Salzlösung und einer Behandlung mit Xylometazolin gibt, jedoch mit dem Unterschied, dass bei EMS die Anwendungsdauer nicht eingeschränkt war, dass es keine potenziellen Nasenspray-Nebenwirkungen und keine Kontraindikation bei Neugeborenen und Säuglingen gab“, so die Studienautoren.

Xylometazolin wurde häufiger überdosiert

So sei es bei sieben von 34 Fällen mit Xylometazolin zu einer unsachgemäßen Anwendung gekommen, teilweise wurde 120 Prozent mehr Xylometazolin angewendet als verordnet worden war. „Dies erlaubt die Aussage, dass eine ausschließliche Behandlung mit Emser Salzlösung bei Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren besser ist als die gleichzeitige Behandlung mit Xylometazolin, weil sie ohne Einschränkungen hinsichtlich der Behandlungsdauer und ohne die möglichen Nebenwirkungen der Dekongestiva erfolgt.“ 

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Alternativen sind teurer als Xylometazolin-Sprays

Somit stehen in der Apotheke auch alternative abschwellende Nasensprays zur Verfügung, auf die zurückgegriffen werden kann. Teils ist ihr Wirkprinzip durchaus plausibel und mit klinischen Untersuchungen belegt. Auf Konfrontation könnte die Apotheke beim Patienten beim Preis der Nasensprays stoßen, da sie mit Kosten zwischen etwa 6 und 10 Euro deutlich teurer sind als generische Xylometazolin-Nasensprays, die es bereits für 2 bis 3 Euro gibt Euro (Stand: Lauer-Taxe vom 
22. Oktober 2020).



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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