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Online-Kammerversammlung in Schleswig-Holstein
Christiansen zuversichtlich trotz dystopischer Entwicklungen
Trotz vieler Bedrohungen für die Apotheken möchte Dr. Kai Christiansen den Kopf nicht in den Sand stecken. Der Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein appellierte an die Politik, das System der Arzneimittelversorgung zu verteidigen. Zugleich sollten die Apotheker bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Als besonders spannende Idee aus der Diskussion bei der jüngsten Kammerversammlung in Schleswig-Holstein erscheint der Vorschlag, das Pharmaziestudium auf zehn Semester zu verlängern, um Naturwissenschaft und Klinische Pharmazie zu verbinden.
Die Online-Kammersammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 18. November hat gezeigt, dass auch in einer Online-Veranstaltung umfassende und engagierte Diskussionen möglich sind. Für Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen erscheinen einige der jüngsten Ereignisse wie Ideen aus einem dystopischen Zukunftsroman: der Auftrag für den Aufbau des E-Rezepts an ein Unternehmen, das von sich selbst behaupte, mit dem E-Rezept richtig durchstarten zu können, der Auftritt politischer Entscheidungsträger mit den Masken dieses Unternehmens und der Pakt des Gesundheitsministeriums mit dem größten Internetanbieter der Welt. Außerdem habe mit der Einführung von Amazon Pharmacy der größte Internetversender das Feld der Arzneimittelversorgung in Amerika betreten. Die Apotheken seien den freien Kräften am Markt ausgesetzt, aber die Versorgung der Bevölkerung sei „so wichtig und gleichzeitig so anfällig für disruptive Geschäftsmodelle von Großkonzernen, dass die Politik die Aufgabe hat, dieses hohe Gut zu verteidigen“, erklärte Christiansen. Doch er wolle auch jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken. Denn „in unseren Apotheken sind alle Kunden Prime-Kunden“. Die Belieferung innerhalb weniger Stunden sei seit Jahrzehnten Standard.
Botendienst wird immer wichtiger
Mit Blick auf die ABDA erklärte Christiansen, das Grundkonzept habe sich gerade in der Coronakrise bewährt. Die Apotheker hätten mit einer Stimme gesprochen und seien damit ein verlässlicher Ansprechpartner der Politik. Allerdings sei auch er nicht mit allem dort einverstanden. Beispielsweise sei der Botendienst lange „in eine Schmuddelecke gesteckt“ worden. Doch der Botendienst habe sich mehr als bewährt. Die Verstetigung der Botendienstpauschale sei daher absolut logisch, auch wenn die Kappung schmerze. Der Botendienst werde mit dem E-Rezept noch mehr an Bedeutung gewinnen, erwartet Christiansen. Dennoch sei keine Apotheke zum Botendienst verpflichtet.
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Zum Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz erklärte der Kammerpräsident, im nächsten Jahr gelte es darauf zu achten, dass die Umsetzung gelingt. Wenn die europäischen Versender aber „mit Vorsatz in die Leitplanken dieses Gesetzes rasen“, könne der nächste Schritt nur das Rx-Versandverbot sein. Zugleich sollten die Apotheker bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Apothekeninhaber müssten schon heute überlegen, „wie ihre jetzigen Kunden auch in einer digitalen Welt ihre Kunden bleiben“. Sie sollten ihre Stärken ausspielen und die digitalen Prozesse gestalten. Zur Einführung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen zeigte sich Christiansen optimistisch, aber den Krankenkassen müsse klar sein, dass die Apotheker sie nicht ehrenhalber erbringen. Christiansen sprach sich gegen Selektivverträge für Dienstleistungen aus. Er wünsche sich, dass die ABDA Hilfen gebe, damit auch kleine Apotheken solche Leistungen erbringen können.
Zehn Semester Studium als bevorzugte Perspektive
Mit Blick auf künftige Aufgaben müssten die Apotheker in die Ausbildung des Nachwuchses investieren, erklärte Christiansen. Auch das Studium müsse sich neuen Herausforderungen stellen. Da die Verabschiedung und Umsetzung einer neuen Approbationsordnung fünf bis acht Jahre dauere, sei es Zeit für eine Novellierung. Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein habe dazu ein erstes Gespräch mit Hochschulprofessoren und Studentenvertretern geführt. Alle seien sich einig, dass der Erhalt der einheitlichen Approbation oberstes Ziel sein müsse. Doch der Weg dahin werde noch spannend. In der späteren Diskussion erklärte Professor Dr. Christian Peifer, Universität Kiel, als bevorzugtes Szenario erweise sich die Ausdehnung des Studiums auf zehn Semester. Dann könnten zusätzliche Inhalte der Klinischen Pharmazie integriert werden, ohne die naturwissenschaftliche Basis zu schwächen. Doch dies könne nicht kostenneutral sein. Daher komme es auf die Reaktion der Politik an. Das Gegenszenario sei ein Bachelor-Master-Studium, das von den Universitäten gestaltet werde. Doch das wäre die Zerschlagung der Pharmazie, mahnte Peifer. Schon jetzt würden einzelne Universitäten solche Studiengänge ergänzend anbieten oder planen. Christiansen betonte, dass in Schleswig-Holstein alle Betroffenen in die Diskussion einbezogen würden. Das Land wolle eine geeinte Meinung an den Bund weitergeben. Als Lösungsansatz für die Finanzierung eines verlängerten Studiums regte Christiansen an, die europäische Ebene zu nutzen.
Stabile Kammerbeiträge
Eine wesentlich einfachere Botschaft hatte Christiansen zu einem anderen Aspekt. Trotz sinkender Apothekenzahl habe die Apothekerkammer Schleswig-Holstein keine Beitragserhöhungen geplant. Die Beiträge seien damit im fünften Jahr in Folge stabil. Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dr. Roswitha Borchert-Bremer, ergänzte, auch in den nächsten zwei bis drei Jahren sei nicht mit Beitragserhöhungen zu rechnen.
1 Kommentar
Jedes Jahr Honorarerhöhung
von Rainer W. am 24.11.2020 um 13:42 Uhr
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