Wie war es in Australien?

Corona trifft Grippe

Stuttgart - 25.11.2020, 17:50 Uhr

In Australien trafen Grippe und COVID-19 schon aufeinander, wie verlief die Influenzasaison Down Under? (Foto: ink drop / stock.adobe.com) 

In Australien trafen Grippe und COVID-19 schon aufeinander, wie verlief die Influenzasaison Down Under? 
(Foto: ink drop / stock.adobe.com) 


Als die COVID-19-Pandemie in Europa begonnen hat, war glücklicherweise die Grippesaison 2019/20 bereits wieder am Abklingen. Anders auf der Südhalbkugel, wie in Australien: Dort startete mit der Corona-Pandemie direkt die Influenzasaison. Welche Erfahrungen gibt es aus Australien zu berichten – war es eine eher schwere oder milde Grippesaison, welche Grippeviren dominierten und wie wirkte sich COVID-19 auf die Grippe-Impfquote aus?

In Australien beginnt die Grippeimpfsaison im März. Just zu dem Zeitpunkt, als die COVID-19-Pandemie in diesem Jahr die Welt traf: „Grippesaison trifft COVID-19-Pandemie“, dieses Thema wählte Grippeimpfstoffhersteller Seqirus für seine Fachpressekonferenz Mitte November. Wie wirkte sich Corona auf die Grippeimpfung und auch auf die Prävalenz von Influenza aus? Hatten die Australier eine eher schwere oder verhältnismäßig milde Grippesaison zu meistern? Dr. Jonathan Anderson, Senior Medical Director Asia-Pacific bei Seqirus, beschrieb die Corona-Influenza-Situation Down Under.

Frühe und hohe Nachfrage nach Grippeimpfstoffen

„Wir beobachteten eine frühe und hohe Nachfrage nach Grippeimpfstoffen“, erklärte der Arzt, der vor seiner Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie in einer großen Schwerpunktpraxis (Infektionskrankheiten, unter anderen HIV) in Melbourne tätig gewesen war. Diese Nachfrage zeigt sich nun auch in einer gesteigerten Impfquote: 56 Prozent der Erwachsenen ließen sich 2020 gegen Grippe impfen, was einem relativen Anstieg von 36 Prozent zur Vorjahresgrippesaison entspricht. Viele Menschen hätten sich auch zum ersten Mal gegen Grippe impfen lassen, so der Mediziner.

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Mit einer erhöhten Produktion wurde versucht, dieser starken Nachfrage nach Influenzaimpfungen beizukommen. Doch auch die Verteilung der Grippeimpfstoffe und deren Applikation waren sodann herausfordernd. Laut Anderson schuf Australien „Drive-through-Kliniken“, in denen die Menschen ihre Grippeimpfung im Auto erhielten, teils sei in den Vorgärten der Krankenhäuser geimpft worden, um Infektionsgefahren mit SARS-CoV-2 so gering wie möglich zu halten.

Obligatorische Grippeimpfung

Auch die Regierung Australiens reagierte auf die spezielle Corona-Influenza-Situation: Normalerweise wird in Australien die Grippeimpfung Menschen ab 65 Jahren, der indigenen Bevölkerung, Schwangeren, Menschen mit Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten und Personal im Gesundheitswesen empfohlen. Diese Indikationen wurden ausgeweitet: Seit 2020 sollen auch Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren gegen Grippe geimpft werden, gibt das Australian Government Department of Health, das australische Gesundheitsministerium, bekannt. Aufgrund von Corona wurde laut Dr. Anderson die Indikation der Grippeimpfung zusätzlich um Altenpflegekräfte und Betreuer in Kindertagesstätten und die Besucher dieser Einrichtungen erweitert, hier wurde der Grippeschutz sogar obligatorisch.

In Deutschland reagierte die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) nicht mit geänderten Impfempfehlungen zur Influenzaimpfung. Die STIKO bestätigte ihre geltenden Empfehlungen und sieht in deren konsequenter Umsetzung den besten Influenzaschutz für die Bevölkerung.

Milde Grippesaison in Australien

Die Grippe verlief laut dem australischen Grippebericht (Australian Influenza Surveillance Report 2020) mild, der Großteil der Grippeinfektionen konnte auf Influenza A zurückgeführt werden (87 Prozent). Zwar habe die Influenza mit einer hohen Aktivität zu Beginn der australischen Grippesaison gestartet, die Meldungen über laborbestätigte Influenzainfektionen seien dann aber seit März erheblich zurückgegangen und niedriger als für die Jahreszeit üblich. Zudem geht das australische Gesundheitsministerium davon aus, dass sich in diesem Jahr die Influenza nur gering auf die Bevölkerung auswirkte: Von 21.235 laborbestätigten Influenzafällen wurden 36 Todesfälle berichtet (Einwohnerzahl: 25,3 Millionen, Stand 05/2019).

Social distancing reduziert Infektionsgefahr

Es sei wichtig zu beachten, dass aufgrund der COVID-19-Epidemie in Australien die von den verschiedenen Influenza-Überwachungssystemen gemeldeten Daten möglicherweise kein genaues Bild der Influenza-Aktivität zeichnen. Die Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden, insbesondere wenn Vergleiche mit früheren Grippesaisons angestellt würden. Bei der Interpretation der Daten zur Influenza-Aktivität im Jahr 2020 sollten auch die Auswirkungen von Social-Distancing-Maßnahmen und das wahrscheinlich veränderte Gesundheitsverhalten der Menschen berücksichtigt werden. Zudem hätten die derzeitigen COVID-19-bezogenen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Übertragung akuter Atemwegsinfektionen, einschließlich Influenza.

Diese Beobachtung machte auch die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am RKI Ende März in der Grippesaison 2019/20: „Die wegen der COVID-19-Pandemie geschlossenen Kitas und Schulen scheinen zu einer deutlichen Reduzierung der ARE-Aktivität (ARE = Akute Respiratorische Erkrankungen) in den Altersgruppen der Kinder beizutragen.“ Das RKI erinnerte zudem im Grippesaisonbericht 2019/20 an die seit der Corona-Pandemie empfohlenen AHA+L-Regeln: „Abstand halten, Händehygiene, Alltagsmasken und regelmäßiges Lüften sind auch gegen Influenza wirksam.“ Dadurch werde das Risiko, sich mit Influenza zu infizieren, deutlich gesenkt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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