Start der Massenimpfung

Großbritannien: Wie die Apotheker bei den COVID-19-Impfungen mithelfen

Remagen - 09.12.2020, 16:45 Uhr

Der britische Premierminister Boris Johnson sieht zu, wie Lyn Wheeler am 8. Dezember 2020 im Guy's Hospital in London eine Impfstoffinjektion gegen COVID-19 erhält. (Foto: imago images / Xinhua) 

Der britische Premierminister Boris Johnson sieht zu, wie Lyn Wheeler am 8. Dezember 2020 im Guy's Hospital in London eine Impfstoffinjektion gegen COVID-19 erhält. (Foto: imago images / Xinhua) 


Seit gestern werden in Großbritannien nach und nach die ersten Risikogruppen mit dem Anfang des Monats zugelassenen COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer immunisiert. In der Impfkampagne spielen die Krankenhausapotheker in den Impfzentren eine zentrale Rolle. Auch die öffentlichen Apotheken sollen demnächst in das Programm eingebunden werden. Dafür müssen sie jedoch hohe Anforderungen erfüllen.

Gestern wurde in Großbritannien die größte Impfstoffkampagne in der Geschichte des Nationalen Gesundheitsdiensts NHS gestartet. Als erste hatte die 90-jährige Margaret Keenan unter großer medialer Aufmerksamkeit den von Pfizer und Biontech hergestellten COVID-19-Impfstoff erhalten. Der mRNA-Impfstoff hatte am 2. Dezember 2020 als erster COVID-19-Impfstoff die Zulassung für die breite Anwendung in Großbritannien erhalten. Prioritätsgruppen für die erste Phase des Impfprogramms sind Bewohner von Pflegeheimen für ältere Erwachsene und deren Betreuer, alle Über-80-Jährigen und Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens, die an vorderster Front arbeiten und dann sukzessive alle jüngeren Altersgruppen. Die Impfung ist freiwillig.

Krankenhausapotheker verantwortlich für die sichere Handhabung der Vakzine

Bei der Lieferung von Impfstoffen über „Hospital Hubs“ und von NHS Trust geführte Impfzentren wurden Krankenhausapotheker damit beauftragt, „die sichere Handhabung und Verwendung der Impfstoffe zu gewährleisten“.

Nach einem Brief des Chief Pharmaceutical Officers für England, Keith Ridge, von Anfang Dezember 2020 soll für jedes Krankenhauszentrum oder Impfzentrum ein „leitender verantwortlicher Chefapotheker“ ernannt werden. Gemäß dem vom Specialist Pharmacy Service veröffentlichten Standardverfahren zur Herstellung der COVID-19-Impfstoffe müssen die Impfstoffflaschen innerhalb von zwei Stunden nach Entnahme aus dem Kühlschrank verdünnt und dann innerhalb von sechs Stunden verabreicht werden.

Offzinapotheken sollen später einsteigen

Auch die öffentlichen Apotheken sollen über kurz oder lang in das nationale Impfprogramm eingebunden werden. In einem Schreiben an die Vertragsapotheken vom 27. November 2020 erklärte NHS England, es sei geplant, dass bestimmte öffentliche Apotheken ab Ende Dezember 2020 oder Anfang Januar 2021 dafür bereit sein sollten, COVID-19-Impfstoffe im Rahmen eines lokalen erweiterten Diensts (Local Enhanced Service, LES) zu verabreichen. Hier ist allerdings eine ganze Reihe von Anforderungen zu erfüllen, die in einem gesonderten Dokument niedergelegt sind.

Unter anderem müssen die Voraussetzungen für die Kühllagerung (2 bis 8 °C) erfüllt sein. Die Apotheken müssen mindestens 1.000 Dosen pro Woche verabreichen können und sicherstellen, dass alle Dosen innerhalb einer angemessenen Haltbarkeitsdauer verimpft werden. Die Impfungen müssen an sieben Tagen der Woche von 8 bis 20 Uhr angeboten werden, gegebenenfalls auch an Feiertagen. 

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Weiterhin müssen die Apothekenstandorte Verfahrensanweisungen haben, die gewährleisten, dass das wöchentliche Mindestvolumen eingehalten werden kann. Außerdem müssen sie nachweisen, dass die Abstandsregeln und die räumlichen Voraussetzungen für die Nachbeobachtung nach der Impfung (15 Minuten) vorhanden sind. 

Eine Einzel-Impfung soll mit 12,58 Britischen Pfund (knapp 14 Euro), das heißt bei Zweidosis-Immunisierungen mit 25,16 Britischen Pfund (knapp 28 Euro), vergütet werden. 

Anfangs können nur wenige mitmachen

In der ersten Phase des Programms wird damit gerechnet, dass nur wenige öffentliche Apotheken über die Lager-Einrichtungen und das Personal verfügen, um als Impfstellen zu fungieren. „Es ist gut zu sehen, dass NHS England & Improvement sein Versprechen eingelöst hat, die öffentlichen Apotheken in das COVID-19-Impfprogramm einzubeziehen“, erklärt Alastair Buxton, Direktor für NHS-Dienstleistungen beim Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC).

„Wie die Dokumente zeigen, werden die Standortanforderungen jedoch nur für eine kleine Anzahl von Apotheken erreichbar sein. Die Auftragnehmer müssen sorgfältig prüfen, ob sie als ausgewiesener Standort teilnehmen können oder ob sie nicht besser auf andere Weise helfen können.“

Wie Großbritannien für seine Bevölkerung vorsorgt

Mit gut fünf Dosen pro Person hat Großbritannien weltweit die meisten COVID-19-Impfstoffe pro Kopf vorbestellt, insgesamt 357 Millionen Dosen verschiedener Impfstoffe von sieben Herstellern. Das Portfolio umfasst zwei adenovirale Vektorimpfstoffe (Oxford/AstraZeneca und Janssen), zwei mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer und Moderna), einen inaktivierten Ganzvirus-Impfstoff (Valneva) und zwei Protein-Adjuvans-Impfstoffe (GSK/Sanofi, Novavax). Fünf der sieben Impfstoffe befinden sich bereits in Phase-III-Studien. Es wird erwartet, dass eventuell noch vor Jahresende entweder der adenovirale Vektorimpfstoff von Oxford/AstraZeneca oder der mRNA-Impfstoff von Moderna als nächster für die Verwendung in Großbritannien zugelassen wird. Entwickler der anderen COVID-19-Impfstoffe im britischen Portfolio hoffen, Anfang bis Mitte 2021 eine behördliche Genehmigung zu erhalten. 

Die Weltgesundheitsorganisation rechnet frühestens Mitte 2021 mit einem breiten Einsatz eines COVID-19-Impfstoffs. Berechnungen der Koalition für die Vorbereitung auf Epidemien Innovationen (CEPI) zufolge dürfte bis Ende 2022 erst weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung gegen COVID-19 geimpft sein, selbst wenn sich die Produktionskapazitäten für die Impfstoffe in den nächsten zwölf Monaten wie geplant verdoppelt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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