Besser als Ibuprofen?

Naproxen – nicht die einzige Ausnahme von der Regel

Waren (Müritz) - 10.12.2020, 07:00 Uhr

Hilft Naproxen wirklichh besser bei Menstruationsschmerzen als Ibuprofen? (Foto: 2Designbcn / stock.adobe.com)

Hilft Naproxen wirklichh besser bei Menstruationsschmerzen als Ibuprofen? (Foto: 2Designbcn / stock.adobe.com)


Noch immer fehlt es in Deutschlands Apotheken an Naproxen. Der Nachschub ist meist sofort wieder vergriffen. Das nicht-steroidale Antirheumatikum wurde 2002 aus der Rezeptpflicht entlassen und steht seither in der Sichtwahl im Schatten anderer Cyclooxygenasehemmer wie Ibuprofen und Diclofenac. Mit Ausnahme der Indikation primäre Dysmenorrhö: Bei Regelschmerzen wird Naproxen bevorzugt eingesetzt und in Form speziell an Frauen gerichteter Präparate vermarktet. Aber sind die üblichen Alternativen hier wirklich nur zweite Wahl?

Vor allem am Zyklusende, wenn die Spiegel von Estrogen und Progesteron abfallen, werden in der Gebärmutterschleimhaut und in den Uterusmuskeln vermehrt Prostaglandine gebildet, die durch Vasokonstriktion die Abstoßung der Schleimhaut einleiten. Viele Frauen fühlen sich durch die damit verbundenen Schmerzen so eingeschränkt, dass sie sich von der Arbeit oder Schule krankmelden.

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) hemmen die Prostaglandin-Synthese und können so Regelschmerzen lindern – deutlich effektiver als Placebo, das ist unbestritten. Nur welcher Vertreter die Nase vorn hat, kann niemand so recht sagen. Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2015 konnte keine Unterschiede zwischen Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen ausmachen. Jedoch räumten die Autoren ein, dass die verfügbaren Studien für eine Beurteilung nicht aussagekräftig genug waren. Sicher ist: Paracetamol ist schlechter wirksam als Naproxen und Co., kann aber bei Kontraindikationen gegen NSAR eine Alternative sein. Von ASS sollte man besser die Finger lassen, da durch die Hemmung der Thrombozytenaggregation die Blutung verstärkt werden könnte. 

Drei Jahre nach dem Cochrane-Review war die Datenlage nicht besser. Nun versuchten chinesische Forscher mithilfe einer Netzwerk-Analyse Unterschiede zwischen den NSAR nicht nur durch direkte, sondern auch indirekte Vergleiche sichtbar zu machen. („Comparison of the efficacy and safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs for patients with primary dysmenorrhea: A network meta-analysis“, veröffentlicht 2018 in „Molecular Pain“). Am Ende schätzen auch sie die Wirksamkeit von Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen bei Dysmenorrhö als etwa gleich ein, brachten aber mit Flurbiprofen und Tiaprofensäure zwei überraschende Kandidaten als Therapieempfehlungen ins Spiel. Flurbiprofen wird in Deutschland derzeit nur lokal in Form von Lutschtabletten, Rachenspray und Augentropfen eingesetzt und steht unter anderem wegen des Risikos für Hypersensitivitäts-Reaktionen in der Kritik. Tiaprofensäure ist im verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel Surgam® 300 mg Tabletten enthalten, das bei akuten und chronischen Arthritiden indiziert ist. Beide Wirkstoffe sind also momentan keine Konkurrenz für Naproxen.

Was macht Naproxen so besonders?

Wirksamkeit und Sicherheit scheinen allein keine Gründe zu sein, sich bei primärer Dysmenorrhö besonders an Naproxen zu klammern, da mit Ibuprofen und Diclofenac gute Alternativen in der Selbstmedikation zur Verfügung stehen. Allerdings kann Naproxen mit einer vergleichsweise langen Eliminationshalbwertszeit von 12 bis 15 Stunden punkten. Seine analgetische Wirkung hält bis zu 12 Stunden an, sodass eine zweimal tägliche Einnahme in der Regel genügt. Zum Vergleich: Die Wirkung von Diclofenac in der OTC-Dosierung liegt bei etwa sechs Stunden, die von Ibuprofen schwankt zwischen vier und sechs Stunden. Für alle drei NSAR gilt: Die Einnahme sollte so früh wie möglich, bis zu zwei Tage vor der erwarteten Blutung, beginnen, und die Initialdosis ausreichend hoch gewählt werden. Zu beachten sind Kontraindikationen wie gastrointestinale Ulcera, Blutgerinnungsstörungen und Therapien mit oralen Glucocorticoiden oder Antikoagulanzien.

Nicht zuletzt spielen auch die persönliche Erfahrung und psychologische Effekte eine wesentliche Rolle dabei, welches Schmerzmittel die Patientin bevorzugt. Naproxen ist hierzulande auch deshalb bei Menstruationsbeschwerden so beliebt, weil es gleich mehrere speziell für Frauen ausgelobte Präparate auf dem Markt gibt, die entweder mit der Indikation „Regelschmerzen“  oder dem Bild eines weiblichen Unterleibs auf dem Umkarton werben (z. B. Dolormin® für Frauen, Naproxen – 1A Pharma® 250 mg bei Regelschmerzen und Naproxen axicur 250 mg). Der Wirkstoffgehalt ist mit 250 mg etwas höher als bei anderen Naproxen-haltigen Fertigarzneimitteln, die meist nur 200 mg Naproxen zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen enthalten. 

Aber Achtung: Naproxen ist erst ab einem Alter von 12 Jahren zugelassen, Diclofenac in der Selbstmedikation sogar erst ab 14 Jahren. Für jüngere Mädchen mit Regelschmerzen kommen damit nur primär Ibuprofen und sekundär Paracetamol in Frage. Bei Menstruationsbeschwerden in diesem Alter sollte aber sicherheitshalber ein Arzt konsultiert werden, später ebenso bei zunehmenden oder unregelmäßigen Schmerzen und extrem starken Blutungen.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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