AvP-Insolvenz

Nur 87 Apotheken erhalten KfW-Hilfen

Stuttgart - 15.12.2020, 12:00 Uhr

Die Hürden für von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken, bei der KfW einen Kredit zu erhalten, sind hoch. (Foto: imago images / Jan Huebner)

Die Hürden für von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken, bei der KfW einen Kredit zu erhalten, sind hoch. (Foto: imago images / Jan Huebner)


Die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP hat mehrere Tausend Apotheken in wirtschaftliche Nöte gebracht – zum Teil drohen Schließungen. Die Bundesregierung stellte den betroffenen Betrieben zinsgünstige Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Aussicht. Doch nach Recherchen von DAZ.online scheitert die Vergabe dieser Kredite an einer praktisch unerfüllbaren Bedingung. Nun wird bekannt, dass bis Ende November lediglich 87 KfW-Kredite aus den Corona-Sonderprogrammen den Apotheken zugesagt werden konnten. Bezogen auf die Gesamtzahl an betroffenen Betrieben entspricht das knapp über drei Prozent.

Die Beteiligten im Insolvenzverfahren beim Apothekenrechenzentrum AvP haben heute einen wichtigen Termin: Vor rund einer Stunde begann die Gläubigerversammlung im Düsseldorfer Messezentrum. Die meisten betroffenen Apotheker:innen lassen sich anwaltlich vertreten.

Als bisher einzige finanzielle Hilfe stellte die Bundesregierung den von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken zinsgünstige Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Aussicht. Das war Anfang Oktober, als sich der Gesundheitsausschuss über die Umstände und Folgen der Pleite des Apothekenrechenzentrums informierte. Doch Recherchen von DAZ.online ergaben schon damals, dass es bei der Vergabe dieser Kredite zu teilweise unüberwindbaren Hürden kommt. So scheitern die Anträge an einer praktisch unerfüllbaren Bedingung.

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Eine Pressereferentin der Apobank erklärte auf Anfrage von DAZ.online beispielsweise, die KfW biete zwar Corona-Hilfen für Apotheken, die auch von AvP-geschädigten Apotheken genutzt werden könnten. Doch wegen einer bestimmten Vorgabe der KfW sei dies praktisch unmöglich: Denn der Zweck der KfW-Hilfe sei in diesen Fällen, den Überbrückungskredit der Apotheke umzuschulden. Im Regelwerk der KfW steht jedoch, dass die Kreditmittel nicht für Umschuldungen infrage kommen. Dies ist aus den Merkblättern der KfW zu allen Varianten der Corona-Hilfen zu entnehmen. Die KfW prüfe dies zwar nicht nach, aber die jeweilige Hausbank müsse dies beim Antrag auf KfW-Mittel dokumentieren. Die Apobank hatte zu dieser Frage bereits Gespräche mit der KfW aufgenommen, doch zum damaligen Zeitpunkt sei noch keine Lösung für das Problem gefunden worden.

Zu hoch gegriffene Zahlen

Wie viele Apotheken diese Hürde trotzdem überwinden konnten und Kredite der KfW erhalten haben, darüber gab es bisher keine offiziellen Informationen. Vertreter des Gesundheitsausschusses äußerten sich im Oktober gegenüber DAZ.online und bezifferten die Anzahl erfolgreich beantragter Darlehen auf etwa 250. Ein anderes Online-Medium hatte diese Zahl ebenfalls genannt. Schon damals blieb jedoch fraglich, ob diese Angabe nicht vielmehr eine Erfindung der Politik sei, um den Betroffenen und der Öffentlichkeit zu suggerieren, die finanziellen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung kämen tatsächlich an.

Heute muss man feststellen, dass diese kolportierten Zahlen tatsächlich deutlich zu hoch gegriffen waren. In einem aktuellen Schreiben an den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel (CDU), das DAZ.online vorliegt, berichtet die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesgesundheitsministerium Sabine Weiss (CDU), dass seit Aufnahme des vorläufigen Insolvenzverfahrens bei AvP am 16. September lediglich 87 KfW-Kredite aus den Corona-Sonderprogrammen an Apotheken zugesagt wurden. Das Schreiben ist datiert auf den 14. Dezember, die Angabe bezieht sich auf den Zeitraum bis Ende November.

BMF: 2.617 öffentliche Apotheken von der Insolvenz betroffen

Für die Opposition im Deutschen Bundestag ist das ein unhaltbarer Zustand. FDP-Gesundheitsexperte Dr. Wieland Schinnenburg fordert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, zu erklären, weshalb die versprochenen Hilfen ausbleiben. Wörtlich sagt Schinnenburg gegenüber DAZ.online: „Die Soforthilfe, die Minister Spahn vollmundig verspochen hat, kommt bei den betroffenen Apothekern offensichtlich nicht an.“ Und weiter: „Insolvenzen, die die Versorgungslage gerade in den ländlichen Regionen gefährden könnte, müssen vermieden werden.“

Auch die Frage nach der Gesamtzahl an betroffenen Apotheken kann inzwischen wesentlich genauer beantwortet werden. DAZ.online liegt ein weiteres Schriftstück vor, das aus dem Bundesfinanzministerium an die Finanzpolitischen Sprecher von Union und SPD adressiert ist. Darin gibt die Parlamentarische Staatssekretärin Sarah Ryglewski (SPD) eine detaillierte Auflistung bekannt, wie viele Apotheken in welchen Bundesländern von der AvP-Insolvenz betroffenen sind. Insgesamt handelt es sich demnach um 2.617 öffentliche Apotheken – ein deutlicher Unterschied also zu den anfangs geschätzten 3.500 betroffenen Betrieben. Nachfolgend wurde im Gutachten von AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos von 2.900 Offizinapotheken gesprochen.

NRW am stärksten betroffen

Auf die Bundesländer bezogen stellt Nordrhein-Westfalen mit 640 Apotheken, die am stärksten betroffene Region dar, gefolgt von Bayern mit 535 Apotheken, Baden-Württemberg mit 351 Apotheken, Sachsen-Anhalt mit 163 Apotheken, Sachsen mit 148 Apotheken, Brandenburg mit 143 Apotheken, Hessen mit 126 Apotheken, Niedersachsen mit 117 Apotheken, Berlin mit 116 Apotheken, Thüringen mit 102 Apotheken, Mecklenburg-Vorpommern mit 63 Apotheken, Rheinland-Pfalz mit 62 Apotheken, Schleswig-Holstein mit 21 Apotheken, Saarland mit 18 Apotheken, Hamburg mit 9 Apotheken sowie Bremen mit 3 Apotheken.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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