Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

27.12.2020, 06:59 Uhr

Jetzt erst recht: ein frohes und erfolgreiches neues Jahr! (Foto: Alex Schelbert)

Jetzt erst recht: ein frohes und erfolgreiches neues Jahr! (Foto: Alex Schelbert)


Eine weitere Maskenwoche für Apotheken – die Erfahrungsberichte aus den Apotheken zeigen ein buntes Bild von lieben Kunden und weniger lieben. Und die BILD-Zeitung schürt dazu noch vor Weihnachten ihren bekannten Apotheken-Neid. Und als Krönung das Gepolter vom Oberdatenschützer. Nein, uns Apothekers wurde zu Weihnachten nichts geschenkt. Aber wir dürfen jetzt testen – wenn wir es können und wollen. Da wirkt in dieser Zeit ein  kleiner Film von Apotheker Tenberken wie Balsam für unsere geschundenen Seelen: „Weil es noch nie wichtiger war“. Danke. 

21. Dezember 2020 

Es war das größte zu erwartende Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr: Die EMA, die europäische Arzneimittel-Agentur, gibt grünes Licht für die Zulassung eines Corona-Impfstoffs. Mein liebes Tagebuch, ist es nicht faszinierend, was alles möglich ist, wenn große Not ist und wenn viele zusammenarbeiten! Unter dem Handelsnamen Comirnaty soll die Vakzine der Unternehmen  Biontech/Pfizer vertrieben werden. 
Und ab 27. Dezember soll dann auch in Deutschland, in der EU geimpft werden. Es hatte so ein bisschen was vom päpstlichen Urbi-et-orbi-Segen, als Jens Spahn stolz mit seiner „frohen Weihnachtsbotschaft“ (O-Ton-Spahn) vor die Presse trat: Am Sonntag startet die Corona-Impfung in Deutschland. Aus Rückmeldungen weiß er: „Die Impfzentren sind startklar und die Impfteams stehen. Alle wollen, dass die größte Impfkampagne in der Geschichte Deutschlands ein Erfolg wird.“ Mein liebes Tagebuch, es wird einem ein bisschen warm ums Herz, wir erleben am heutigen Sonntag „einen großartigen Tag für Deutschland“, so Spahn. Sicher, es wird dauern, bis alle Impfwilligen an die Reihe kommen, bis eine ausreichend große Zahl an Menschen geimpft ist, aber jetzt geht’s los. Und die Hoffnung wächst, dass Comirnaty und ebenso die kommenden Impfstoffe der anderen Pharmaunternehmen ein Baustein sind, um uns den Weg zurück in eine neue Normalität zu führen – die alte Normalität wird es nicht mehr geben.

 

Ja, es hat gedauert, bis sich Bund und Länder durchgerungen haben, nun ist es möglich: Apotheken dürfen bei symptomfreien Personen Antigentests zur Feststellung einer Corona-Infektion durchführen. Was eine Apotheke dafür verlangt, liegt in ihrem eigenen Ermessen, der Verbraucher muss die Kosten selbst zahlen. Mein liebes Tagebuch, ja, es ist richtig, dass man auch Apotheken erlaubt, diese sogenannten Point-of-Care-Tests (PoC-Tests) durchzuführen. Und nein, diese Tests sind sicher keine Dienstleistung, die jede Apotheke erbringen will bzw. kann geschweige denn muss. Bevor man testen kann, ist eine Schulung notwendig, für die Apotheke sind umfangreiche Arbeitsschutzmaßnahmen vorgeschrieben. Es dürfen nur Personen getestet werden, die keine Krankheitssymptome aufweisen. Mein liebes Tagebuch, wie gesagt, sicher keine Dienstleistung für jede Apotheke. Dennoch, mittlerweile gibt es bereits einige, die testen, es gibt sogar Apotheken, die ein Drive-Thru-Testcentrum installiert haben.

Übrigens, die ABDA steht hinter dieser Dienstleistung. Sie hat bereits Arbeitshilfen (Checkliste) zusammengestellt, aus der die wichtigsten Punkte hervorgehen, die eine testende Apotheke beachten und erfüllen muss. Wichtig: Stellt eine Apotheke ein positives Testergebnis fest, ist sie verpflichtet, dieses Ergebnis sowie die Daten des Patienten an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.

 

Das Maskenthema beschäftigt uns noch immer. Hört man sich unter Kolleginnen und Kollegen um, wie sie dieses Thema in den letzten Tagen bewältigt haben, welche Erfahrungen sie gemacht haben, erfährt man nahezu alle erdenklichen Meinungen und Schilderungen. Mein liebes Tagebuch, es war eine in dieser Form einmalige und noch nie dagewesene Aktion, die uns unsere Bundesregierung hier beschert hat. Viele Apotheken fühlten sich „ins kalte Wasser“ geworfen, überrumpelt. Es mussten Tausende von Masken in kürzester Zeit organisiert werden. Viele Apotheken richteten extra Ausgabestellen für die Masken ein, durchs Fenster, an separaten Türen oder mit einer Art „Fast Lane“ für Masken in der Offizin. So manche Apotheken erlebten ein eher unschönes Gesicht der Kundschaft, sie lernten Masken-Schnorrer und -Schmarotzer kennen. Andere Apotheken wiederum berichten davon, dass sie viel positives Feedback von Kunden erhalten haben. Mein liebes Tagebuch, es gab und gibt alles, was man sich vorstellen kann, wie unsere Umfrage auf DAZ.online zeigte. Und in der kommenden Woche geht’s weiter – noch bis zum 6. Januar. Nach dem Dreikönigstag gibt’s dann die Masken für die Menschen aus den Risikogruppen gegen eine geringe Eigenbeteiligung von zwei Euro: Die Krankenkassen verschicken hoffentlich rechtzeitig per Post zwei fälschungssichere Coupons für jeweils sechs Masken an die bezugsberechtigten Personen. Diese Coupons können dann in der Apotheke eingelöst und abgerechnet werden. Also, die Masken werden uns auch im neuen Jahr auf Trab halten.

 

Die BILD-Zeitung ist sichtlich keine Freundin von uns Apothekers. Nicht dass wir mit dem Maskentheater schon genug Mühe und Stress haben, jetzt schießt auch noch das Boulevard-Blatt gegen Apotheken und meint: „Apotheker kassieren 1,1 Milliarden zu viel“. Laut Bild sollen manche Apothekerinnen und Apotheker auch gar keine Masken abgeben oder nur Masken minderwertiger Qualität. Die BILD-Zeitung warnt beispielsweise davor, dass „sich Träger von minderwertigen KN95-Masken in Sicherheit wähnen“. Diese KN95-Masken seien nicht mit den echten FFP2-Masken gleichwertig. Es soll schon Abmahnungen an Apotheker gegeben haben, schreibt das Blatt. Falsch, mein liebes Tagebuch, laut Wettbewerbszentrale hat es Abmahnungen nicht für  Apotheker, sondern für andere Verkäufer, Online-Händler oder für einen Großhändler gegeben. Und klar, BILD suggeriert den Leser:innen, die Apotheken bekämen vom Staat für jede verteilte Maske sechs Euro Vergütung, egal zu welchem Preis sie eingekauft haben. Typisch BILD, mein liebes Tagebuch, dass die Apotheken in der ersten Tranche nur eine pauschale Vergütung bekommen, die bei vielen Apotheken wohl die Kosten nicht deckt und viele Apotheken noch draufzahlen – darüber berichtet das Blatt nicht, wider besseres Wissen, wie sich herausstellte.

22. Dezember 2020 

Also, Apotheken dürfen symptomfreie Personen auf Corona testen. Das begrüßt auch die Politik. Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann ist zuversichtlich, dass die Apotheken damit weiter zu Eindämmung der Pandemie beitragen können. „Es ist begrüßenswert, dass in Apotheken auf Corona getestet werden kann und so die Testzentren in den Kommunen entlastet werden“, betonte er gegenüber DAZ.online. Aber, mein liebes Tagebuch, sie dürfen noch immer keine Selbsttests, die zur Abgabe an Laien bestimmt sind, verkaufen. Für Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, steht dieses Verbot im Widerspruch zum akuten Bedarf in der Bevölkerung. Im DAZ.online-Interview macht er klar, worum es ihm geht. Von Antikörpertests, also Tests, die eine durchgemachte Infektion anzeigen, hält Preis nicht viel. Er plädiert für Antigentests. Eine Blitzumfrage des Apothekerverbands Nordrhein habe ergeben, dass in der Bevölkerung Bedarf für solche Schnelltests besteht. Preis sieht dies als Signal, dass endlich zuverlässige Tests entwickelt werden und auf den Markt kommen müssen, die auch von Laien einfach umgesetzt werden können.“ Mein liebes Tagebuch, sind wir mal zuversichtlich: Die Entwicklung und Forschung hat schon so viel innerhalb kurzer Zeit umgesetzt, bleibt die Hoffnung, dass bald Antigenschnelltests auf den Markt kommen, die auch Laien einfach und zuverlässig anwenden können.

23. Dezember 2020 

Masken-Doku und Datenschutz: Der oberste Datenschützer, der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, hatte den Apotheken bereits mit Bußgeldern gedroht, weil sie zur Doku der Maskenausgabe die Persos der Abholenden kopierten. Apothekenkunden hätten sich auch darüber beschwert, sie bekämen die Masken nur, wenn sie ihr Einverständnis gäben, dass die Apotheke eine Kundendatei über sie anlege. Mein liebes Tagebuch, und schon drohte Kelber den Apotheken zu allem anderen Masken-Tohuwabohu ein Bußgeld an wegen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Diese Fragen scheinen noch nicht ausgeräumt zu sein. Aber über einer Sache sind sich die Datenschutzbehörden und die ABDA einig: Das von der ABDA herausgegebene Formblatt, mit dem die Apotheke sich die Eigenauskunft der bezugsberechtigten Personen bestätigen lässt, ist datenschutzkonform. Also, mein liebes Tagebuch, keine Personalausweise kopieren, keine Kundenkarten aufdrängen – macht auch viel zu viel Aufwand. Das ABDA-Formular reicht vollkommen und man ist damit auf der sicheren Seite. 

 

Vor zwei Jahren war’s das „Danke Apotheke“-Video des Wort & Bild Verlags, das unser und das Herz unserer lieben Kundinnen und Kunden bewegte: Ein kurzer Imagefilm, der mit anrührenden Bilder zeigte, wie gut es ist, dass wir die Apotheke vor Ort haben. In diesem Jahr hat Apotheker Erik Tenberken aus der Kölner Birkenapotheke in Eigeninitiative einen emotionalen Apothekenfilm auf die Beine gestellt. Auslöser für Tenberkens Initiative war ein Werbespot des Versenders DocMorris, der dem Zuschauer das vorgaukelt, was eine echte Apotheke ausmacht: die Nähe zum Kunden, der persönliche Kontakt. Das wollte der Kölner Apotheker nicht durchgehen lassen. Chapeau, mein liebes Tagebuch, der Film, den er mit Unterstützung von Freunden, die etwas von Drehbuch und Filmerstellung verstehen, auf die Beine stellte, ist richtig gut gelungen. Fernab von Kitsch, aber dennoch emotional wird in nur etwas mehr als zwei Minuten eine kleine Geschichte erzählt  mit dem Titel „Weil es noch nie wichtiger war“: Filmidee ist die Story eines kleinen Mädchen in den 1960er Jahren, das beim Apothekenbesuch einen Traubenzucker geschenkt bekommt. Diese Geste wiederholt sich im Jahr 1975, als das Mädchen eine junge Frau ist, dann 1995 und heute, 2020 in der Corona-Zeit: Die kleine Geste des Apothekers als Ausdruck von Nähe und einfach vor Ort zu sein. Die Reaktion der Kundin: Sie bedankt sich mit selbst gebackenen Plätzchen beim Apotheker. Mein liebes Tagebuch, wunderschön umgesetzt, zu Herz gehend, eine echt gute Werbung für das, was die Vor-Ort-Apotheke ausmacht. Das findet im übrigen auch Wort&Bild-Chef Andreas Arntzen, der begeistert von diesem Film ist. Mit seiner Unterstützung kommt das Video von Tenberken nun ins Fernsehen. Ausgestrahlt wird „Weil es noch nie wichtiger war“ am 31. Dezember zur Prime Time um 20.10 Uhr auf RTL, zudem wird der Spot über die Social-Media-Kanäle der Apotheken Umschau und alle weiteren Kanäle der Wort & Bild Medien verbreitet. Darüber hinaus steht das Video allen Apotheken zum Download unter www.wub-service.de bereit. Apotheker Tenberken ist hoch erfreut. Dass das Video nun auch im Fernsehen läuft, damit hatte er nicht gerechnet. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie noch, die guten Nachrichten im Jahr 2020.


Mein liebes Tagebuch, das war das letzte Tagebuch in diesem Jahr. Jetzt bleibt mir nur noch Danke zu sagen an alle unsere Leserinnen und Leser, an alle, die im Tagebuch geblättert haben, die sich mit ihren Einträgen und Kommentaren im Tagebuch an den aktuellen Diskussionen beteiligt haben. Wir nehmen einen Güterzug an Problemen mit ins neue Jahr, berufs- und gesundheitspolitische Themen und Fragen (auch jenseits von Corona) wie z. B. das Apothekenhonorar, die pharmazeutischen Dienstleistungen oder das E-Rezept und überhaupt die Digitalisierung. Und dennoch, freuen wir uns auf 2021: neues Jahr, neue Chancen, neues Glück. Hoffen wir auf ein gutes Jahr für uns Apothekerinnen und Apotheker, ich wünsche es Ihnen von Herzen, 
Ihr Peter Ditzel



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Datenschutz

von Karl Friedrich Müller am 28.12.2020 um 15:12 Uhr

wir gehen täglich mit zig oder gar Hunderten von sensiblen Daten um, allein auf den Rezepten.
Aber hier beim Masken verteilen soll das ein Problem sein?
Bei uns sind diese sehr viel sicherer als bei Spahn und seiner Gematik oder den Versendern.
Da ist doch einer ein wenig übereifrig oder auch ein Apothekenhasser? Ein Aufbauschen einer Winzigkeit, Mücke und Elefant?

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Weiter so in 2021!

von Ulrich Ströh am 27.12.2020 um 8:47 Uhr

Bei allem aufgetretenen Ärger um die Maskenverteilung in vielen Apotheken:
Wir sollten auch die Chance sehen ,dass mindestens 2 x 27 Millionen Menschen in einem Quartal in unsere Apotheken gespült werden.

Trotz des Güterzuges an möglichen Problemen:
Danke und Respekt lieber Kollege Ditzel, dass Sie 2020 kontinuierlich kritisch begleitet haben, immer weiter so...

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AW: Weiter so in 2021

von Conny am 27.12.2020 um 9:37 Uhr

Soviele Kunden werden es nicht werden, da die Versender ab 7.Januar eingreifen werden. Mal sehen was Sie den Kunden zusätzlich bieten. Wir werden allen unseren Stammkunden ab 7. Januar die Masken auf unseren Botenfahrten vorbeibringen. Ps: bin davon überzeugt das alle Apotheken ab dem 7. Masken dahaben werden auch die, die aus unerfindlichen Gründen bisher nicht in der Lage. :-) waren.

Am Ende sind die Apotheken noch schuld daran ... das Covid-19 nicht mehr unter uns weilt ...

von Christian Timme am 27.12.2020 um 8:17 Uhr

Eile mit Weile ... man sollte sich an der "Impfquote" orientieren und nicht auch noch die "Gesundheitspolitik" überholen ...

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