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Von Behring zu Biontech
Impfstoff-Hoffnung auf historischem Grund
„Behringwerke“ bieten vorhandene Infrastruktur für Impfstoffherstellung
Die Mainzer und ihr US-Partner Pfizer wollen in diesem Jahr unter bestimmten Voraussetzungen insgesamt zwei Milliarden Dosen ihres Corona-Impfstoffs herstellen. Als Produktionsstätten dienen nach jüngsten Angaben Mainz und bald eben Marburg für Biontech sowie Puurs in Belgien und drei Standorte in den USA für Pfizer. In der Regel finde in den Werken nicht der komplette Herstellungsprozess statt. Das ist auch in Marburg so: Nach Angaben des Unternehmens erfolgen hier drei der vier nötigen Schritte, abgefüllt wird woanders.
Die Hürden bei der Impfstoffproduktion seien groß, betont der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). „Die Impfstoffherstellung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Arzneimittel-Produktion überhaupt“, erklärt Präsident Han Steutel. „Sie braucht immer einen intensiven technischen Vorlauf.“ Hinzu kommt, dass die Produktion der gegen COVID-19 eingesetzten Impfstoffe auf Basis des Botenstoffes mRNA völlig neu ist. Diesen Ansatz nutzt auch Biontech/Pfizer.
Die mRNA in den Impfstoffen enthält den Bauplan für ein spezielles Corona-Protein, das nach der Impfung die Immunabwehr im menschlichen Körper auslöst. mRNA muss nicht nur in großem Stil produziert, sondern auch aufbereitet und gereinigt und am Ende steril verpackt werden für den stark gekühlten Transport.
Dass die Umstellung in Marburg relativ schnell erfolgen kann, liegt auch an der Struktur und Spezialisierung des Pharma-Parks namens „Behringwerke“, in dem das Biontech-Werk steht, wie Andreas Wilhelm Neuhaus erläutert, der Leiter des Kundenmanagements des Standortbetreibers Pharmaserv. „Die gesamte Infrastruktur, so wie sie der Impfstoffhersteller braucht, ist bei uns in genau der Qualität vorhanden.“ Die verfahrenstechnische Anlage müsse – in Anführungszeichen – nur noch an den neuen Zweck angepasst werden. Das sei nicht trivial, aber die nötige Technik und das Know-how vorhanden.
Die Geschichte Marburgs als Standort der Impfmittelproduktion
Der Standort liegt auf historischem Grund, auf dem Gelände der ehemaligen Behringwerke. Aktuell beschäftigen hier rund zehn Firmen insgesamt etwa 6.500 Mitarbeiter, darunter sind CSL Behring, GSK Vaccines und Siemens Healthineers. Hergestellt werden unter anderem Mittel gegen Blutgerinnungsstörungen und verschiedene Impfstoffe wie gegen Diphtherie oder Tetanus. Vor mehr als 100 Jahren waren es sogenannte Heilseren, die den Ort zu einem Hoffnungsträger im Kampf gegen Infektionskrankheiten machten.
1904 wurde zunächst eine kleine pharmazeutische Firma gegründet, bei der Behring – damals Professor an der Uni Marburg – Miteigentümer war und ihr seinen Namen gab. Auch aus Marketinggründen, wie die Medizinhistorikerin Ulrike Enke erklärt. Denn Behring sei zu diesem Zeitpunkt insbesondere wegen der Entwicklung seines Diphtherie-Heilserums bereits weltberühmt gewesen. Mit der Firmengründung habe auch die Geschichte Marburgs als Standort der Impfmittelproduktion begonnen, sagt Enke, die an der Arbeitsstelle für Geschichte der Medizin der Uni Marburg forscht.
Im frühen Behringwerk wurde demnach unter anderem ein Tetanus-Heilserum hergestellt – auch daran hatte Behring geforscht – und ein Mittel gegen Rindertuberkulose. Später wandelte sich das Unternehmen zu den Behringwerken, produziert wurde nun auch das Diphtherie-Heilserum. Behring habe nicht nur das Verfahren der Impfstoffproduktion beherrscht, sondern auch die wissenschaftlichen und unternehmerischen Fähigkeiten zusammengebracht, sagt Enke.
Biontech sieht sich mit seiner neuen Marburger Produktionsstätte durchaus in der Tradition Behrings: Dieser habe mit seinen Entwicklungen Millionen Menschen weltweit geholfen, erklärte Unternehmenschef Ugur Sahin jüngst. Die Geschichte des Standortes wolle man fortschreiben.
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