Stiftung Warentest: Husten (Teil 2 von 2)

Gut oder nur günstig bei Erkältungen?

Stuttgart - 09.02.2021, 17:50 Uhr

Warum weichen manche Empfehlungen von Stiftung Warentest von den Empfehlungen der Leitlinie zu akutem Husten ab? (Foto: Maridav / stock.adobe.com)

Warum weichen manche Empfehlungen von Stiftung Warentest von den Empfehlungen der Leitlinie zu akutem Husten ab? (Foto: Maridav / stock.adobe.com)


Was hilft bei akutem Husten? Stiftung Warentest hat mit Unterstützung von Professor Gerd Glaeske „50 nützliche, rezeptfreie und preiswerte Mittel“ bewertet. Allerdings: Nicht immer deckt sich die Empfehlung von Stiftung Warentest mit denen der aktuellen Leitlinien – wie erklärt Stiftung Warentest diese Diskrepanz?

Stiftung Warentest hat „50 nützliche, rezeptfreie und preiswerte Mittel“ bewertet. DAZ.online hat sich in einem Zweiteiler die Arzneimittelkiste von Stiftung Warentest angeschaut – im ersten Teil ging es um Halsschmerzen, Schnupfen, Fieber und Schmerzen, im zweiten nun um Husten.

Was hilft bei Husten?

Bei trockenem Reizhusten rät das Arzneimittelteam von Stiftung Warentest zu Dextromethorphan, wie in Hustenstiller Ratiopharm® oder Wick® Hustenstiller. Wer pflanzliche Präparate zum Beruhigen des Reizhustens bevorzugt, könne Spitzwegerich, wie in Broncho-Sern®, probieren. Wobei die Wirksamkeit nicht abschließend belegt sei. Laut Fachinformation zu Broncho-Sern® gibt es noch nicht einmal klinische Studien dazu: „Klinische Untersuchungen zur Pharmakodynamik von Spitzwegerichzubereitungen liegen nicht vor.“

Mehr zum Thema

Stiftung Warentest: Halsschmerzen, Schnupfen, Fieber (Teil 1 von 2)

Gut oder nur günstig bei Erkältungen?

Die AWMF-S2k-Leitlinie zu Husten bei Erwachsene rät für einen schnellen Effekt bei Reizhusten zu Lutschtabletten oder Sirup und erklärt zur „Antitussiven Therapie“: „Demulzentien wirken durch ‚Einhüllung‘ der im Rachen befindlichen Hustenrezeptoren. Antitussive Sirups, Hustensäfte, Gurgellösungen, Lutschtabletten, Honig, Hustenbonbons enthalten als gemeinsamen Bestandteil Zuckersirup oder andere Schleimstoffe. Die Wirkungsdauer beschränkt sich auf die Verweildauer des Zuckers am Rezeptor, meist auf 20 – 30 Minuten. Antitussive Medikamente in Form von Sirup oder als Lutschtabletten sind daher wirksamer und haben einen schnelleren Wirkungseintritt, als Kapseln oder Tabletten“. Als kleine Auswahl antitussiver pflanzlicher Präparate nennt die Leitlinie Hustensirups mit Spitzwegerich, Isländisch Moos, Eibischwurzel und Zucker in Sirups und Bonbons.

Ambroxol wirksamer als Placebo

Bei einem verschleimten Husten sollten Erkältungspatient:innen, geht es nach Stiftung Warentest, auf die Wirkstoffe ACC (Acetylcystein), Ambroxol oder auf Efeu-Extrakte, wie Bronchofit® Efeu und Hedelix®, oder Thymian-Extrakte, wie Thymiverlan® oder Melrosum®, zurückgreifen. Es gebe jedoch bei Hustenlösern „keine uneingeschränkt geeigneten Mittel“. Was sagt die Leitlinie dazu? 

Zur Wirksamkeit synthetischer Hustenlöser äußern sich die Leitlinien-Experten ebenfalls vorsichtig: Es gebe bei akuter Bronchitis nur zwei methodisch akzeptable Studien, die randomisiert und placebokontrolliert durchgeführt wurden, von den beiden Wirkstoffen ist allerdings nur Ambroxol in Deutschland verfügbar. (Der zweite untersuchte Hustensirup [Diphenhydramin, Ammoniumchlorid, Levomenthol] wird im Vereinigten Königreich vermarktet.) Die Studie „Efficacy and tolerability of myrtol standardized in acute bronchitis. A multi-centre, randomised, double-blind, placebo-controlled parallel group clinical trial vs. cefuroxime and ambroxol“ fand vergleichbare Ansprechraten bei Ambroxol, Myrtol und Cefuroxim. Alle drei Behandlungen zeigten eine bessere Wirksamkeit als Placebo, tendenziell war Myrtol jedoch Cefuroxim und Ambroxol sogar noch überlegen.

Was ist mit Bronchipret, Gelomyrtol und Prospan?

Bei pflanzlichen Arzneimitteln betonen die Leitlinien-Experten, dass Ergebnisse von Studien stets nur für das speziell untersuchte Präparat gelten, da die Herkunft der eingesetzten Pflanzen, deren Extraktion, die Herstellung der Arzneimittel und deren Standardisierung deren Wirkstoffgehalt bedingen: „Deshalb sind verschiedene Extrakte zum Beispiel aus Efeu untereinander nicht austauschbar.“ Es gibt nach Recherche der Leitlinien-Autoren mehrere Phytotherapeutika, deren Wirksamkeit auf Dauer und Schwere von akutem Husten in randomisiert-kontrollierten Studien gegen Placebo belegt ist – unter anderem für Bronchipret® TP mit Thymian und Primel, Bronchipret® Saft mit Thymian und Efeu oder Gelomyrtol® (Myrtol). Auch für Prospan® (Efeu) gibt es eine Studie, die die Wirksamkeit belegt: Das Präparat verringerte klinisch und statistisch signifikant die Schwere des Hustens. Allerdings sei die derzeitige Möglichkeit für die symptomatische Behandlung des Hustens sowohl in Hinblick auf die Evidenzlage als auch auf ihre Wirksamkeit bzw. auf die Nebenwirkungen sehr begrenzt – hier sind sich Stiftung Warentest und die Leitlinienautoren einig. Einige pflanzliche Präparate hätten Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien für eine Linderung der Intensität und ein schnelleres Abklingen des Hustens gegenüber Placebo. Und: „Die Datenlage für diese Phytotherapeutika für die Indikation akute Bronchitis ist häufig besser, als für synthetische Expektorantien“, liest man in der Leitlinie.

Warum empfiehlt Stiftung Warentest anders als die Leitlinien-Experten?

Allerdings finden sich diese von der Leitlinie mit nachgewiesener Wirksamkeit genannten Hustenlöser nicht in der Liste der Bronchitis-Präparate in Ausgabe 1/2021 von Stiftung Warentest, (in der kompletten Medikamentenliste von Stiftung Warentest allerdings schon). Warum? PTAheute hat nachgefragt. Grundlage für die Bewertung von Arzneimitteln sind Angaben von Stiftung Warentest zufolge „in erster Linie klinische Studien“. Damit die Studien als beweisende Studien akzeptiert würden, müssten sie „eine Reihe methodischer Kriterien erfüllen“, für die Endpunkte der Untersuchungen fordert Warentest Patientenrelevanz und Verzerrungsfreiheit.

Kombipräparate: Placeboprüfungen genügen nicht

Bei der Bewertung von Kombinationspräparaten, wie Bronchipret® TP oder Bronchipret® Saft, hat Warentest den Anspruch, „dass die Sinnhaftigkeit der Zusammensetzung mittels klinischer Studien in geeigneter Weise belegt und eine Überlegenheit gegenüber der Anwendung der jeweiligen Einzelkomponenten (ab drei Einzelwirkstoffen auch denkbare andere Kombinationen der Einzelkomponenten) nachgewiesen ist“.

Randomisierte Placebovergleiche einer Fixkombination genügten somit nicht als Beleg für eine sinnvolle Kombination – dies gelte beispielsweise für die Fixkombinationen aus Efeu plus Primel (Bronchipret® TP) sowie Efeu plus Thymian (Bronchipret® Saft). Zudem stört sich Stiftung Warentest daran, dass für die von der Leitlinie genannten Pflanzenextrakte „ganz überwiegend nur jeweils eine einzelne Publikation angeführt“ werde. Dies gelte nicht nur für die Kombinationen bei Bronchipret®, sondern auch für das efeuhaltige Präparat Prospan®. Auch die Leitlinien-Autoren gingen nicht so weit, „dass sie daraus eine abgestufte Empfehlung der verschiedenen Efeuextrakte im deutschen Arzneimittelmarkt ableiten“ würden.

Unklare klinische Relevanz

Stiftung Warentest verweist noch auf einen Assessment Report der Europäischen Zulassungsbehörde von 2017, der für verschiedene Efeuextrakte unterschiedslos einen „well-established use“ deklariere. Allerdings erfüllten die im Europäischen Assessment-Report wie auch in den Leitlinien angeführten Studienbelege für Efeuextrakt die von Warentest geforderten Kriterien für einen Beleg nicht. So zeige Prospan®-Extrakt zwar statistisch signifikante Unterschiede im Bronchitis Severity Score (BSS) zwischen den Behandlungsgruppen (ca.2 Itempunkte von insgesamt 20 zu erreichenden Punkten des BSS-Scores), doch ist nach Einschätzung von Stiftung Warentest dieser Unterschied „von unklarer klinischer Relevanz“. 

Nur In-vitro-Versuche?

Dennoch sieht sich Stiftung Warentest auf gleichem Kurs wie die Leitlinie. Es gebe für „kein pflanzliches Expektorans hinreichend überzeugende Belege für einen patientenrelevanten Nutzen in der Indikation Husten“. Aus diesem Grund auch die erläuternden Sätze zu den Hustenlösern: „In dieser Gruppe gibt es bislang keine uneingeschränkt geeigneten Mittel. Beim Abhusten unterstützen könnten Tabletten mit Acetylcystein, Ambroxol, Efeu-Saft oder Thymian-Zubereitungen. Ihre Wirkung muss aber noch besser belegt werden.“  Und weiter: „Da sich aber einzelne Hinweise positiver Effekte der Mittel in der Literatur finden, erhalten die Mittel die Bewertungskategorie ,mit Einschränkung geeignet‘“. 

Eine Unterscheidung zwischen einzelnen pflanzlichen Präparaten nimmt Stiftung Warentest also nicht vor – auch wenn beispielsweise in den Fachinformationen von Bronchofit® Efeu keine Studienergebnisse aufgeführt sind, sondern lediglich zu lesen ist: „Der Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt“ und unter Pharmakokinetik: „Es liegen keine Untersuchungsergebnisse vor.“ Prospan®-Hersteller Engelhard kann an dieser Stelle zumindest auf klinische Studien verweisen. Auch von Warentest gelistet ist Melrosum®, und auch hier wird lediglich auf In-vitro- und Tierversuche verwiesen – was auch keine klinischen Prüfungen mit patientenrelevanten Endpunkten sein dürften, die Warentest ja eigentlich fordert: „Ergebnisse von in-vitro- und Tierversuchen mit Zubereitungen aus Thymiankraut und Thymianöl bzw. dessen Hauptbestandteil Thymol sprechen für schwache expektorierende, spasmolytische und antibakterielle Wirkungen“. Hingegen kann Bionorica bei Bronchipret® ihre Studienergebnisse zitieren.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.