Bundesgerichtshof

Wann sind OTC-Gratismuster zulässig?

Berlin - 10.03.2021, 17:25 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat im Fall der Apotheken-Gratismuster von Ratiopharm ein Urteil gesprochen – entschieden ist der langjährige Streit aber noch immer nicht.  (IMAGO / Nicolaj Zownir)

Der Bundesgerichtshof hat im Fall der Apotheken-Gratismuster von Ratiopharm ein Urteil gesprochen – entschieden ist der langjährige Streit aber noch immer nicht.  (IMAGO / Nicolaj Zownir)


Die Gratis-Schmerzgel-Tuben, die eine Pharmaunternehmen Apotheker:innen überlassen hat, haben bereits den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. Der befand: Rx-Gratismuster an Apotheken sind tabu, geht es wie hier um OTC „zu Demonstrationszwecken“, könne es anders sein. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich das Oberlandesgericht Frankfurt erneut mit dem Fall zu befassen hat.

Pharmaunternehmen dürfen Apotheker:innen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimitteln geben – das hat der Europäische Gerichtshof bereits im Juni vergangenen Jahres entschieden. Das verbietet der Gemeinschaftskodex für Arzneimittel. Dagegen lässt das Unionsrecht es durchaus zu, dass Apotheker:innen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittelmuster bekommen, um sich mit einem neuen Produkt vertraut zu machen. Mit dieser Vorgabe aus Luxemburg war der langjährige Rechtsstreit zwischen Ratiopharm und Novartis um Apotheken-Gratismuster im vergangenen Jahr wieder an den Bundesgerichtshof (BGH) zurückgekehrt.

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Doch zunächst ein Blick zurück – worum ging es? Voltaren-Vertreiber Novartis hatte geklagt, nachdem Außendienstler von Ratiopharm im Jahr 2013 kostenlose 100-Gramm-Tuben einer Schmerzsalbe mit dem Wirkstoff Diclofenac an Apotheker:innen verteilt hatte – „zu Demonstrationszwecken“, wie es auf der Packung hieß. Geruch und Konsistenz sollten so vom Fachpersonal geprüft werden können. Novartis sah darin einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 47 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG), nach der eine Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken nicht gestattet sei. Außerdem rügte Novartis eine unzulässige Gewährung von Werbegaben nach dem Heilmittelwerbegesetz.

Novartis hatte mit seiner Klage in den ersten beiden Instanzen Erfolg – Ratiopharm wurde das Vorgehen untersagt. Das Argument: Die Vorschrift des § 47 Abs. 3 AMG nenne diejenigen Personen, an die Muster von Fertigarzneimitteln abgegeben werden dürften, abschließend. Und dort finden sich zwar (Zahn-)Ärzt:innen und andere Personen, die Heilkunde ausüben, aber keine Apotheker:innen. Damit seien Muster für diese Berufsgruppe verboten. Als das Ulmer Unternehmen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts Revision eingelegt hatte, wollte der BGH aber zunächst eine Klärung vor dem EuGH, ob der Gemeinschaftskodex die Abgabe kostenloser Arzneimittelmuster an Apotheker:innen erlaubt und falls ja, ob er dann den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, diese Abgabe zu verbieten. Dieser entschied, wie oben beschrieben.

Es sind noch Fragen offen

In einem erst jetzt veröffentlichten Urteil aus dem vergangenen Dezember hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar hebt er das Urteil der Vorinstanz, des Oberlandesgerichts Frankfurt, auf, weil sich dieses „weder mit der gegebenen Begründung noch aus anderen Gründen als richtig“ erweise. Allerdings seien noch Feststellungen zu treffen, um die Sache spruchreif zu machen. Es geht darum, ob ein Verstoß gegen das Zugabeverbot in § 7 Heilmittelwerbegesetz vorliegt. Und dazu stellen sich Fragen nach dem Wert der Zuwendungen und der individuellen Beeinflussbarkeit der Apotheker aufgrund wirtschaftlicher Interessen. Diese seien noch nicht geklärt.

Der BGH hat aber schon eine Meinung: Sollten die Apotheker:innen nur eine einzelne Tube des Schmerzgels bekommen haben, um die Salbe selbst einmal ausprobieren zu können, dürfte das nicht zu beanstanden sein. Haben die Außendienstler allerdings „eine Vielzahl“ von Proben dagelassen, sieht der Zivilsenat durchaus die Gefahr, dass die Packungen an Kunden und Kundinnen weitergegeben werden, und sich damit „die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Apotheker“ ergibt. Das hatte das Oberlandesgericht nicht geklärt und muss dies jetzt nachholen.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2020, Az. I ZR 235/16


Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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