Nachhaltigkeit von Lieferketten

EU bringt neues Lieferkettengesetz auf den Weg

Dillingen/Stuttgart - 18.03.2021, 17:00 Uhr

Viele Produkte, die wir täglich nutzen, stammen möglicherweise aus Ländern bzw. Unternehmen, die in Verbindung mit Kinderarbeit oder anderen Menschenrechtsverletzungen stehen. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Viele Produkte, die wir täglich nutzen, stammen möglicherweise aus Ländern bzw. Unternehmen, die in Verbindung mit Kinderarbeit oder anderen Menschenrechtsverletzungen stehen. (Foto: IMAGO / imagebroker)


So manche Verbrauchsgüter unseres Alltags stammen aus Ländern, die mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen. Das betrifft nahezu alle Branchen — auch die Arzneimittelherstellung. Das Europäische Parlament hat nun einen Entschließungsantrag für ein verbindliches europäisches Lieferkettengesetz angenommen. Damit könnten Unternehmen, die Menschenrechte, Umweltstandards und gute Unternehmensführung verletzten oder dazu beitragen, zur Rechenschaft gezogen werden.  

Verbrauchsgüter, die wir täglich nutzen, kommen möglicherweise aus Ländern beziehungsweise Unternehmen, die in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen, wie Zwangs- oder Kinderarbeit stehen. Zudem herrschen mancherorts unwürdige Arbeitsbedingungen.

Laut Unicef Deutschland „gehen insgesamt weltweit 218 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 17 Jahren einer Arbeit nach, wenn man ausbeuterische Kinderarbeit und legale Beschäftigung zusammenzählt. Von ihnen sind 152 Millionen Mädchen und Jungen – fast jedes zehnte Kind – nach aktueller Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Kinderarbeiter – das heißt, sie müssen unter Bedingungen arbeiten, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben“.

Die ILO weist darauf hin, dass Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Menschenhandel nach wie vor globale Realität sind. Obwohl die Zahl der Betroffenen weltweit zurückgegangen ist, schafft eine Kombination aus hohem ökonomischem Druck und mangelnder staatlicher, unternehmerischer und sozialpartnerschaftlicher Kontrolle auch heute noch den Raum für massive Menschenrechtsverletzungen bei der Arbeit, wie die Organisation in ihrem neuen Report darlegt.

Arzneimittelproduktion in Drittstaaten

Auch die international konkurrierenden Produktionsstandorte für Arzneimittel und Pharmawirkstoffe konzentrieren sich aus ökonomischen Gründen immer mehr in Drittstaaten, wo möglicherweise andere als europäische Umwelt- und Arbeitsstandards gelten.

Für das Thema ist man auch beim Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sensibilisiert. Nachhaltigkeit und die Verbesserung der Lieferketten ist uns ein wichtiges Anliegen, sagt Andrea Schmitz, Justiziarin beim BAH. Besonders in der Pharmabranche mit einer besonderen Verantwortung und hohen Qualitätsstandards spiele die nachhaltige Verbesserung der Lieferkette eine wichtige Rolle. „Beim BAH haben wir deshalb Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit Fragestellungen zur nachhaltigen Gestaltung der Lieferketten befassen“, ergänzt Dr.Dennis Stern, Referent beim BAH. „Dabei sind Bereiche wie Umweltschutz, Gesundheit- und Sicherheit, aber auch ethische und soziale Aspekte von Bedeutung. So bieten wir zum Beispiel Workshops für die Mitglieder an, wie das Umweltmanagement in den Unternehmen verbessert werden kann“.

Aufgrund oft komplexer Lieferketten sei es zudem herausfordernd, mögliche Probleme in den Bereichen Umwelt- und Arbeitsschutz etc. zu erkennen, so Schmitz. „Der BAH versucht aber im Rahmen seiner Möglichkeiten durch Aufklärung für das Thema zu sensibilisieren."

In diesem Zusammenhang weist Dennis Stern auch auf die Standards der Pharmaceutical Supply Chain Initiative (PSCI) hin, einem Zusammenschluss von etwa 30 Unternehmen aus der Pharmaindustrie und dem Gesundheitswesen. Die PSCI wurde in den USA als Non-Profit-Organisation gegründet und verfolgt das Ziel einer ständigen Verbesserung von sozialen, ökologischen und ökonomischen sowie arbeitsschutzrelevanten Bedingungen entlang der gesamten Lieferkette in der Pharmaindustrie. „Standards, die derzeit auch diskutiert werden“, so Stern.

EU-Parlament nimmt Entschließungsantrag an

Um in Zukunft gegen unhaltbare Bedingungen in Unternehmen vorgehen zu können, hat das Europäische Parlament Anfang März einen Entschließungsantrag für ein verbindliches europäisches Lieferkettengesetz angenommen. Darin wird die dringende Annahme eines verbindlichen EU-Gesetzes gefordert, mit dem Unternehmen haftbar gemacht werden können, wenn sie Menschenrechte, Umweltstandards und gute Unternehmensführung verletzten oder dazu beitragen. Zudem sollen die Regeln zur Sorgfaltspflicht für Lieferketten auch den Zugang zu Rechtsmitteln für Geschädigte garantieren, teilte das EU-Parlament am 10. März mit.

Verbindliche EU-Regeln zur Sorgfaltspflicht würden künftig Unternehmen dazu verpflichten, alle Aspekte ihrer Wertschöpfungskette (dazu gehören alle Tätigkeiten, direkte oder indirekte Geschäftsbeziehungen und Investitionsketten), wenn sie nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte haben, einschließlich sozialer, gewerkschaftlicher und arbeitsrechtlicher Rechte, auf die Umwelt, darunter der Beitrag zum Klimawandel oder zur Entwaldung, und auf die verantwortungsvolle Führung (wie Korruption und Bestechung), zu ermitteln, anzugehen und zu beheben, heißt es in dem Antrag.

Einfuhrverbot von Produkten aus Kinderarbeit

Unternehmen die einen Zugang zum EU-Binnenmarkt haben wollen, müssten außerdem nachweisen, dass sie die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Umwelt und Menschenrechte einhalten, auch wenn der Sitz außerhalb der EU liegt. Zudem fordern die Abgeordneten zusätzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel das Einfuhrverbot von Produkten, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit in Verbindung stehen.

Die Abgeordneten fordern die Kommission weiterhin auf, sorgfältig zu prüfen, ob Unternehmen aus Xinjiang in China, die in die EU exportieren, in Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel der Unterdrückung der Uiguren verwickelt sind.

Zugang zu Rechtsmitteln für Opfer aus Drittländern

Die Regeln zur Sorgfaltspflicht für Lieferketten sollen Geschädigten auch den Zugang zu Rechtsmitteln gewährleisten. So sollen Unternehmen für Schäden haftbar gemacht und mit Geldstrafen belegt werden, wenn sie Schaden verursachen oder dazu beitragen und nicht nachweisen können, dass sie im Einklang mit den Sorgfaltspflichten gehandelt und angemessene Maßnahmen ergriffen haben. Das Gesetz würde darüber hinaus auch die Rechtslage von Opfern oder Interessenträgern in Drittländern verbessern, da sie Unternehmen nach EU-Recht verklagen könnten. 

Regeln sollen für alle Unternehmen gelten

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, sollen die Regeln für alle großen Unternehmen gelten, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen oder im Gebiet der Union niedergelassen sind; auch für Unternehmen, die Finanzdienstleistungen anbieten und für börsennotierte Firmen oder mit einem großen Risiko behaftete kleine und mittlere Unternehmen, heißt es in dem Entschließungsantrag weiter.

Anders als das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz soll der Entschließungsantrag deutlich über die Anforderungen hinausgehen. Zudem legt der Antrag EU-weite Regeln fest, die auch für Umweltstandards gelten sollen. Die Kommission kündigte an, dass sie noch in diesem Jahr einen Gesetzesvorschlag vorlegen werde.



Robert Hoffmann, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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