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Behandlung und Vorbeugung von COVID-19
Potente neutralisierende Antikörper gefunden
Italienische Forscher:innen haben mithilfe selektierter B-Gedächtniszellen von Patient:innen mit überstandenem COVID-19 hochwirksame Antikörper hergestellt. Diese können das SARS-CoV-2-Virus und seine bekannten Mutationen schon in geringen Konzentrationen neutralisieren. Der potenteste (J08) soll ein guter Kandidat für die Entwicklung von präventiven und therapeutischen Instrumenten gegen das Virus sein.
Neutralisierende humane monoklonale Antikörper könnten zu den schärfsten Waffen gegen SARS-CoV-2 werden, vorausgesetzt, es findet sich immer der passende Schlüssel für ein sich veränderndes Schloss, sprich die neuen Varianten. Bisher wurden mit den Antikörper-Cocktails von Regeneron und Eli Lilly sowie Bamlanivimab alleine erst wenige neutralisierende Antikörper zur Notfallanwendung genehmigt. So wie es derzeit aussieht, werden die Mutanten die Entwickler und Behörden weiter auf Trab halten.
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Eine kürzlich in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlichte Studie beschreibt die Entwicklung sehr potenter humaner monoklonaler Antikörper, die das SARS-CoV-2-Virus und seine bekannten Mutationen bereits in geringen Konzentrationen neutralisieren können. Die Forschung wurde von den EU-finanzierten Projekten vAMRes (Vaccines as a remedy for antimicrobial resistant bacterial infections) und EVAg (European Virus Archive goes global) unterstützt.
Hemmschuh Nr. 1: Zu hohe Dosen
Mit seiner Studie hat das italienische Forscherteam zwei wichtige Einschränkungen der Antikörpertherapie gegen SARS-CoV-2 ins Visier genommen. Die eine ist die Dosis. Bisher wurden in klinischen Studien nur hohe Dosen humaner monoklonaler Antikörper im Bereich zwischen 500 und 8.000 mg verwendet, die intravenös verabreicht werden müssen. Das macht die Intervention extrem kostspielig. Damit sie kostengünstiger wird, begaben sich die Wissenschaftler:innen auf die Suche nach extrem wirksamen Antikörpern, die in niedrigen Dosen durch intramuskuläre Injektion verabreicht werden könnten.
Hemmschuh Nr. 2: Risiko der antikörperabhängigen Verstärkung
Die zweite Einschränkung ist das Risiko einer antikörperabhängigen Verstärkung (antibody dependent enhancement ADE) der Infektion. Infektionsverstärkende Antikörper binden zwar an die Oberfläche von Viren, neutralisieren diese jedoch nicht. Stattdessen begünstigen sie deren Aufnahme in eine Zelle und damit die Ausbreitung und Vermehrung des Virus. Sie werden bei einer Erstinfektion mit einigen Viren gebildet und bewirken erst bei einer Zweitinfektion mit dem gleichen oder einem ähnlichen Subtyp des Virus einen schwereren Krankheitsverlauf. Der Mechanismus schränkt die Möglichkeit einer Impfung bei einigen Viren erheblich ein. Aber auch Hyperimmunglobuline zur passiven Immunisierung können solche Antikörper enthalten und damit einen gegenteiligen Effekt auslösen. In ihrer Arbeit haben die italienischen Forscher:innen das dafür verantwortliche Fc-Fragment der humanen monoklonalen Antikörper so modifiziert, dass dieses Risiko gemindert wird.
Über 4.000 B-Gedächtniszellen sortiert
SARS-CoV-2 kann die Wirtszellen hauptsächlich mithilfe seiner Spike-Proteine durchdringen und infizieren. Deshalb konzentrierten sich die Forscher:innen auf humane monoklonale Antikörper, die für das Spike-Protein spezifisch sind und sortierten hiernach 4.277 entsprechende B-Gedächtniszellen von 14 genesenen COVID-19-Patient:innen aus Krankenhäusern in Rom und Siena nach Einzelzellen. Nach deren Inkubierung mit Interleukinen identifizierten sie 453 neutralisierende Antikörper. Von diesen wurden 220 als Immunglobulin-G-Antikörper exprimiert, die häufigste Antikörperart im Blut, die vor bakteriellen und viralen Infektionen schützt.
Zwei Drittel der Antikörper mit geringer Potenz
Die 453 Antikörper teilten sie in vier verschiedene Gruppen ein. Die stärksten erkannten die Spike-Protein-Rezeptor-Bindungsdomäne, gefolgt von Antikörpern, die die S1-Domäne, das Spike-Protein-Trimer und die S2-Untereinheit erkannten. Die überwiegende Mehrheit der identifizierten Antikörper (65,9 Prozent) hatte eine geringe neutralisierende Potenz und benötigte mehr als 500 ng/ml, um eine 100%-ige Hemmkonzentration (IC100) zu erzielen. Ein kleinerer Teil (23,6 Prozent) mit einer mittleren neutralisierenden Potenz benötigte zwischen 100 und 500 ng/ml und 9,1 Prozent brauchten dafür zwischen 10 und 100 ng/ml.
Lediglich drei Antikörper (1,4 Prozent) wurden mit einer IC100 unter 10 ng/ml als extrem potent eingestuft. Einer davon (J08) zeigte in vitro sogar eine Neutralisationswirksamkeit in pico-molaren Konzentrationen, und zwar sowohl gegen das in Wuhan isolierte Wild-Typ SARS-CoV-2-Virus als auch gegen neu entstehende Varianten, wie D614G, E484K und N501Y. Seine prophylaktische und therapeutische Wirksamkeit konnten die Forscher:innen auch schon in einem SARS-CoV-2-Hamstermodell der Infektion belegen. Sie halten J08 deshalb für einen vielversprechenden Kandidaten für die Entwicklung eines erschwinglichen Ansatzes zur Prävention und Therapie von COVID-19.
Risiko von ADE auf jeden Fall ausschalten
Insgesamt schlussfolgern sie aus ihren Daten, dass die meisten beobachteten Neutralisationstiter bei COVID-19-Rekonvaleszenten wahrscheinlich durch Antikörper mit mittelhoher neutralisierender Potenz vermittelt werden. Weder die extrem potenten noch die Antikörper gegen die S2-Untereinheit tragen ihrer Einschätzung nach wesentlich dazu bei, weil sie zu selten sind und im letzteren Fall zu schwach neutralisierend wirken. Auf jeden Fall halten sie es für wichtig, für die klinische Entwicklung mögliche Fc-vermittelte Funktionen der Antikörper auszuschalten, um das Risiko von ADE (antikörperabhängige Verstärkung / antibody dependent enhancement) zu vermeiden.
Obwohl es keine Beweise für ADE bei SARS-CoV-2 gebe und die meisten bisher getesteten Impfstoffe und monoklonalen Antikörper sicher zu sein scheinen, sei es noch zu früh, um dazu endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen, so ihr Fazit.
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