Schreiben des Bundesfinanzministeriums

Umsatzsteuer auf Apothekerleistungen bei Grippeimpfungen und beim Sichtbezug entfällt

Süsel - 19.03.2021, 07:00 Uhr

Impfungen: Das „krumme“ Honorar von 12,61 Euro ist wohl von der Idee geprägt, dass die Krankenkassen bereit sind 15 Euro brutto zu zahlen. (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)

Impfungen: Das „krumme“ Honorar von 12,61 Euro ist wohl von der Idee geprägt, dass die Krankenkassen bereit sind 15 Euro brutto zu zahlen. (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)


Gemäß einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die obersten Finanzbehörden der Länder wird bei zwei Dienstleistungen durch Apotheken keine Umsatzsteuer mehr fällig. Dies betrifft Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen und den Sichtbezug von Substitutionsarzneimitteln in der Apotheke. Bis zum 1. April wird die Erhebung der Umsatzsteuer jedoch nicht beanstandet.

Die Leistungen von Ärzten und manchen andere Heilberuflern sind von der Umsatzsteuer befreit. Apotheken sind dagegen vollkaufmännische Unternehmen, die mit Waren handeln. Daher unterliegen ihre Umsätze der Umsatzsteuer. Doch Apotheken erbringen daneben vermehrt Dienstleistungen und werden dafür in einzelnen Bereichen auch honoriert. Dies wirft die Frage auf, wie solche Dienstleistungen umsatzsteuerlich zu behandeln sind: als umsatzsteuerpflichtige Leistung eines kaufmännischen Unternehmens oder als umsatzsteuerfreie Leistung eines Heilberuflers?

Aufnahme in Liste umsatzsteuerfreier Tätigkeiten

Bisher gab es keine rechtliche Grundlage für eine Befreiung solcher Dienstleistungen von der Umsatzsteuer. Doch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 12. März an die obersten Finanzbehörden der Länder ändert dies nun für zwei spezielle Fälle. In dem Schreiben heißt es, dass im Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010 (Bundessteuerblatt I Seite 846) in Abschnitt 4.14.4 Absatz 11 ein neuer Punkt angefügt wird. In dieser Liste werden die Erbringer umsatzsteuerfreier heilberuflicher Tätigkeiten aufgezählt. Dazu soll künftig der folgende neue Punkt 14 gehören:


„Apothekerinnen und Apotheker, die im Rahmen des Modellvorhabens nach § 132j SGBV Grippeschutzimpfungen durchführen, oder die nach § 5 Abs. 10 Satz 2 Nr. 2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung Substitutionsmittel dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen.“

Schreiben des BMF vom 12. März an die obersten Finanzbehörden der Länder


Diese Grundsätze seien für alle offenen Fälle anzuwenden. Damit sind offenbar Fälle gemeint, bei denen die umsatzsteuerliche Behandlung dieser Tätigkeiten zwischen den Apotheken und den Finanzbehörden derzeit umstritten ist – also Fälle aus der Vergangenheit. Im Schreiben heißt es weiter, für Umsätze, die vor dem 1. April 2021 ausgeführt werden, werde es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen umsatzsteuerpflichtig behandle.

Späte Entscheidung zu Grippeimpfungen

Damit werden Apotheken also auf das Honorar für Grippeimpfungen künftig keine Umsatzsteuer mehr erheben. Für die Apotheker kommt die Neuerung recht spät. Denn das „krumme“ Honorar von 12,61 Euro gemäß den Vereinbarungen zu den bereits vereinbarten Modellprojekten ist wohl von der Idee geprägt, dass die Krankenkassen bereit sind, 15 Euro brutto zu zahlen. Das ergibt bisher 12,61 Euro plus Umsatzsteuer. Diese 12,61 Euro wurden vertraglich festgeschrieben. Nun muss sich zeigen, ob die Verträge an die veränderte umsatzsteuerliche Situation angepasst werden können. Außerdem bleibt aus Apothekersicht zu hoffen, dass bei künftigen Modellprojekten die bisherige Bruttozahlung als Orientierungsgröße verwendet wird.

Wie werden die Apotheker für Sichtbezug honoriert?

Auch der zweite Fall im Schreiben des Bundesfinanzministeriums wirft einige Fragen auf. Es geht um das Honorar, das Apotheker im Rahmen der Substitutionstherapie beim Sichtbezug in der Apotheke erhalten. Doch welches Honorar ist das? In Baden-Württemberg besteht ein regionaler Versorgungsvertrag mit den Primär- und Ersatzkassen, die die Apotheker für diese Leistung honorieren. Bei diesem Honorar wird bisher Umsatzsteuer fällig, künftig jedoch nicht mehr. Anderswo wird gestritten, ob die Ärzte im Rahmen des verpflichtenden Vertrags über die Delegation der ärztlichen Leistungen für eine Honorierung zuständig wären. Möglicherweise bringt die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums nun erneut Bewegung in die festgefahrene Frage, wie die Apotheker für ihre Leistung beim Sichtbezug überhaupt honoriert werden. Die Betäubungsmittelgebühr gemäß § 7 Arzneimittelpreisverordnung dürfte das Bundesfinanzministerium wohl kaum im Blick gehabt haben, denn auf diese Regelung wird nicht verwiesen und sie bezieht sich zudem auch auf viele andere Fälle.

Bewegung in der Umsatzsteuerfrage

Trotz mancher offener Detailfragen kann das Schreiben des Bundesfinanzministeriums als ein wichtiger Schritt betrachtet werden. Denn die Honorierung von Dienstleistungen treibt die Apotheker schon lange um, und nun ist Bewegung in das Thema gekommen. In ihren Stellungnahmen auf Entwürfe zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz hatte die ABDA mehrfach gefordert, die neuen honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen von der Umsatzsteuer freizustellen. Doch im Gesetz gibt es dazu bisher keine Regelung. Hier ist dringend Klarheit für die laufenden Verhandlungen nötig. Denn obwohl die neue Honorierung erst zum 15. Dezember 2021 in Kraft tritt, werden die Abläufe wohl derzeit ausgehandelt.

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Noch mehr drängt die Frage nach der umsatzsteuerlichen Behandlung von Dienstleistungen in Apotheken bei Corona-Tests. Nach den jüngsten Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium ist das vorgesehene Dienstleistungshonorar von 12 Euro als Bruttobetrag zu verstehen. Vor dem Hintergrund des jüngsten Schreibens aus dem Bundesfinanzministerium stellt sich die Frage, warum verschiedene Dienstleistungen in Apotheken umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt werden. Hier besteht offenbar Handlungsbedarf. Doch für den Moment bleibt festzuhalten, dass das Schreiben des Bundesfinanzministeriums sich ausdrücklich nur auf Grippeschutzimpfungen und den Sichtbezug bei der Substitutionstherapie bezieht. Die diesbezüglichen Honorare unterliegen nun nicht mehr der Umsatzsteuer.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Klarheit in Bezug auf den Sichtbezug

von Dennis A. Effertz am 22.03.2021 um 11:11 Uhr

Lieber Herr Müller-Bohn,

nach meinem Verständnis haben wir nun Klarheit in der Frage der Vergütung des Sichtbezuges. Denn die UST-Befreiung beruht auf § 4 Nr. 14 a) USTG was die Tätigkeit als Heilbehandlung klassifiziert. Eine solche ist die "Abgabe" von (BtM-)Arzneimittel, die die AMPreisV entlohnt nicht. Insofern wird klargestellt, dass die auch von mir bereits vertretene Rechtsposition korrekt ist, dass eine BtM-Gebühr im falle des Sichtbezuges nicht mehrfach abrechnungsfähig ist. Denn die arzneimittelrechtliche Abgabe erfolgte nur einmalig. Vielmehr handelt es sich bei der Überlassung und Überwachung des Sichtbezuges um eine vom Arzt auf den Apotheker delegierte Tätigkeit, die der Heilbehandlung zuzuordnen ist. Wer nun dafür bezahlt, ist die nachgelagerte, gleichwohl nicht unwichtigere Frage. Obgleich ich auch hierzu eine klare Meinung habe: Delegation dient der Entlastung des Arztes. In der Arbeitswelt muss man für eine solche Entlastung den "Belasteten" entlohnen. Will man etwas anderes, so bedarf es einer vertraglichen Vereinbarung hierzu. Auch dies entspricht meiner bisher vertretenen Rechtsmeinung.

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