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COVID-19
Interleukin-6-Blocker: Evidenz insgesamt noch recht schwach
Im Moment sind die Therapiemöglichkeiten bei COVID-19 sehr eingeschränkt. Ein zentraler Ansatzpunkt für die Eindämmung überschießender Entzündungsreaktion ist die Blockade von Interleukin 6. Aktuell laufen rund fünfzig Studien mit IL-6-Blockern. Die Ergebnisse sind jedoch bislang begrenzt, wie ein neuer Cochrane-Review herausgefunden hat.
Eine SARS-CoV-2-Infektion induziert eine dosis- und zeitabhängige Produktion von Zytokinen, einschließlich Interleukin-6 (IL-6). Daher werden IL-6-Blocker in zahlreichen Studien zur Behandlung von schwererem COVID-19 erprobt.
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Ein neuer Cochrane-Review bewertet die aktuelle Datenlage dazu (Stichtag: 26. Februar 2021). Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) zur Bewertung von IL-6-Blockern im Vergleich zur Standardversorgung allein oder mit Placebo gegen COVID-19 unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Die Suche erstreckte sich auf
- den humanisierten monoklonalen Antikörper (mAB) Tocilizumab,
- die beiden humanen mABs Sarilumab und Levilimab,
- den chimeren mAB Siltuximab,
- den humanisierten mAb Olokizumab sowie
- den humanisierten monoklonalen Kaninchenantikörper Clazakizumab.
Während Tocilizumab, Sarilumab und Levilimab den Rezeptor von Interleukin 6 blockieren, sind Siltuximab, Olokizumab und Clazakizumab direkt gegen IL-6 gerichtet.
Zielparameter für die Wirkung
Kritische Outcome-Parameter für die Analyse waren die klinische Verbesserung am Tag 28 (D28) bzw. nach 60 Tagen (≥D60), definiert als Krankenhausentlassung oder Verbesserung der klinischen Progression und Erholung, der Eintritt in einen schweren Verlauf (WHO Clinical Progression Score ab Stufe 7), sowie die Gesamtmortalität, jeweils zu denselben Zeitpunkten (D28/≥D60).
Neun RCTs mit Tocilizumab und zwei mit Sarilumab
Die Cochrane-Reviewer haben 49 registrierte RCTs identifiziert, die IL-6-Blocker bewerteten. Bislang sind jedoch nur für zehn davon Ergebnisse verfügbar. Alle Studien waren multizentrisch. Sie wurden in Brasilien, China, Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA durchgeführt, vier davon in mehreren Ländern. Die Teilnehmer:innen waren hauptsächlich Patient:innen mit mittelschwerem COVID-19 und die Altersspanne reichte im Wesentlichen von 56 bis 65 Jahren.
Neun RCTs bewerteten Tocilizumab (6.428 Teilnehmer:innen) und zwei Sarilumab (880 Teilnehmer:innen). Daneben zählten die Cochrane-Reviewer 20 weitere registrierte RCTs mit Tocilizumab und elf Studien mit Sarilumab, die teilweise ohne verfügbare Ergebnisse abgeschlossen oder ohne Ergebnisse beendet wurden oder noch laufen. Deutlich weniger RCTs befassen sich mit Clazakisumab (fünf laufende, eine nicht rekrutierend), Olokizumab (eine abgeschlossen, eine nicht rekrutierend), Siltuximab (eine laufend) und Levilimab (eine ohne verfügbare Ergebnisse abgeschlossen).
Tocilizumab senkt die Mortalität innerhalb von vier Wochen
Im Vergleich zu Placebo oder Standardbehandlung verringerte die Behandlung mit Tocilizumab die Zahl der COVID-19-Patient:innen, die nach 28 Tagen aus irgendeinem Grund gestorben sind (Evidenz aus acht Studien mit 6.363 Teilnehmern). Im Durchschnitt starben unter Tocilizumab plus Standardbehandlung pro 1.000 Menschen 32 weniger als unter Standardbehandlung alleine oder plus Placebo (Evidenz mit hoher Sicherheit). Außerdem führt Tocilizumab wahrscheinlich zu etwas weniger schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen als die Standardbehandlung alleine oder mit Placebo. Der Einfluss auf die klinische Verbesserung am D28 scheint demgegenüber gering oder gar nicht vorhanden zu sein. Die Cochrane Reviewer schließen allerdings nicht aus, dass die Behandlung bei bestimmten Untergruppen doch etwas bringen könnte.
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Tocilizumab-Steroid-Kombi senkt die Sterblichkeit bei schwerem COVID-19
Unsicherheit besteht nach der Analyse hinsichtlich der Auswirkungen der Tocilizumab-Behandlung auf die Progression zu schwerem COVID-19 innerhalb von 28 Tagen. Auch zu dem längerfristigen Verlauf der Erkrankung (≥D60) können die Autor:innen keine Aussage treffen, weil es hierzu keine Daten gibt.
Wenige Erkenntnisse zu Sarilumab
Zur Wirkung von Sarilumab lässt sich offenbar aktuell noch weniger sagen. Die Evidenz für die Wirkung auf die Gesamtmortalität am Tag 28 ist unsicher (2 RCTs mit 880 Teilnehmer:innen). Immerhin halten die Reviewer es mit Blick auf die Daten für unwahrscheinlich, dass der humane monoklonale Antikörper zu einer deutlichen Zunahme von unerwünschten Ereignissen führt. Eine Erhöhung können sie jedoch nicht ausschließen. Zu den anderen kritischen Outcome-Parametern lagen keine Daten vor, und zu den anderen IL6-Blockern gibt es mit Blick auf die noch laufenden Studien bislang gar keine Evidenz.
Befunde mit Vorsicht interpretieren
Die Cochrane-Reviewer stellten bei den Studienergebnissen erhebliche Diskrepanzen fest. Als mögliche Ursachen dafür kommen nach ihrer Einschätzung die Begleitmedikation, insbesondere Steroide, der Zeitpunkt der Behandlung, der Schweregrad der Erkrankung sowie unterschiedliche Muster bei der Immunreaktion der Teilnehmer:innen infrage. Ihre Befunde sollten deshalb mit Vorsicht interpretiert werden. Metaanalysen individueller Patientendaten seien erforderlich, um zu ermitteln, welche Patient:innen am ehesten von der Behandlung profitieren könnten, so ihre Schlussfolgerung.
Zahlreiche Studien laufen noch
Angesichts dessen, dass aktuell immer noch 39 randomisierte kontrollierte Studien mit IL-6-Blockern registriert sind, ist zu erwarten, dass die bislang noch recht schwache Evidenz in absehbarer Zeit zunehmen wird. Der Cochrane-Review soll im Lichte neuer Daten fortlaufend aktualisiert werden, wenn neue Daten auf der COVID-NMA-Plattform zur Verfügung gestellt werden. Das COVID-NMA-Projekt dient dazu, die gesamte Evidenz für Interventionen zur Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 fortlaufend zu kartieren.
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