Narbenpflege

Was darf man von Narbengelen erwarten?

Waren (Müritz) - 09.04.2021, 07:00 Uhr

Nach allgemeiner Meinung gilt eine Narbe als reif, wenn sie älter als zwei Jahre ist. Dann sind Umstrukturierungsprozess weitgehend abgeschlossen und zumindest eine Behandlung mit Narbengelen führt meist zu keiner Veränderung mehr. Ein Versuch kann es dennoch wert sein. (x / Foto: amawasri / stock.adobe.com)

Nach allgemeiner Meinung gilt eine Narbe als reif, wenn sie älter als zwei Jahre ist. Dann sind Umstrukturierungsprozess weitgehend abgeschlossen und zumindest eine Behandlung mit Narbengelen führt meist zu keiner Veränderung mehr. Ein Versuch kann es dennoch wert sein. (x / Foto: amawasri / stock.adobe.com)


Medizinisch gesehen ist eine Narbe der beste Wundverschluss überhaupt, sagen Ärzte. Man sollte sich also darüber freuen, dass es Zellen gibt, die nach einer Verletzung sofort beginnen, Kollagen zu produzieren, um das Einfallstor für Keime schnellstmöglich wieder dicht zu machen. Und doch möchten die wenigsten Menschen eine Narbe ein Leben lang als Andenken an eine schmerzhafte Erfahrung behalten. Besonders gefürchtet sind hypertrophe Narben, die sich rot und erhaben von der umliegenden Haut abzeichnen und jucken oder schmerzen können. Was man dagegen tun kann, wann man es tun muss und was man vermeiden sollte.

Auch wenn ein oberflächlicher Kratzer noch einige Tage rot leuchtet, heilt er in der Regel folgenlos ab. Wurde jedoch die Lederhaut verletzt, ist mit einer Narbe zu rechnen. Dabei wird das Hautareal mit faserreichem Ersatzgewebe aufgefüllt, in dem das Kollagen nicht mehr komplex verflochten, sondern parallel angeordnet ist. Talg- und Schweißdrüsen gehen dem betroffenen Bereich für immer verloren, Melanozyten können dagegen wieder einwandern.

Im Zweifel feucht halten

Grundsätzlich sollte jeglicher Stress von einer Wunde ferngehalten werden. Dazu zählen neben mechanischer Beanspruchung auch Infektionsquellen und UV-Strahlung. Studien haben gezeigt, dass ein feuchtes Wundmilieu die Heilung beschleunigen und einer Narbenbildung entgegenwirken kann. Darüber hinaus wird unter diesen Bedingungen die Aktivität der Immunzellen gefördert und auf diese Weise das Infektionsrisiko gesenkt. Präparate auf Basis von Hydrokolloidgelen haben den Vorteil, dass sie sowohl für trockene als auch nässende Wunden geeignet sind, da sie je nach Umgebung in der Lage sind, Flüssigkeit zu absorbieren („Hydrokolloid-Effekt“) oder zu spenden („Hydrogel-Effekt“). Entsprechende Produkte stehen in Form von Pflastern und halbfesten Zubereitungen zur Verfügung.

Wundschorf entfernen oder nicht?

Lässt man die Wunde trocken heilen, bildet sich in der Regel Wundschorf, der manchmal unangenehm jucken kann und deswegen gern abgekratzt wird. Ist das Risiko einer Narbenbildung dann erhöht? „Ein weitestgehend locker aufsitzender und sich zum Teil bereits ablösender Wundschorf kann vorsichtig entfernt werden, ohne dass dadurch ein Schaden entsteht“ weiß Professor Alexander Nast, Leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité Berlin. „Starke Manipulation an der Wunde kann die Wundheilung jedoch negativ beeinflussen.“ Fettreiche Salben mit Povidon-Iod oder Dexpanthenol sollten bei frischen Wunden noch gemieden werden. Sie kommen erst ins Spiel, wenn der Wundverschluss bereits begonnen hat.

Krankhaft heißt behandlungsbedürftig

Auch spezielle Produkte zur Narbenpflege müssen warten, bis die Wunde vollständig verschlossen ist, ggf. Fäden gezogen wurden und der Wundschorf abgefallen ist. Brandwunden sollten geschlossen und trocken sein. Dann sollte aber schnellstmöglich mit der Anwendung begonnen werden, um die Chancen zu steigern, dass die Narbe glatt, elastisch, widerstandsfähig und kosmetisch unauffällig wird.

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Narben – Haut zweiter Wahl

Ob der Einsatz spezieller Produkte zur Narbenpflege im Einzelfall überhaupt sinnvoll ist, hängt vor allem vom Risiko einer pathologischen Narbenbildung ab. Besonders nach Verbrennungen und Verbrühungen entstehen hypertrophe Narben, die sich wulstig über das sie umgebende Hautniveau erheben und in Gelenknähe die Beweglichkeit einschränken können. Auch Wunden im Dekolleté und am Hals gehen mit einem höheren Risiko einher. In Abgrenzung zum Narbenkeloid, ebenfalls eine gutartige Hautwucherung, bleiben hypertrophe Narben aber auf das verletzte Gewebe beschränkt.

Kann, muss aber nicht

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat im vergangenen Jahr die S2k-Leitlinie „Therapie pathologischer Narben“ (Stand: 27. März 2020) überarbeitet. Darin wird für Silikon-haltige Externa als Zusatztherapie bei aktiven hypertrophen Narben und zu deren Prävention nach Operationen eine offene Empfehlung  („kann“) ausgesprochen. Leitlinienkoordinator Nast erklärt: „Der Einsatz und Nutzen dieser Ansätze wird zum Teil kontrovers diskutiert. Wenn aber ein Risiko für eine überschießende Narbenbildung besteht, kann zum Beispiel ein Silikongel angewendet werden.“ Von diesen genügt bereits ein hauchdünner Film, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Silikon-Präparate gibt es zudem in Form von Pflastern, Folien und Sprays. Die Anwendung muss konsequent, das heißt alle 12 bis 24 Stunden, über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Das Einmassieren der Zubereitung ins Narbengewebe wird als sinnvoll erachtet. Silikone werden nicht resorbiert und wirken rein physikalisch, vermutlich über einen Okklusionseffekt, der die Wachstumsfaktoren beeinflusst und die Kollagen-Produktion normalisiert.

Auf gleichem Level empfiehlt die Leitlinie die Anwendung von Externa mit Zwiebelextrakt, der hemmend auf Entzündung, Bakterienwachstum und Fibroblasten-Proliferation wirken soll.

Wann ist eine Narbe zu alt für Veränderungen?

Bei älteren, verhärteten Narben kann versucht werden, die Wirkung von Narbenspezifika beispielsweise durch Okklusion oder Ultraschall zu steigern. Nach allgemeiner Meinung gilt eine Narbe als reif, wenn sie älter als zwei Jahre ist. Nach dieser Zeit ist der Umstrukturierungsprozess weitgehend abgeschlossen und zumindest eine Behandlung mit Narbengelen führt meist zu keiner Veränderung mehr. Nast sieht das weniger absolut: „Das ist so global nicht für alle Narbenarten zu beantworten, aber in der Regel können auch sehr alte Narben noch gebessert werden.“

Ein Hautarzt kann noch viel mehr tun

Ist das Ergebnis nach dieser Behandlung nicht zufriedenstellend, stehen weitere Möglichkeiten offen, die jedoch allesamt in ärztliche Hände gehören. Die Leitlinie weist darauf hin, dass es keine Methode für alle gibt, sondern oft eine Kombination verschiedener Behandlungsstrategien nötig ist. „Die wichtigsten Behandlungsoptionen bleiben: Die Injektion von Triamcinolon in Kristallsuspension und die Kryotherapie“, fasst Nast zusammen.

Glucocorticosteroide reduzieren das exzessive Narbenwachstum durch Verminderung der Kollagen-Synthese sowie Reduktion der Glukosaminoglykan-Synthese und hemmen die Fibroblasten-Proliferation. Bei der Kryochirurgie wird das Narbengewebe mit flüssigem Stickstoff vereist. Infrage kommt auch eine Druckbehandlung, die eine Verminderung der kapillaren Perfusion, eine Beschleunigung der Kollagen-Reifung und dadurch eine Abflachung der Narbe bewirken soll. Des Weiteren erhalten Laserbehandlung, Microneedling und die Anwendung ionisierender Strahlung Zuspruch in der Leitlinie.

Vor einem chirurgischen Eingriff wird indes gewarnt, da insbesondere Keloide zu Rezidiven neigen, die häufig deutlich größer sind als die ursprüngliche Läsion. Ausdrücklich und zeitnah empfohlen wird dagegen eine OP bei Narbenkontrakturen an Gelenken oder in mobilen Regionen mit Funktionseinschränkungen sowie bei Narben mit kosmetischer Entstellung. Die Therapieoptionen Hyaluronidase, Calciumkanalblocker und Plasmamedizin werden in der Leitlinie zwar erwähnt, jedoch reichen die Daten und Erfahrungen für eine Empfehlung bisher nicht aus.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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