Eine Kolumne von #DerApotheker

Danke Spahn!

22.06.2021, 17:49 Uhr

Wirklich nur drei Minuten Arbeit für den Impfnachweis? #DerApotheker hat andere Erfahrungen gemacht. (x / Foto: IMAGO / Ralph Peters)

Wirklich nur drei Minuten Arbeit für den Impfnachweis? #DerApotheker hat andere Erfahrungen gemacht. (x / Foto: IMAGO / Ralph Peters)


Masken, Tests und jetzt Impfzertifikate – innerhalb von wenigen Monaten wurde den Apotheken im Nachhinein das Honorar für diese Leistungen gekürzt. Das Mitleid der Öffentlichkeit hält sich in Grenzen – zu sehr ist der Mythos der raffgierigen Apothekerschaft, die sich an allem eine goldene Nase verdient, in den Köpfen verankert. In der neuen Folge seiner Kolumne schildert #DerApotheker, was er von der Sache hält.

Zitat #1

„Was wollen Sie? den armen Apothekern das Geschäft ihres Lebens versauen? Die teuren Masken waren anscheinend nicht gut genug. Jetzt für 3 Min Arbeit 18 Euro.“

Zitat #2

„Seit Corona sind für mich die Apotheken nur noch eine schändliche Räuberhöhle, wo man die gierigen Klauen offen hält, um fett abzukassieren. Mir hat man dort Anfang Oktober gefälschte FFP2 Masken verkauft. Dieses Verbrechen werden ich den Betrügern niemals vergessen & vergeben.“

So in etwa war die Stimmung auf Social Media kurz bevor die Aktion mit der Digitalisierung der Impfzertifikate losging. Jens Spahn bezahlt uns 18 Euro für die Digitalisierung der Erstimpfung, 6 Euro für die Zweitimpfung und macht uns damit mal wieder zum Feindbild.

#DerApotheker auf DAZ.online

#DerApotheker teilt via Twitter, Instagram, Facebook und Publikum mit zehntausenden Followern Geschichten aus der Apotheke, nützliche Infos über Arzneimittel und klärt zur Pseudomedizin auf. Darüber hinaus ist er Autor des Buchs „Die Wahrheit über unsere Medikamente“, das im April 2021 veröffentlicht wurde. Seit kurzem macht er auch mit einer regelmäßigen Kolumne auf DAZ.online auf sich aufmerksam. 

Schließlich sind wir in den Apotheken ja die Gewinner der Pandemie, haben wir uns doch schon mit den Masken eine goldene Nase verdient.

Jetzt sollen wir also schon wieder viel Geld in den Rachen geworfen bekommen – dieses Mal für so wenig Arbeit. Was fällt uns bloß ein?

Der ein oder die andere erwartete dann von mir, dass ich mich dafür rechtfertige.

Aber ganz ehrlich: Was sollte ich dazu sagen? Ich hatte keine Ahnung, wie es werden wird. Wir wussten ja noch nicht einmal, wie alles ablaufen wird, geschweige denn, ob die Summe gerechtfertigt ist oder nicht. Wie sollte ich das also beurteilen? Ich erinnerte mich aber sehr wohl an den ganzen unmenschlichen Stress, den wir hatten, als das Maskenchaos anfing und Menschen, die eigentlich zu Hause bleiben sollten, in die Apotheken stürmten. Ich sah das damals auch ein bisschen als Schmerzensgeld an, auch wenn ich als Angestellter nichts davon hatte. Kann vielleicht nicht jeder nachvollziehen.

 „Ausgerechnet jetzt kommt nun also noch das Erstellen der Zertifikate hinzu“

Natürlich kam auch immer wieder das Argument auf, dass auch andere Berufe enorm viel Stress hatten (wenn nicht noch mehr) und eben viel weniger Anerkennung dafür bekamen. Hashtag Lavendel.

Daran besteht auch kein Zweifel, macht den Stress für uns aber nicht gerade erträglicher.

Ausgerechnet jetzt, wo man in den Apotheken ständig mit Impfstoffen beschäftigt ist und immer jemand im HV fehlt, kommt nun also noch das Erstellen der Zertifikate hinzu. Okay. Toll. Freut mich.

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Eine Kolumne von #DerApotheker

Das hat mir noch nie jemand gesagt!

Als es dann losging, haben wir versucht, die Leute nicht allzu lange warten zu lassen, was nicht wirklich geklappt hat. Es waren einfach zu viele Menschen, die ihre Impfpässe digitalisiert haben wollten. Nebenbei musste natürlich noch der Regelbetrieb stattfinden, was auch nicht so leicht umzusetzen war. Ich bin da nicht multitaskingfähig. Entweder ich stelle ein Zertifikat aus oder ich berate einen Kunden zu seinem Arzneimittel. Beides geht nicht. Das führte natürlich dazu, dass jede:r etwas länger als sonst warten musste und einige dann auch einfach gingen, weil es ihnen zu lange dauerte.

Am zweiten Tag war die Webseite dann so dermaßen überlastet, dass gar nichts mehr ging. Wir konnten den Kunden nur versprechen, alles so schnell wie irgendwie möglich zu erledigen und nahmen daher alles zum nächsten Tag an, in der Hoffnung, dass die Seite bald wieder funktionieren würde und man die Daten wieder in die Maske eintragen könnte. Der Stress ging nun richtig los.

Und was ist, wenn sie ihren Impfausweis benötigen und ihn nicht hierlassen können? Einfach kopieren? Was ist mit dem Datenschutz? Und was wäre, wenn wir den Impfausweis kopieren, ihnen das Original wieder mitgeben und sie sich ihre Digitalisierung in einer anderen Apotheke holen würden, weil es dort vielleicht schneller als bei uns geht, da sie keine Monsterstapel abzuarbeiten haben, so wie wir?

Und was ist eigentlich mit denen, die die Krankheit durchgemacht haben und sechs Monate später eine Impfung als Boosterung bekommen? Eigentlich müsste die erste und einzige Impfung als Zweitimpfung eingetragen werden, damit der Impfschutz in der App als „vollständig” angezeigt wird. Geht also nicht. Noch nicht.

„Soviel also dazu, dass alles in 3 Minuten zu erledigen wäre“

Das gleiche Problem besteht theoretisch auch bei Kreuzimpfungen. Erst fand die Erstimpfung mit AstraZeneca statt und im Anschluss die Erstimpfung mit Biontech, die dann aber als Zweitimpfung eingetragen werden müsste.

Na ja. Es ist mal wieder alles nicht wirklich ausgereift. Da man aber so schnell wie möglich damit starten wollte und gerade jeder auf dem Zahnfleisch geht, wird einfach mit Scheinen vor unserer goldenen Nase herumgewedelt. Genauso übrigens auch vor den Nasen der Ärztinnen und Ärzte, die ebenfalls 18 Euro dafür bekommen, wenn die Person nicht in ihrer Praxis geimpft wurde. Aber das ist natürlich was anderes. Zumindest scheint es niemanden aufzuregen.

Eine Kolumne von #DerApotheker

Warum muss immer alles so kompliziert sein?

Aber auch wenn die Webseite nicht überlastet ist, sind 3 Minuten pro Zertifikat nicht gerade realistisch. Einige ältere Menschen baten uns dann auch gleich um Hilfe, den Code in ihr Smartphone zu übertragen, als wir ihnen ihre Zertifikate überreichten.

Eine ältere Frau meinte zu mir, dass sich eigentlich immer ihr Sohn um so etwas kümmern würde, da der aber momentan nicht da wäre, wäre es nett, wenn ich das übernehmen könnte. Sie hätte auch die Corona-Warn-App auf ihrem Smartphone. Okay, kein Problem, dachte ich mir, geht ja schnell.

Tja, in der Theorie vielleicht. Ihre Version der Corona-Warn-App bot nämlich keine Möglichkeit das Impfzertifikat einzuscannen. Der Versuch die App upzudaten scheiterte ebenfalls, ein Update war gar nicht erst möglich. Das lag vermutlich daran, dass ihre Androidversion nicht auf dem neuesten Stand war, weshalb die aktuellste Version der App gar nicht erst heruntergeladen werden konnte. Statt das Betriebssystem mit ihren mobilen Daten zu aktualisieren einigten wir uns darauf den CovPass herunterzuladen. Damit funktionierte es dann.

Soviel also dazu, dass alles in 3 Minuten zu erledigen wäre. Manchmal dauert es einfach etwas länger und die Kunden, die keine Lust haben zu warten und deshalb die Apotheke verlassen, darf man eben auch nicht vergessen.

Sind die 18 Euro nun gerechtfertigt? Schwierig zu beantworten. 5 Euro wären definitiv zu wenig gewesen. Dafür hätte keine Apotheke den Stress auf sich genommen. 10 Euro? 15 Euro? Schon eher. Man darf auch nicht vergessen, dass wir die Daten nicht bloß übertragen, sondern auch – so gut es eben geht – sicherstellen müssen, dass keine Fälschung vorliegt. Was nicht immer so einfach ist ...

Dass die 18 Euro nur ein Lockangebot waren, hat Jens Spahn ja nun am dritten Tag der Aktion deutlich gemacht, in dem er verkündete, dass wir ab dem 1. Juli nur noch 6 Euro pro Zertifikat bekommen werden.

Dass uns das nicht wirklich gefällt, dürfte niemanden überraschen.

Danke Spahn!



#DerApotheker
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Leider vergessen auch Apotheker ständig die Umsatzsteuer

von Andreas Grünebaum am 22.06.2021 um 21:56 Uhr

Nein, wir bekommen im Gegensatz zu den Ärzten keine 18 Euro Netto, sondern nach Abzug der Mehrwertsteuer lediglich 15 Euro und 12 Cent. Ab nächsten Monat sind es dann 5 Euro und 4 Cent - weniger als für die Abgabe eine Packung L-Thyroxin nach Abzug des Kassenrabattes!

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