Curevac: 47 Prozent Wirksamkeit

Liegt es am Impfstoff oder den Varianten?

Stuttgart - 24.06.2021, 07:00 Uhr

Was ist schuld an der schlechten Impfwirksamkeit von CVnCoV? Liegt es an den Varianten oder doch eher an der unmodifizierten mRNA oder der Dosierung? (Foto: IMAGO / Sven Simon)

Was ist schuld an der schlechten Impfwirksamkeit von CVnCoV? Liegt es an den Varianten oder doch eher an der unmodifizierten mRNA oder der Dosierung? (Foto: IMAGO / Sven Simon)


Wer ist schuld am Impfstoffdebakel von Curevac? Liegt es an den zahlreichen Varianten oder doch eher am Impfstoffdesign – der nichtmodifizierten mRNA – oder gar der Dosierung? Ein Beitrag in „Science“ lässt Wissenschaftler dazu zu Wort kommen.

Curevac betont gerne, dass vor allem die mittlerweile zirkulierenden Virusvarianten dafür verantwortlich zeichnen, dass der Tübinger Impfstoffkandidat CVnCoV in der zulassungsrelevanten Studie HERALD (siehe Box) einer vorläufigen Datenauswertung zufolge nur zu 47 Prozent wirksam war. Allerdings könnte auch das Design des Impfstoffs selbst dahinter stecken – diese Vermutung äußern Wissenschaftler in einem Artikel im Fachjournal „Science“.

Mehr zum Thema

So bezweifelt Professor Kathleen Neuzil von der University School of Medicine, dass an der schlechten Wirksamkeit die Varianten schuld sind – denn im Gegensatz zu Curevacs CVnCoV wirkten die beiden mRNA-Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna „sehr gut gegen die Alpha-Variante“. Die Alpha-Variante wurde erstmals in Großbritannien isoliert, zählt zu den sogenannten besorgniserregenden Varianten (VOC, Variants of Concern) und dominiert derzeit noch das Infektionsgeschehen in Deutschland. Die Wissenschaftlerin räumt zwar ein, dass es schwierig sei, verschiedene Studien direkt miteinander zu vergleichen, doch sei es für sie nur schwer vorstellbar, dass die Varianten einen derartigen Einfluss auf die Impfwirksamkeit hätten. Bei anderen Impfstoffen hat sich bislang gezeigt, dass sie trotz der Varianten weiterhin Todesfälle verhinderten, auch wenn der Schutz gegen leichte Erkrankungen schwächer sei. Als schwierig erweist sich dem Beitrag in „Science“ zufolge vor allem die Beta-Variante, die erstmals in Südafrika entdeckt wurde, die aber in der Curevac-Studie nicht gefunden wurde.

Novavax-Wirksamkeit: 90 Prozent - trotz Varianten

Und in der Tat erstaunt, dass auch Novavax vor kurzem Daten zu seinem Impfstoffkandidaten NVX-coV2373 veröffentlichte und auf eine Wirksamkeit von 90,4 Prozent kam. Die Studie fand ausschließlich in den Vereinigten Staaten statt, eingeschlossen waren knapp 30.000 Teilnehmer.

Details zur HERALD-Studie

Die Studie lief mit etwa 40.000 Teilnehmen in zehn Ländern Europas  und Lateinamerikas, wobei 25 Prozent der Studienpopulation in Europa rekrutiert wurden, 75 Prozent in Lateinamerika. Die meisten Probanden (35.000) waren zwischen 18 und 60 Jahre alt, 5.000 Studienteilnehmer waren älter als 60 Jahre (Durchschnittsalter 43 Jahre). Geimpft wurde mit zwei Dosen à 12 µg des mRNA-Impfstoffs CVnCoV von Curevac und das im Abstand von 28 Tagen. Primärer Endpunkt war die Anzahl der Teilnehmer mit PCR-bestätigtem COVID-19 jeglicher Schwere zwischen Tag 1 und 393. Von den in der Studie aufgetretenen COVID-19-Fällen untersuchte Curevac insgesamt 134 (48 in Europa, 86 in Lateinamerika), wobei 119 jüngere Teilnehmer (18 bis 60 Jahre) und 15 Über-60-Jährige erkrankten. Wie viele Teilnehmer in der Placebo- und in der Impfstoffgruppe erkrankten, veröffentlichte Curevac nicht, doch anhand der 47-prozentigen Wirksamkeit bei 134 Fällen, kann man „zurückrechnen“ und kommt man auf etwa 88 Fälle in der Placebogruppe und entsprechend 46 Fälle in der CVnCoV-Gruppe.

Die Varianten in der Studie

Von 124 Coronapatienten sequenzierte Curevac das ursächliche SARS-CoV-2-Virus und wertete die Daten aus. Insgesamt sequenziert wurden laut Curevac jedoch 474 Fälle.
In Europa (44 sequenzierte Fälle) dominierte mit 91 Prozent mit Abstand die Alpha-Variante, die erstmals in Großbritannien entdeckt wurde. Am zweithäufigsten lag die Gamma-Variante vor, diese wurde erstmals in Brasilien nachgewiesen. Mit je 2 Prozent zeichnete die Delta-Variante (Indien) und nicht näher definierte „andere“ Varianten für die SARS-CoV-2-Infektionen verantwortlich.
In Lateinamerika (80 sequenzierte und ausgewertete Fälle) zeichnet sich ein anderes Bild: 33 Prozent Lambda-Variante (C.37, Peru), 22 Prozent Gamma-Variante, 14 Prozent die britische Alpha-Variante, 11 Prozent die Variante B.1.612 aus Kolumbien, 1 Prozent das Wildtypvirus und in 19 Prozent der Fälle nicht näher spezifizierte „andere“ SARS-CoV-2-Varianten.     

War die nicht modifizierte mRNA schuld?

Bislang fehlen Daten von CVnCoV, wie häufig nach Impfung leichte, mittelschwere oder schwere COVID-19-Fälle auftraten. Allerdings betonte Curevac in einer Pressekonferenz, dass als leicht erkrankt bereits galt, wer zusätzlich zu einem positiven PCR-Test ein Symptom entwickelte. In der Studie von Moderna galt als COVID-19-Fall (unabhängig von der Schwere) wer mindestens zwei Symptome entwickelte.

Die WHO definiert einen COVID-19-Fall sogar unabhängig vom Vorliegen klinischer Anzeichen oder Symptomen, sondern wenn ein positiver Labortest eine Infektion nachgewiesen hat. Damit werden auch asymptomatische Fälle erfasst.

Unmodifizierte mRNA, Interferone und Antikörper

Professor John Moore, ein Immunologe des Weill Cornell Medical College, hält es für plausibel, dass der Impfstoff von Curevac „einfach nicht immunogen“ genug ist. Laut „Science“ fällt die Analyse neutralisierender Antikörper in sein Spezialgebiet. So hätten bereits frühe Phase-1-Studien gezeigt, dass die Serumtiter an neutralisierenden Antikörpern nach einer CVnCoV-Impfung verglichen mit den Titern nach einer natürlichen Infektion relativ niedrig waren, liest man in „Science“. Allerdings hatte Curevac am 10. November Interimsdaten der Phase-1-Studie mitgeteilt: „Die Qualität der Immunantwort entspricht der bei genesenen COVID-19-Patienten beobachteten Immunantwort und ist vergleichbar mit einer natürlichen COVID-19-Ansteckung“, hieß es damals.

Mehr zum Thema

Impfstoff gegen COVID-19 (CVnCoV)

Erfolg beim Corona-Impfstoff von Curevac

Professor Drew Weissman von der University of Pennsylvania`s Perelman School of Medicine vermutet, dass das Impfstoffdesign von CVnCoV die Bildung von Antikörpern untergraben könnte: Curevac setzt bei CVnCoV auf eine unmodifizierte mRNA, die naturgemäß sehr immunogen ist und über die Bildung von Interferonen und anderen Signalmolekülen das Immunsystem stimuliert – klingt erstmal nach einer erwünschten Reaktion, allerdings könnten Interferon die Bildung von T-Helferzellen blockieren, die wiederum B-Zellen zur Antikörperproduktion anregen. Der Wissenschaftler hat selbst bereits an mRNA geforscht und konnte zeigen, dass Uracil-modifizierte mRNA in Tiermodellen eine starke Immunantwort und neutralisierende Antikörper provozierten. Er verweist zudem auf eine Biontech-Studie (Biontech und Moderna nutzen für ihre COVID-19-Impfstoffe chemisch modifizierte mRNA und setzen statt Uracil Pseudo-Uracil ein).

War die Dosierung zu gering?

Vergleicht man die bei Biontech, Moderna und Curevac eingesetzten Dosierungen, könnte man eine weitere Vermutung aufstellen: Biontech setzt 30 µg mRNA pro Impfdosis ein, Moderna 100 µg und Curevac 12 µg. Lag es vielleicht an der zu geringen mRNA-Dosis? Diese zusätzliche Überlegung stellt Professor Peter Kremsner vom Universitätsklinikum Tübingen, der die Curevac-Studie mitbetreute, an: „Ich bin mir nicht sicher, was es letztendlich war, natürliches Uracil oder nur die Dosis oder beides", sagt er. Kremsner half bei der Durchführung der Phase-1-Studie von Curevac, in der die Sicherheit und die durch Dosen zwischen 2 und 20 µg erzeugten Immunantworten verglichen wurden. Man entschied sich bei Curevac letztlich für 12 µg, wohl eine Dosis, die eine Antikörperproduktion mit einer noch guten Verträglichkeit vereinte.

Ob die Dosierung tatsächlich eine so eminent wichtige Rolle spielt oder nicht doch das Impfstoffdesign bedeutender ist, mag fragen, wer weiß, dass Curevac derzeit  auch schon den Next-Generation-Impfstoffkandidaten CV2CoV prüft – mit 12 µg wieder und weiterhin mit nicht chemisch modifizierter mRNA. Erste präklinische Daten stimmen zuversichtlich: CV2CoV produziert zehnfach mehr neutralisierende Antikörper als CVnCoV.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Die richtigen Mutanten ansehen zum Vergleich!

von Kurt Heintz am 24.06.2021 um 11:31 Uhr

Gegen Mutation B ist AstraZeneca z.B. praktisch wirkungslos mit knapp 10% Wirksamkeit.
Deshalb wurde die erst gar nicht in Südafrka verimpft.
Bei Biontech BTN162b2 ist die Wirksamkeit bei Beta ums 6,8 fache reduziert.
https://www.cell.com/cell-host-microbe/fulltext/S1931-3128(21)00136-0?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS1931312821001360%3Fshowall%3Dtrue

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.