Bundesrat billigt Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Neues Gesetz soll Menschenrechte in den Lieferketten stärken

Remagen - 25.06.2021, 16:45 Uhr

Chemie und Pharma gelten in Sachen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette bereits als „vergleichsweise fortgeschritten“. In der Textilbranche liegt dagegen einiges im Argen.  (c / Foto: IMAGO / Joerg Boethling)

Chemie und Pharma gelten in Sachen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette bereits als „vergleichsweise fortgeschritten“. In der Textilbranche liegt dagegen einiges im Argen.  (c / Foto: IMAGO / Joerg Boethling)


Der Bundesrat hat heute dem neuen Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten zugestimmt. Mit dem Gesetz sollen in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe dazu verpflichtet werden, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte besser nachzukommen.

Die Bundesregierung will die Menschenrechte und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser schützen. Am 3. März hatte sie hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Am 11. Juni 2021 hatte der Bundestag dem überarbeiteten Entwurf zugestimmt, und heute hat der Bundesrat das „Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) gebilligt. Es kann jetzt dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Das Gesetz wird zu großen Teilen am 1. Januar 2023 in Kraft treten, einzelne Vorschriften bereits am Tag nach der Verkündung.

Freiwillige Selbstverpflichtung reichte nicht

Der Grundstein für das Lieferkettengesetz war bereits in den letzten Jahren gelegt worden. Im Jahr 2016 startete die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), um zusammen mit den Unternehmen zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen. Von 2018 bis Mitte 2020 wurde dann über das NAP-Monitoring geprüft, wie die deutschen Unternehmen die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in ihren Prozessen umsetzen. Hiernach reichte die freiwillige Selbstverpflichtung offenbar nicht aus. Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung für diesen Fall vereinbart, national gesetzlich tätig zu werden und sich gleichzeitig auf europäischer Ebene für verbindliche Regeln einzusetzen, um dem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen.

Umweltrisiken ebenfalls bedingt erfasst

Das neue Gesetz gilt ab 2023 zunächst für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland und ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten im Inland. Auch Risiken für die Umwelt werden von den Sorgfaltspflichten abgedeckt, sofern sie zu Menschenrechtsverletzungen führen (z. B. vergiftetes Wasser), und wenn es darum geht, gefährliche Stoffe für Mensch und Umwelt (wie z. B. Quecksilber) zu verbieten. Um Risiken zu erkennen, müssen die Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette ein angemessenes Risikomanagement einführen und wirksam umsetzen. Sie müssen eine Risikoanalyse durchführen und sofern erforderlich Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen. Dies können zum Beispiel entsprechende vertragliche Menschenrechtklauseln Zulieferern sein. 

Abgestuft nach dem Grad der Einflussmöglichkeit

Mit „Lieferkette“ ist der gesamte Weg eines Produktes von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung und Verarbeitung bis zur Lieferung des Produktes an die Endkunden gemeint, wobei sie Verpflichtung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft ist. Für mittelbare Zulieferer gelten die Sorgfaltspflichten nur dann, wenn einem Unternehmen bekannt wird oder tatsächliche Anhaltspunkte für etwaige Risiken vorliegen. Diese können zum Beispiel auf Hinweisen von Behörden oder Berichten über eine schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion beruhen. Auch die Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen Risiken kann ein solcher Anhaltspunkt sein.

Bemühen, aber keine Erfolgspflicht

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll aber auch abstecken, wo die Grenzen für die Handlungspflicht der Unternehmen liegen. Es begründet lediglich eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht. Die Unternehmen sollen ihre Sorgfaltspflichten erfüllt haben, auch wenn sie eine gesamte Lieferkette nicht komplett nachverfolgen oder bestimmte Präventions- oder Abhilfemaßnahmen nicht vornehmen konnten, weil dies tatsächlich oder rechtlich unmöglich gewesen wäre.  

Außerdem sollen Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus zivilrechtlich haftbar gemacht werden können. Als Kontrollbehörde für die Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingesetzt. Sie kann bei Verstößen geeignete Buß- und Zwangsgelder verhängen. 

Europäische Richtlinie wird ebenfalls kommen

Parallel dazu wird das Anliegen auch auf europäischer Ebene vorangetrieben. Am 10. März 2021 hat das Europäische Parlament einen Entschließungsantrag für eine europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflichten und Rechenschaftspflicht von Unternehmen angenommen, der deutlich über die Anforderungen des deutschen Sorgfaltspflichtengesetzes (Stand März 2021) hinausgeht. Die EU-Kommission soll noch in diesem Jahr einen Vorschlag für die entsprechende Richtlinie vorlegen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll nachher an eine künftige europäische Regelung angepasst werden. 

Chemie und Pharma schon sehr aktiv

In seiner Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf des Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetzes vom 4. Mai 2021 hatte der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hervorgehoben, dass viele Unternehmen zur Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) internationale Codes of Conduct und Lieferantenverträge besäßen, in denen sie sich und ihre Partner zur Achtung von Menschenrechten verpflichten. Außerdem gebe es zahlreiche nationale und supranationale Brancheninitiativen mit Blick auf nachhaltiges Lieferkettenmanagement und verantwortungsvolle Beschaffung, in denen deutsche Unternehmen aktiv seien.  

Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom Sommer letzten Jahres, die die menschenrechtliche Risiken entlang ganzer Wertschöpfungsketten in elf so genannten „Fokusbranchen“ analysiert hat, bezeichnet Chemie und Pharma wegen dieser branchenweiten Aktivitäten bereits als „vergleichsweise fortgeschritten“.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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