Wer erklärt das E-Rezept?

Kassen-Vorstand: Gematik ist naiv

Berlin - 06.07.2021, 16:30 Uhr

SBK-Chef Hans Unterhuber ist vom Hotline-Konzept der Gematik zum E-Rezept nicht überzeugt. (c / Screenshot: https://scanacs.de/e-rezept-welcome-party)

SBK-Chef Hans Unterhuber ist vom Hotline-Konzept der Gematik zum E-Rezept nicht überzeugt. (c / Screenshot: https://scanacs.de/e-rezept-welcome-party)


Das E-Rezept kommt – langsam, aber sicher. Und die Einführung der elektronischen Verordnungen wird mit viel Aufklärungsarbeit einhergehen müssen. Dass die Gematik dies mithilfe ihrer geplanten E-Rezept-Hotline selbst bewältigen können wird, bezweifelt der Vorstandsvorsitzende der SBK, Hans Unterhuber. Aus seiner Sicht wird es nur mithilfe der Apotheken und Krankenkassen gelingen, den Versicherten das E-Rezept nahezubringen.

Wer erklärt den Menschen die schöne neue E-Rezept-Welt? Die Gematik mit ihrer eigens dafür eingerichteten Hotline wird es nicht sein, meint Kassenchef Hans Unterhuber. Bei der E-Rezept Welcome Party der Firma Scanacs sagte der Vorstandsvorsitzende der SBK am heutigen Dienstag, wenn die elektronischen Verordnungen und mit ihnen die Gematik-App in der breiten Bevölkerung ankommen, werden die Menschen zunächst viele Fragen haben. Auch kleine Hindernisse etwa bei der Nutzung der App könnten Probleme bereiten. Doch so gut sich Apotheken und Kassen auch auf den Start vorbereitet hätten – viele Fragen werden sie seiner Einschätzung nach nicht beantworten können, weil sie nicht an der Entwicklung der App beteiligt seien.

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Allerdings wird aus Unterhubers Sicht auch die geplante E-Rezept-Hotline, die die Deutsche Telekom im Auftrag der Gematik betreiben soll, hier nicht wesentlich weiterhelfen können. „Die Gematik geht da naiv ran“, kritisierte der Kassenvorstand. Wenn das Angebot tatsächlich eine gewisse Breitenwirkung entfalten würde, käme der Support sicher nicht hinterher. Stattdessen sollte das Gremium verstärkt auf die Unterstützung durch die Offizinen und Kostenträger setzen. „Es geht nur mit Apotheken und Krankenkassen.“

Dem schloss sich auch die Apothekerin und Apomondo-Gründerin Margit Schlenk an. „Wir kennen die Menschen und können sie mit einem gewissen Vertrauensvorschuss abholen“, erklärte sie. Natürlich sollte dieser Service gegebenenfalls auch vergütet werden, denn „es ist ja schließlich unsere Zeit“. Diese Vergütung, so Schlenk, dürfe jedoch keinesfalls nach einer Woche wieder gekürzt werden, wie es die Apotheker:innen jüngst zum Beispiel beim Ausstellen der Impfzertifikate und der Durchführung von Bürgertests auf SARS-CoV-2 erlebt haben. „Das würde keine Apotheke mehr mitmachen.“

Es braucht mehr als Gesetze und Geräte

Marcel Weigand von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) merkte an, auch viele Ärztinnen und Ärzte seien bisher relativ schlecht über die Neuerungen aufgeklärt. Er forderte auch für die Leistungserbringer Unterstützung. Das Gelingen des Projekts E-Rezept „kann man nicht der Digitalaffinität des einzelnen Arztes überlassen“, warnte er. Es brauche gezielte Schulungsangebote. „Gesetze machen und Geräte hinstellen reicht nicht aus.“ Bisher fehle diesbezüglich ein passendes Aufklärungskonzept.

Einig waren sich Weigand und Unterhuber auch, dass die digitalen Anwendungen für die Versicherten stärker gebündelt werden sollten als bisher. E-Rezept, digitale Patientenakte, die Angaben auf der elektronischen Gesundheitskarte und andere sollten Weigand zufolge in einer einzigen App zusammengeführt werden. Nur so sei eine gewisse Übersichtlichkeit für die Nutzer gewährleistet. „Oder sollen sich die Leute in Zukunft 20 verschiedene Apps dafür runterladen?“, fragte Unterhuber.

Gesetzgeber ist in der Verantwortung

Kritik äußerte der Kassenchef auch an den rechtlichen Unsicherheiten, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens entstünden und die der Gesetzgeber versuche, wegzudelegieren. Vor allem in Sachen Datenschutz gebe es diverse unterschiedliche Interpretationen der verschiedenen Behörden, was erlaubt sei und was nicht. Namentlich nannte er das Bundesinstitut für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und den Bundesdatenschutzbeauftragten. „Das ist ein Skandal bei solch einem Projekt“, sagte Unterhuber. Die Situation müsse nun von der Politik aufgelöst werden. Denn: „Die breite Anwendung wird scheitern, wenn haftungsrechtliche Fragen offen bleiben.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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