Reisen mit dem Grünen Zertifikat

Was bringt der digitale COVID-19 Impfnachweis?

Marseille - 09.07.2021, 17:30 Uhr

Der in deutschen Apotheken ausgestellte digitale Nachweis einer Impfung gilt gleichzeitig als Grünes Zertifikat im Sinne der EU. (Foto: IMAGO / Sven Simon)

Der in deutschen Apotheken ausgestellte digitale Nachweis einer Impfung gilt gleichzeitig als Grünes Zertifikat im Sinne der EU. (Foto: IMAGO / Sven Simon)


Bereits seit knapp vier Wochen können sich gegen COVID-19 Geimpfte in der Apotheke nachträglich den digitalen Impfnachweis ausstellen lassen. Nun wurde zum 1. Juli das COVID-19-Zertifikat der EU eingeführt, das bei Reisen genutzt werden soll. Was genau ist der Unterschied und welchen Vorteil bietet der elektronische Nachweis?

„Bekomme ich bei Ihnen auch das Grüne Zertifikat?“ Mit dieser Frage sind die Mitarbeitenden in den Apotheken derzeit öfters konfrontiert. Immerhin stellen sie ja auch den deutschen digitalen Impfnachweis aus. Doch tatsächlich gilt der in den Apotheken ausgestellte digitale Nachweis einer Impfung gleichzeitig als EU-Zertifikat. Eine erneute Ausstellung beziehungsweise eine Übertragung in ein anderes System oder eine bestimmte App ist daher nicht nötig.

Das EU-Zertifikat (ursprünglich auch „Grünes Zertifikat“ genannt) existiert genau genommen nur symbolisch: Es ist der Überbegriff für digitale Impfnachweise mit  QR-Code, die in einem der Mitgliedsstaaten ausgestellt wurden und in allen anderen Ländern der Europäischen Union anerkannt sind. Alle EU-Staaten händigen vollständig Geimpften, aber auch Genesenen und negativ Getesteten inzwischen solche Nachweise aus. Brüssel hat lediglich die technischen Möglichkeiten dafür geschaffen, dass die Gültigkeit der Zertifikate innerhalb der gesamten EU überprüft werden kann.

Speichern und vorzeigen können deutsche Urlauber ihre digitalen Nachweise auch im Ausland mithilfe der CovPass-App oder in der Corona-WarnApp. Bescheinigungen über Impfung, Genesung oder ein negatives Testergebnis müssen aber gar nicht zwangsläufig in einer App gespeichert werden. Sie können EU-weit auch gesondert als digitales Dokument und sogar in Papierform vorgelegt werden: Solange sie einen QR-Code enthalten, werden sie überall anerkannt. Eine Immunisierung kann zudem auch weiterhin mit dem gelben Impfpass belegt werden.

Das EU-Zertifikat soll durch die QR-Codes besonders fälschungssicher sein. Für die Reisenden selbst bietet das neue System bislang aber keinen direkten Vorteil. So waren Testergebnisse in englischer Sprache auch zuvor schon in sämtlichen EU-Ländern anerkannt worden.

QR-Code ist keine Garantie für unbeschränktes Reisen

Ursprünglich war zwar geplant, dass für Inhaber eines digitalen Covid-19-Zertifikats innerhalb der EU keine weiteren Beschränkungen beim Reisen gelten sollen. Dieses Vorhaben des EU-Parlaments hatten die Mitgliedstaaten aber nicht akzeptiert. Sie hatten darauf bestanden, auch für nachweislich Geimpfte, Genesene und negativ Getestete weiterhin Maßnahmen verhängen zu können. In den FAQ der EU zum europäischen COVID-19-Zertifikat heißt es nun zwar, auf Reisen solle man mit einem digitalen COVID-19-Zertifikat der EU „grundsätzlich von Freizügigkeitsbeschränkungen ausgenommen sein”. Die Mitgliedstaaten sollten „davon absehen, Inhaber von digitalen COVID-Zertifikaten der EU mit zusätzlichen Reisebeschränkungen zu belegen”. Dann allerdings folgt der Zusatz: „... es sei denn, diese sind zum Schutz der öffentlichen Gesundheit notwendig und verhältnismäßig”.

Auch geimpfte Portugal-Rückkehrer müssen in Quarantäne

Deutschland machte dabei als erstes EU-Land umgehend von der Ausnahme-Klausel Gebrauch. So hatte die Bundesregierung das EU-Land Portugal Anfang des Monats als Virusvariantengebiet eingestuft, weil die neue Delta-Variante des Coronavirus dort bereits stärker als hierzulande verbreitet war. Für deutsche Reiserückkehrer aus Portugal bedeutete das: Sie waren zu 14 Tagen Quarantäne verpflichtet. Und zwar selbst dann, wenn sie geimpft, genesen oder negativ getestet worden waren und das mit dem EU-Zertifikat nachweisen konnten.

Kritik der EU an deutschem Alleingang

Für andere EU-Bürger galten sogar Beförderungsverbote. Airlines war es nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt, sie aus Portugal nach Deutschland einzufliegen. Ob jemand Inhaber eines gültigen EU-Zertifikats war, spielte dabei keine Rolle. Für ihren Alleingang wurde die Bundesregierung von der EU-Kommission kritisiert – schließlich stellte dieser denn Sinn des europäischen Zertifikats gleich nach dessen Einführung in Frage.

Eine Woche später wurde die Einstufung Portugals als Virusvariantengebiet dann zurückgenommen, die Deltavariante machte in Deutschland ohnehin schon fast die Hälfte der neuen Fälle aus. Portugal gilt nun als Hochinzidenzgebiet. Das bedeutet, dass zwar Geimpfte und Genesene nach der Rückkehr nicht in Quarantäne müssen, Ungeimpfte aber schon und zwar für mindestens fünf Tage – auch dann, wenn sie einen negativen Test mit QR-Code vorlegen können. 

Der Flickenteppich bleibt

Genau wie Deutschland können andere EU-Mitgliedsländer solche Sonderregeln aufstellen. Trotz EU-Zertifikat ist daher auch künftig mit einem Flickenteppich von Vorschriften und Beschränkungen für Reisende zu rechnen, die sich noch dazu schnell ändern können. Sorgen machen müssen sich bald womöglich Spanien-Urlauber. Dort wurde die neue Virusvariante Lambda entdeckt. Wird Spanien von Deutschland offiziell als Virusvariantengebiet eingestuft, müssten deutsche Urlauber entweder kurzfristig abreisen oder nach der Heimreise zwei Wochen Quarantäne aussitzen. Das EU-Zertifikat würde ihnen dabei nichts nützen.

Ebenfalls noch nicht einheitlich geregelt ist, welche Impfstoffe in den EU-Ländern anerkannt werden. Als EU-konform gelten eigentlich nur Impfungen mit einem Vakzin, das in der Europäischen Union zugelassen ist. In Ungarn und der Slowakei wird aber zum Beispiel auch der in Russland entwickelten Impfstoff Sputnik V eingesetzt, der noch keine EU-Zulassung hält. Bei der Einreise nach Griechenland und Zypern werden Impfungen mit Sputnik V akzeptiert, in anderen EU-Ländern aber nicht.

EU nimmt Gespräche mit Russland auf

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, will die EU nun mit Russland Gespräche aufnehmen. Brüssel will Russland offenbar anbieten, digitale Impfnachweise über Impfungen mit Sputnik V gleichwertig zu EU-Zertifikaten anzuerkennen. Im Gegenzug soll wenn Russland digitale EU-Zertifikate akzeptieren, die es bisher noch nicht anerkennt.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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