Neue Vorschriften für Chemikalien seit Januar

Ist Herstellung und Abgabe von Gemischen in kleinen Mengen noch möglich?

13.07.2021, 16:30 Uhr

Die Herstellung von Gemischen als Einzelanforderungen von Kunden ist für die Apotheke sehr aufwendig geworden. (Foto: Kadmy/Adobe.stock)

Die Herstellung von Gemischen als Einzelanforderungen von Kunden ist für die Apotheke sehr aufwendig geworden. (Foto: Kadmy/Adobe.stock)


Seit dem 1. Januar 2021 gelten für die Abgabe von Chemikalien neue Vorschriften. Daraus ergeben sich für neue Melde- und Kennzeichnungspflichten. Da für Apotheken keine Ausnahmen für Kleinstmengen gelten, ist die Herstellung und Abgabe bestimmter Gemische als Einzelanforderungen von Kunden faktisch unmöglich geworden. Der einzig praktikable Weg für die Apotheke besteht derzeit darin, endverbrauchertauglich verpackte und gekennzeichnete Gemische zu beziehen und unverändert abzugeben

Werden in der Apotheke gefährliche Gemische oder gefährliche Biozid-Produkte selbst hergestellt, abgefüllt oder umgefüllt, müssen diese seit 1. Januar 2021 europaweit einheitlich mit einem sogenannten UFI-Code gekennzeichnet werden.

UFI steht für Unique Formula Identifier und ist ein 16-stelliger Code aus Zahlen und Buchstaben, der auf dem Etikett des Gemischs anzubringen ist. Unter dieser Code-Nummer, die die Apotheke auf dem dafür eingerichteten Zentralserver (UFI-Code-Creator) generieren muss, sind dann noch die detaillierten Produktdaten des Gemischs im sogenannten PCN-Format (PCN = Poison Centres Notification) auf den Zentralserver der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) zu laden.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) lädt diese Produktmitteilungen  herunter und stellt diese Informationen den deutschen Gift­informationszentren zur Verfügung. Auf der Basis des UFI-Codes können diese dann schnell und digital auf die Zusammensetzung und das mögliche Gefährdungspotenzial von Gemischen zugreifen, um im Bedarfsfall schnell und zielgenau beraten zu können.

Dies gilt sowohl für die Abgabe an private als auch an gewerbliche Verwender. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist der § 16e Chemikaliengesetz, in Verbindung mit der Giftinformationsverordnung und Anhang VIII der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung).

Lohnt sich nur bei größerem Umfang

Wird also jetzt in einer Apotheke ein bisher noch nicht gemeldetes gefährliches chemisches Gemisch oder ein Biozid-Produkt zum ersten Mal für die Abgabe hergestellt, muss für das Produkt ein UFI-Code erstellt und bei der Mitteilung an die ECHA angegeben werden.  Allerdings ist dies relativ aufwendig .Die Abgabe solcher Meldungen wird damit in der Apothekenpraxis nur zu leisten sein, wenn Gemische in größerem Umfang hergestellt und abgegeben werden sollen. Nur dann stellt sich eine Routine ein, die den Aufwand rechtfertigt.

Die Mitteilungspflicht gilt nicht für:

  •     Reinstoffe,
  •     ausschließlich als explosiv eingestufte Gemische,
  •     ausschließlich als Gase unter Druck eingestufte Gemische,
  •     ausschließlich als umweltgefährlich eingestufte Gemische,
  •     Gemische für die innerbetriebliche Anwendung, z. B. als Prüfreagenz,
  •     die Abgabe von unveränderten Produkten im Originalgefäß,
  •     Medizinprodukte, auch In-vitro-­Diagnostika,
  •     Arzneimittel,
  •     Lebensmittel

Was heißt das für den Apothekenalltag?

Das Gesetz versteht unter Gemischen Lösungen aus mindestens zwei Stoffen, wobei auch das Verdünnungsmittel Wasser als Stoff gilt.

Wässrige Lösungen von Stoffen gelten dann als Reinstoffe, wenn das Lösungsmittel Wasser nicht abgetrennt werden kann, ohne das Gemisch zu zerstören. So gelten z. B. Natrium­hypochlorit-Lösung und Wasserstoffperoxid-Lösung als Reinstoff, Salzsäure- und Natriumhydroxid-Lösungen dagegen als Gemische.

Die Tabelle zeigt an Beispielen, in welchen Fällen die neuen Vorschriften gelten bzw. wo sie nicht greifen.

Abgabe in der Apotheke

Beispiele aus dem Apothekenalltag

Mitteilungspflicht

 

 

 

selbst hergestellte Gemische/Verdünnungen

Ammoniak- Lösungja
Essigsäure ab 10%ja
Ethanol-Wasser-Mischungenja
Isopropanol-Wasser-Mischungenja
Natriumhypochlorit-Lösungnein
Salzsäure-Lösungenja
Wasserstoffperoxid-Lösung (bis 12%)nein
Gemische/Verdünnungen, unverändert abgefüllt in kleinere Gebinde„150 ml“ Salzsäure 36%, abgefüllt aus <1 Liter> Salzsäure 36% Fa. Hedinger <Originalgebinde>

ja

Die UFI des Herstellers darf übernommen werden (Vermerk auf dem Etikett).

Gemische/Verdünnungen im Originalgefäß<1 Liter> Salzsäure 36% Fa. Hedinger <Originalgebinde>nein
Reinstoffe im Originalgefäß250 g Citronensäure-Monohydratnein
Reinstoffe, unverändert abgefüllt in kleinere GebindeAceton, Benzin, Citronensäure, Isopropanolnein
Herstellung/Verdünnung von Gemischen zur rein innerbetrieblichen Anwendung, z. B. als Prüfreagenz oder FließmittelNatronlauge verdünnt, Salpetersäure verdünnt, Silbernitrat-Lösung, Zink­sulfat-Lösungnein
in der Apotheke hergestellte Arzneimittel (Rezeptur, Defektur, Standardzulassungen) nein
Medizinprodukte, In-vitro-Diagnostika nein

Keine Meldepflicht für Arznei- oder Lebensmittel

Bei den selbst hergestellten Gemischen gilt die Meldepflicht nur, wenn sie für technische Zwecke als Gefahrstoffe abgegeben werden sollen. Werden die Produkte als Arzneimittel (z. B. Ethanol 70% V/V als Standardzulassung) oder als Lebensmittel (z. B. Essigsäure-Lösung > 10%) in einer für den Endverbraucher bestimmten und konfektionierten Packung in den Verkehr gebracht, gelten die Vorschriften des Gefahrstoffrechts nicht.

Fazit

Die Herstellung von Gemischen als Einzelanforderungen von Kunden ist damit für die Apotheke faktisch unmöglich geworden, da es auf europäischer Ebene keine Ausnahmen für Kleinstmengen unter der Verantwortung der Approbation eines Apothekers bzw. einer Apothekerin gibt. Der einzig praktikable Weg für die Apotheke besteht somit derzeit nur darin, endverbrauchertauglich verpackte und gekennzeichnete Gemische zu beziehen und unverändert abzugeben. Sollen selbst hergestellte Gemische in größerem Umfang in den Verkehr gebracht werden, so wird eine effiziente Meldung an die ECHA nur über eine spezifische Softwarelösung zu realisieren sein, die die Zusammenstellung der erforderlichen Daten wirksam unterstützt und diese über die schon auf dem Portal vorgesehene Schnittstelle in die ECHA-Datenbank einspeist. 



Pharmazierätin Dr. Angela Schulz
redaktion@daz.online


Apotheker Dr. Holger Herold
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Neue Vorchriften für "gefährliche" Gemische

von Peter Hoffmeister am 14.07.2021 um 14:02 Uhr

War nicht Herr Stoiber in Brüssel um die Bürokratie in Europa zu reduzieren und hat er am Ende nicht gesagt, dass er erfolgreich war?
Es ist erstaunlich und lässt einen die Augen reiben, was unsere wahrscheinlich nach dem nach seinem Verfasser benannten Peter-Prinzip in solche Stellungen gekommenen Bürokraten alles noch als regulierungsbedürftig erscheint.
Dazu passt auch gut die neueste kosten- und sinnlos zu erbringende Arbeit des Auftragens eines Hashcodes auf alle Rezepturabrechnungen
Ich bin auch dafür, diese Leute in einer gemeinsamen Einrichtung zusammenzufassen, wo sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen können, ohne gestört zu werden, sozusagen evaluationsfrei.

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Bürokratenirrsinn geht weiter

von ratatosk am 13.07.2021 um 19:10 Uhr

Wie nicht anders zu erwarten, geht der bürokratische Irrsinn weiter, es gibt in den Ministerien leider keine positive Lernkurve mehr. Kann mir zwar bei Netto 25% Essigessenz kaufen, aber brauche für 15% in der Apotheke eine Trollnummer !? Die Zermürbung des Landes durch durchgeknallte Bürokraten und Politiker geht weiter und weiter. Wahrscheinlich meinen die tatsächlich, daß sie so was für die Umwelt getan haben. Im richtigen Leben kommen solche Leutchen in gute Anstalten, wo man sich um sie gut kümmert. Aber viele Länder sind bereit uns als führende Industrienation abzulösen, denn wer sollte hier noch etwas aufbauen wollen, er wäre ja schön blöd.

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