Weltstillwoche

Arzneimittel in der Stillzeit: Welche Kriterien gilt es zu berücksichtigen?

Stuttgart - 06.08.2021, 13:45 Uhr

In vielen Fällen kann trotz Arzneimitteleinnahme weiter gestillt werden, wenn man einige Dinge berücksichtigt. (x / Foto: RFBSIP/ AdobeStock)

In vielen Fällen kann trotz Arzneimitteleinnahme weiter gestillt werden, wenn man einige Dinge berücksichtigt. (x / Foto: RFBSIP/ AdobeStock)


Die Vorteile des Stillens sind hinlänglich bekannt. Über die Muttermilch erhält der Säugling was er braucht: Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Elektrolyte und viele Vitamine, sowie Antikörper, Hormone, Enzyme. Allerdings gehen auch viele Arzneistoffe in die Muttermilch über. Arzneimittel sollten nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden. Außerdem gibt es Kriterien, die in jedem Fall berücksichtigt werden sollten.

Die Notwendigkeit einer Arzneimitteltherapie ist nicht zwingend ein Grund, das Stillen zu unterbrechen oder gar abzustillen. Denn mittlerweile gibt es für viele Arzneistoffe gute Daten, inwiefern sie in die Muttermilch übergehen und dort für den Säugling schädlich sein könnten. Nichtsdestotrotz sollte immer eine strenge Indikationsstellung erfolgen und Mutter und Kind engmaschig überwacht werden. Bei der Auswahl der Arzneistoffe sollten folgende Kriterien unbedingt berücksichtigt werden

  • Gibt es nicht medikamentöse Alternativen?
  • Wird der Wirkstoff schon lange eingesetzt und kennt man Risiken und Nebenwirkungen? Gibt es ggf. eine Alternative, bei der man mehr Erfahrung hat?
  • Ist eine Monotherapie möglich?
  • Der Wirkstoff sollte so niedrig wie möglich dosiert werden.

Dann spielt natürlich noch eine Rolle, ob es sich um eine Einmalgabe bzw. kurzzeitige Anwendung handelt oder eine Dauertherapie. Gerade bei ersteren erreichen die beim Säugling gemessenen Blutspiegel meist keine therapeutischen Spiegel. 

Anders ist die Lage, wenn Arzneimittel längerfristig eingenommen werden und wenn die eingesetzten Wirkstoffe eine lange Halbwertszeit haben. Dann sollte die Einnahme auf jeden Fall kritisch hinterfragt werden. Wirkstoffklassen, bei denen man genau hinsehen und die Indikation genau prüfen sollte, sind beispielsweise Zytostatika, Opioide, Kombinationstherapien mit mehreren Psychopharmaka oder Antiepileptika sowie alles was Iod enthält, also Iod-haltige Kontrastmittel, Expektoranzien oder großflächige Iod-haltige Desinfektion und Radionuklide.

Wie viel kommt beim Kind an?

Die meisten Arzneistoffe landen früher oder später in der Muttermilch. Die Frage ist dann immer, wie viel beim Kind ankommt. Auf mütterlicher Seite stehen dazwischen so einige Barrieren, unter anderem hängt das von der oralen Bioverfügbarkeit ab und der Permeabilität des Brustgewebes. Letztere verändert sich im Lauf der Zeit. Auf Seite des Säuglings gibt es zwar weniger Hindernisse, aber dennoch können nicht alle Stoffe, die über die Muttermilch in dessen Magen-Darm-Trakt gelangen, auch aufgenommen werden. Um genau zu wissen, wie viel Wirkstoff angekommen ist, müsste man eine Serumanalyse durchführen. Es gibt aber Methoden, um die Exposition des Säuglings abzuschätzen. Zum Beispiel der Vergleich der Dosis des Kindes (pro kg Körpergewicht [KG]) mit der therapeutischen Tagesdosis der Mutter (pro kg KG) oder der körpergewichtadjustierten Tagesdosis im Säuglingsalter (sofern bekannt). Weniger als 3 Prozent der relativen therapeutischen Tagesdosis pro kg Körpergewicht sind höchstwahrscheinlich unbedenklich für das Kind. (Vorsicht bei wirksamen Metaboliten und langen Halbwertzeiten.)

Weitere Details und noch viel mehr zum Thema lesen sie in dem DAZ-Beitrag 

Welche Arzneimittel unbedenklich sind

Kranke Mütter in der Stillzeit


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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