Neuer FIP-Report

Wie es weltweit in den Apotheken zugeht

Remagen - 18.08.2021, 09:15 Uhr

Eine Offizin in Ländern mit niedrigem Einkommen muss durchschnittlich fast 27.000 Einwohner versorgen, viermal so viele wie eine Apotheke in einem Land mit hohem Einkommen. (x / Foto: IMAGO / Future Image)

Eine Offizin in Ländern mit niedrigem Einkommen muss durchschnittlich fast 27.000 Einwohner versorgen, viermal so viele wie eine Apotheke in einem Land mit hohem Einkommen. (x / Foto: IMAGO / Future Image)


Der internationale Apothekerverband FIP hat den „Community Pharmacy Global Report 2021“ vorgelegt. Mit Daten aus 79 Ländern bietet er die aktuellste Momentaufnahme des Zustands der öffentlichen Apotheken weltweit. Demnach muss eine Offizin in Ländern mit niedrigem Einkommen durchschnittlich fast 27.000 Einwohner versorgen, viermal so viele wie eine Apotheke in einem Land mit hohem Einkommen. 

Der neue FIP-Report beruht auf den Ergebnissen einer Umfrage, die zwischen November 2020 und Januar 2021 durchgeführt wurde. Die Rückläufe kamen aus 79 Ländern und Gebieten (Rücklaufquote von 67 Prozent). Der Bericht baut auf dem vorherigen Report aus dem Jahr 2016 auf.

„Die globale Landschaft der öffentlichen Apotheken befindet sich in ständiger Entwicklung, mit Einflussfaktoren wie sich ändernden Bedürfnissen, neuen Technologien und Trends in der Regulierung und Selbstversorgung sowie der COVID-19-Pandemie“, sagt Lars-Åke Söderlund, Präsident der FIP Community Pharmacy Section. „Dieser neue FIP-Bericht ist äußerst wertvoll. Zusammen mit den FIP-Entwicklungszielen liefert er Inspiration für die Transformation der Pharmazie in einem sich ändernden Gesundheits- und Verbraucherkontext.“ 

Fünf Apotheker pro 10.000 Einwohner

Für den Bericht meldeten 72 Länder und Territorien insgesamt knapp 3,5 Millionen Apotheker, die in allen Praxisbereichen tätig sind. Fokussiert auf die Offizinapotheker wurde in 70 Ländern und Gebieten, die Daten zu diesem Indikator zur Verfügung gestellt haben, eine Zahl von rund 1,86 Millionen Vollzeitäquivalenten ermittelt. Die mittlere Dichte der aktiven öffentlichen Apotheker pro 10.000 Einwohner in der Studienstichprobe liegt bei 5,14. In der europäischen Region ist sie mehr als siebenmal höher als die der afrikanischen. Gemessen an dem Pool von Ländern und Gebiete, die sowohl 2016 als auch 2020 Daten dazu lieferten (n=42), stieg die durchschnittliche Apothekerdichte um 12 Prozent.

Eine Apotheke versorgt im Schnitt 8.940 Einwohner

Weiterhin weist der neue FIP-Report basierend auf Daten aus 76 Ländern und Territorien eine Gesamtzahl von rund 1,6 Millionen öffentlichen Apotheken (einschließlich Filialen) aus. Damit liegt die Apothekendichte pro 10.000 Einwohner im Schnitt bei von 2,75. Gegenüber 2016 wurde ein Anstieg um 11 Prozent zwischen den beiden Zeitpunkten ermittelt. Länder mit niedrigem Einkommen haben mit weniger als einer Apotheke pro 10.000 Einwohner die geringste Dichte, ausgenommen Ägypten, die Mongolei und Indien, die in der Studienstichprobe die höchste Dichte aufwiesen.  

Der Mittelwert für die 77 befragten Länder und Territorien liegt bei 8.940 Einwohnern pro Apotheke. Allerdings muss eine Offizin in Ländern mit niedrigem Einkommen durchschnittlich fast 27.000 Einwohner versorgen, viermal so viele wie eine Apotheke in einem Land mit hohem Einkommen. 

Drei Viertel der Länder erlauben den Fremdbesitz

Die häufigste Art der Eigentumsregelung von öffentlichen Apotheken sind entweder einzelne Apotheker oder Partnerschaften mit einer Aktionärsmehrheit von Apothekern (86 Prozent der Länder und Gebiete). Danach folgt das Eigentum von Unternehmen an Apothekenketten (72 Prozent). In knapp drei Viertel der Länder ist das Eigentum an Apotheken nicht auf Apotheker beschränkt. Viele wenden allerdings rechtliche Ausschlüsse an, um wahrgenommene Interessenkonflikte oder vertikale Integrationsmodelle zu vermeiden. Die häufigsten Ausschlüsse sind Ärzte (53 Prozent), pharmazeutische Großhändler (37 Prozent) und Pharmahersteller (38 Prozent).

Apotheken-Neugründungen stärker reguliert 

Die Gründung neuer Apotheken wird in der Regel von den öffentlichen Verwaltungen durch die Anwendung demografischer oder geografischer Kriterien festgelegt. Eine größere Gruppe von 23 Ländern und Gebieten (29 Prozent) verwendet dafür eine Kombination von beidem. Bemerkenswerterweise ist die Zahl der Länder, die keine Beschränkungen für Neugründungen haben, seit dem letzten Datenerhebungszyklus von 49 auf 27 Prozent gesunken. Für die FIP deutet dies auf einen internationalen Trend zu einem höheren Regulierungsniveau bei der Gründung neuer Apotheken hin. 

Mehr Länder erlauben Verschreibungen durch Apotheker

Die Umfrage untersuchte auch den Umfang der regulierten Dienstleistungen und Aktivitäten von Apothekern. Impfdienste wurden in der diesjährigen Erhebung nicht berücksichtigt, weil die FIP innerhalb desselben Kalenderjahres eine spezifische Umfrage über die Rolle von Apothekern bei Impfungen durchgeführt hatte.  

In der Kategorie von Dienstleistungen, die die klinische Entscheidungsfindung für die Einleitung, Fortsetzung oder Änderung der Behandlung beinhalten, ist die Abgabe von Notfallkontrazeptiva besonders weit verbreitet (76 Prozent der Länder). Einige Länder starten mit der Anpassung von Verschreibungen (25) sowie ergänzenden (16) oder eigenständigen Verschreibungen von Apothekern (13).    

Unter den Dienstleistungen, die sich auf das Screening von Krankheiten konzentrieren, wurden HIV- und COVID-19-Tests abgefragt. Apothekenbasierte HIV-Tests können in Apotheken in 15 Ländern oder Territorien durchgeführt werden, während COVID-19-Tests zum Abfragezeitpunkt in 14 Ländern möglich waren. Der Wert hat sich danach noch weiter erhöht. Dasselbe betrifft die Impfdienste, wobei Länder wie Italien, Litauen und Polen diese neu eingeführt haben. 

Wacklige Regelungen zur Substitution

Von 73 Befragten gab die Mehrheit (44) an, dass die INN-Verschreibung bei ihnen nicht obligatorisch sei. In 27 Rechtssystemen ist sie verbindlich und in den verbleibenden vom Drittzahler abhängig. In Umgebungen ohne Verpflichtung zur INN-Verordnung wird den Apothekern manchmal die Möglichkeit gewährt, ein Markenarzneimittel durch ein Generikum zu ersetzen. Die Substitution kann jedoch aus einer Reihe von Gründen entweder vom verschreibenden Arzt oder vom Patienten verhindert werden. Dies gilt zum Teil auch dann, wenn eine generische Substitution obligatorisch ist. Von 79 befragten Ländern berichteten fast drei Viertel, dass der verschreibende Arzt eine generische Substitution ablehnen könne und in noch mehr Ländern dürfen das auch die Patienten.

Vergütungen nach Arzneimittelpreisen oder nach Services

Die größte Anzahl von vergüteten Dienstleistungen betrifft die Entscheidungsfindung für die Einleitung, Fortsetzung oder Änderung der Behandlung oder für die Verbesserung des Einsatzes von Arzneimitteln. Von den 65 Befragten, die durch Dritte vergütet werden, haben 37 es nur mit einem zu tun und 28 bekommen ihr Geld von mehreren. Rund die Hälfte der Länder gab an, dass sich die Apothekenvergütung überwiegend am Arzneimittelpreis orientiert. Lediglich elf (15 Prozent) berichtete über ein Vergütungsmodell, das eher auf Gebühren für Dienstleistungen abstellt.    

In 21 von 75 Rechtssystemen gibt es für Arzneimittel keine Preisregulierung. Die übrigen 54 Länder und Gebiete lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Nur erstattungsfähige Arzneimittel (17), alle verschreibungspflichtigen (12) oder alle Medikamente insgesamt sind preisreguliert (25). 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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