Dem Virus die Tür in der Nase zuschlagen

Forschungserfolg mit intranasaler COVID-19-Vakzine

Remagen - 27.09.2021, 17:50 Uhr

Die Entwicklung einer nasalen Vakzine wird auch dadurch erschwert, dass erst ein effizientes Freigabesystem für das Antigen entwickelt werden und das geeignete Adjuvans gefunden werden muss. (c / Foto: WESTOCK / AdobeStock)

Die Entwicklung einer nasalen Vakzine wird auch dadurch erschwert, dass erst ein effizientes Freigabesystem für das Antigen entwickelt werden und das geeignete Adjuvans gefunden werden muss. (c / Foto: WESTOCK / AdobeStock)


Bislang werden alle COVID-19 Impfstoffe intramuskulär injiziert. Dabei wäre es viel besser, diese direkt in der Nase zu applizieren und dort eine Schleimhautimmunität auszulösen, denn hier befindet sich die Eintrittspforte für das Virus, und über die Atemwege wird es weiter übertragen. Ein Forscherteam aus dem texanischen Houston berichtet von Erfolgen mit einem nasalen Corona-Impfstoff, der ein besonderes Adjuvans nutzt.

Die bisher zugelassenen COVID-19-Impfstoffe sollen eine systemische, zelluläre und humorale Immunität bewirken, die schwere Erkrankungen und Mortalität verhindert. Eine grundlegende Einschränkung besteht darin, dass sie nicht darauf ausgelegt sind, eine Schleimhautimmunität hervorzurufen. 

Mehr zum Thema

Vorteile und Herausforderungen

Corona-Impfstoffe zur nasalen Anwendung

Zahlreiche Strategien gegen das Coronavirus setzen auf die nasale Anwendung

Sprühen gegen Corona

Die Nase und die oberen Atemwege sind aber die primären Eintrittswege für Inhalationserreger wie SARS-CoV-2. Folglich wäre eine Immunität in den Atemwegen sehr wünschenswert. Sie könnte nicht nur das Eindringen von Krankheitserregern und seine Ausbreitung in tiefere Kompartimente verhindern, sondern auch die Übertragung durch den Menschen im Zaum halten. Außerdem sind nasale Impfstoffe nicht-invasiv und eignen sich besonders für Massenimpfungen großer Kohorten, einschließlich älterer Patienten und Kinder, mit minimaler klinischer Infrastruktur.

Acht nasale COVID-19-Vakzine in der klinischen Entwicklung

Bislang gibt es gegen SARS-CoV-2 keine nasal applizierbaren Impfstoffe, aber die Forschung arbeitet daran. Nach aktuellen Angaben im „COVID-19 Vaccine Tracker“ der WHO sollen allerdings nur acht von insgesamt 121 in der klinischen Phase befindlichen Kandidaten nasal verabreicht werden. Navin Varadarajan, „Professor of Chemical and Biomolecular Engineering“ an der „University of Houston“, und seine Kollegen berichten in iScience über ihre Entwicklung eines intranasalen Untereinheiten-Impfstoffs, der eine dauerhafte lokale Immunität gegen eingeatmete Krankheitserreger bewirkt.

NanoSTING als Adjuvans

„Die Schleimhautimpfung kann sowohl die systemische als auch die Schleimhautimmunität stimulieren“, stellt Varadarajan fest. „Unsere Entwicklung einer solchen Vakzine wurde jedoch dadurch erschwert, dass erst ein effizientes Freigabesystem für das Antigen entwickelt werden und das geeignete Adjuvans gefunden werden musste, das eine robuste Immunantwort stimuliert, ohne toxisch zu sein.“ Um diese Probleme zu lösen, arbeitete Varadarajan mit Xinli Liu zusammen. Die außerordentliche Professorin für Pharmazie am „University of Houston College of Pharmacy“ ist Expertin für Nanopartikeltransport. Lius Team konnte den Agonisten des Stimulators der Interferon-Gene (STING) in liposomale Partikel einkapseln. Damit entstand ein Adjuvans namens NanoSTING mit einer kleinen Partikelgröße von etwa 100 Nanometern, das die Wissenschaftler für die intranasale Impfung mit der trimeren oder monomeren Version des Spike-Proteins verwendeten.

Sicher und gut wirksam bei Mäusen

Zunächst konnte an Mäusen bestätigt werden, dass das Adjuvans bei den Versuchstieren keine Morbidität oder Gewichtsverlust verursacht. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Impfstoff-Kandidatenformulierung sicher ist“, erklärt Varadarajan. Außerdem rief sie innerhalb von sieben Tagen eine schnelle Immunreaktion hervor und bewirkte eine umfassende Immunität gegen SARS-CoV-2. Eine einmalige intranasale Immunisierung von Mäusen erzeugte neutralisierende Antikörper im Serum, die mit anderen Impfstoffkandidaten vergleichbar sind. Sie führte auch zu IgA-Reaktionen in der Lunge und direkt im Nasenkompartiment, und die Forschenden entdeckten IgA-sezernierende B-Zellen in der Milz. Daten von Einzelzell-RNA-Sequenzierungen (scRNA-seq) belegten zudem, dass das Lymphgewebe des Nasen-Rachen-Raums (NALT) bei intranasalen Impfungen als induktive Stelle fungiert, was zu einer koordinierten Aktivierung/Differenzierung von B- und T-Zellen führt, die wiederum eine langanhaltende Immunität im Atemraum fördern können. Darüber hinaus induzierte die intranasale Impfung auch Spike-Protein-spezifische T-Zell-Reaktionen in der Milz und lokal in der Lunge.

Bei 4 °C lagerfähig und sehr stabil

Der nasale Impfstoff kann den Forschenden zufolge auch dabei helfen, COVID-19-Impfstoffe weltweit gerecht zu verteilen. Hierzu muss die Vakzine jedoch stabil und leicht zu transportieren sein. Die Wissenschaftler aus Housten konnten zeigen, dass die Komponenten ihres Impfstoffkandidaten, das Protein (lyophilisiert) und das Adjuvans (NanoSTING), über elf Monate stabil sind, und dass sie bei 4 °C gelagert und versandt werden, ohne dass ein Ultrakühlgefrierschrank erforderlich ist. Sie bezeichnen die Impfstoffformulierung als „unkompliziert“. Sie erfordere lediglich das Mischen der beiden Komponenten vor der Immunisierung. 

Der Herstellungsprozess soll bereits eingeleitet worden sein, und noch in diesem Jahr will man sich mit der US-FDA für die Weiterentwicklung des Projekts ins Benehmen setzen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.