Niedrigster Stand seit der Wiedervereinigung

Apothekenzahl in Bayern fällt unter 3.000

Berlin - 07.10.2021, 12:15 Uhr

Auch in Bayern sinkt die Zahl der Apotheken weiter. (b/Foto: picture alliance/dpa | Martin Gerten)

Auch in Bayern sinkt die Zahl der Apotheken weiter. (b/Foto: picture alliance/dpa | Martin Gerten)


In Bayern gibt es aktuell so wenige Apotheken wie seit der Wende nicht mehr. Zum Ende des abgelaufenen dritten Quartals zählte der Bayerische Apothekerverband 2.984 Offizinen – damit sei erstmals seit der deutschen Wiedervereinigung die Marke von 3.000 Apotheken unterschritten. BAV-Chef Hubmann sieht den Hauptgrund dafür in den schwierigen Rahmenbedingungen.

Auch in Bayern ist das Apothekensterben offenbar nicht zu stoppen: Wie der Bayerische Apothekerverband (BAV) am heutigen Donnerstag in einer Pressemitteilung informiert, ist die Zahl der Apotheken dort inzwischen so niedrig wie seit dem Fall der Berliner Mauer nicht mehr. Insgesamt 2.984 Betriebe zählt der Verband zum Ende des dritten Quartals 2021. Damit sei erstmals seit der Wende die 3.000er-Marke gefallen.

Derzeit liege die Versorgungdichte bei rund 23 Apotheken pro 100.000 Einwohner im Freistaat, schreibt der BAV. Damit bleibe sie deutlich hinter dem EU-Durchschnitt von 32 Apotheken pro 100.000 Menschen zurück. „In Bayern wächst die Bevölkerung, wie die jüngst veröffentlichten Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik zeigen. Deren Arzneimittelversorgung muss gesichert bleiben. Wir brauchen also mehr Apotheken, nicht weniger“, betont BAV-Chef Hans-Peter Hubmann.

Es gelte nun, diesen Negativtrend aufzuhalten. Dabei sieht Hubmann unter anderem die nächste Bundesregierung in der Pflicht. „Egal wie die künftige Koalition aussieht, sie muss diese Herausforderung angehen und Rahmenbedingungen schaffen, die die Übernahme oder Neugründung einer Apotheke wieder attraktiv machen“.

Junge Approbierte scheuen die Selbstständigkeit

Als einen der Hauptgründe für rückläufige Apothekenzahlen nennt Hubmann schwierige Rahmenbedingungen. Daher wagten immer weniger junge Apothekerinnen und Apotheker den Sprung in die Selbstständigkeit. Inzwischen werde es sogar für gutgehende, wirtschaftlich gesunde Apotheken schwierig, einen Nachfolger zu finden, wenn der Inhaber in Ruhestand geht.

Mehr zum Thema

Um gegenzusteuern, muss aus Hubmanns Sicht sowohl die Vergütung steigen als auch Bürokratie bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel abgebaut werden. Er fordert daher die Bundespolitik auf, die Abgabeerleichterungen, die während der Pandemie eingeführt wurden, künftig beizubehalten. „Apothekerinnen und Apotheker haben damit die Möglichkeit, ihr Fachwissen einzusetzen. Sie können Patienten bei Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln schnell und unkompliziert versorgen, und müssen keine wirtschaftlichen Einbußen befürchten“.

Pharmazeutische Dienstleistungen als Chance

Auch die Einführung bezahlter pharmazeutischer Dienstleistungen sieht Hubmann als Chance, den Apothekerberuf wieder attraktiver zu machen. Dazu zählten etwa die intensive Beratung zu bestimmten medizinischen Hilfsmitteln, Präventionsleistungen oder ein anspruchsvolles Arzneimittelmanagement für Patienten, die mehrere Arzneimittel benötigen. „Die finanziellen Mittel für pharmazeutische Dienstleistungen sind sogar gesetzlich bewilligt“, unterstreicht der Verband in seiner Mitteilung. „Allerdings weigern sich die Krankenkassen bislang, auf die Angebote der Apothekerschaft einzugehen.“

Mehr zum Thema

Pharmazeutische Dienstleistungen

DAV ruft Schiedsstelle an

Krankenkassen sollen Coaching zahlen

Mehr Unterstützung für Patienten

Ein weiterer Grund für sinkende Apothekenzahlen ist der Fachkräftemangel. Es werde für Apotheken immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Auf Dauer kann die Arbeit in der Apotheke jedoch nicht alleine bewältigt werden. „Eine Lösung wäre, die Anzahl der Pharmaziestudienplätze zu erhöhen“, sagt Hubmann. Das müsse auf Länderebene geschehen.

Gerade die Corona-Pandemie habe die Bedeutung der Apotheken vor Ort gezeigt, erinnert der BAV. Sie blieben in allen Krisenphasen geöffnet und haben die Bevölkerung schnell und wohnortnah mit Arzneimitteln versorgt. Apotheken haben zudem innerhalb kurzer Zeit zusätzliche Versorgungsaufgaben übernommen, wie die Herstellung von Desinfektionsmitteln, als diese knapp wurden, die Versorgung mit Schutzmasken, die Durchführung von Antigentests oder die Versorgung mit COVID-19-Impfstoffen. Hubmann: „Die Struktur einer Versorgung durch inhabergeführte Apotheken vor Ort hat sich bewährt und ihre Krisenfestigkeit bewiesen.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Niedrigster Wert seit der Wiedervereinigung

Weniger Apotheken in Bayern

Bayerischer Apothekerverband rechnet 2022 mit erheblichen Einbußen für die Apotheken

Schwieriger Blick nach vorn

Bayerischer Apothekerverband feiert mit einem Festakt in München

Seit 75 Jahren für die Freiberuflichkeit

BAV-Mitgliederversammlung: Inhabergeführte Apotheken haben ihre Krisenfestigkeit bewiesen

Apotheken sind unverzichtbare Säule im Kampf gegen die Pandemie

DAZ.online-Wahlcheck zu den Bürgerschaftswahlen

Wen könnten Apotheker in Bremen wählen?

BAV-Vorsitzender Hubmann zur politischen Lage

„Das CDU-geführte Ministerium war ein Glücksfall“

Doch keine bayerische Doppelspitze

ABDA-Wahlen: Kandidatenfeld lichtet sich

Erstes Halbjahr 2020

Bayern verliert 26 Apotheken

Der BAV bleibt bei seinem Vorsitzenden / Forderung: VOASG zügig anpassen und verabschieden

Dr. Hans-Peter Hubmann wiedergewählt

2 Kommentare

Honorarkürzung!

von Thomas Eper am 09.10.2021 um 11:55 Uhr

Wie wir alle wissen wurde unser Packungshonorar seit 17 Jahren nur um 3% erhöht.
Inflationsbereinigt entsprich das einer Honorarkürzung um ca. - 40%! Mal nur so zum Vergleich: Ärzte hatten in der gleichen Zeit ca. +50%!

Von der Politik kommen nur Absagen bzgl. Honoraranpassung; Begründung: die angespannte finanzielle Situation bei den Krankenkassen.
(Sind die Milliarden-Überschüsse eigentlich plötzlich verschwunden, oder werden diese nur verschwiegen?)
Interessanter Weise gilt diese finanzielle Situation bei der Anpassung der Ärztehonorare nicht!

So lange wir weiterhin eine Honorarkürzung hinnehmen müssen, brauchen wir uns über das Apothekensterben und mangelnden Nachwuchs bei den selbständigen Kollegen nicht wundern!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Zeichen verkannt

von J.M.L. am 08.10.2021 um 8:22 Uhr

Wenn eine sichere Arzneimittelversorgung wirklich gewünscht wäre, wäre es ein Einfaches gewesen, wie in den meisten europäischen Ländern auch hier das rx-Versandverbot durchzusetzen, diese Chance ist nun vertan. Was wir sehen ist die Konsequenz der Politik von Hr. Spahn. Ich kann jeden verstehen, der sich gegen die Selbstständigkeit entscheidet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.