Weniger wirksam als gedacht

EMA prüft neue Daten zu Molnupiravir

Stuttgart - 16.12.2021, 13:45 Uhr

Wie wird die EMA zu Molnupiravir entscheiden? (s / Foto: golibtolibov / AdobeStock)

Wie wird die EMA zu Molnupiravir entscheiden? (s / Foto: golibtolibov / AdobeStock)


Molnupiravir wirkt schlechter als gedacht, das COVID-19-Arzneimittel verringert Krankenhauseinweisung und Tod statt zu 50 Prozent nur zu 30 Prozent. Grund genug, dass sich auch die EMA vor Zulassung die neuesten Daten genauer anschauen will. Interessant wird auch, ob Molnupiravir gegen Omikron wirkt.

Molnupiravir schürte viel Hoffnung: Eine oral einzunehmende Kapsel gegen COVID-19 sollte Krankenhauseinweisung und Tod reduzieren – was das Antiviralium in Studien auch tatsächlich tat, nur nun weniger gut als erhofft. Nach einer Zwischenanalyse verringerte es bei leicht bis mittelschwer erkrankten COVID-19-Patienten Krankenhauseinweisung und Tod noch zu 50 Prozent, nach Auswertung aller Daten jedoch nur noch zu 30 Prozent. Der Glanz bröckelt von Molnupiravir, noch bevor es in der EU überhaupt zugelassen ist.

Mehr zum Thema

Bundesrepublik bestellt 80.000 Dosen

Molnupiravir wirkt schlechter als gedacht

Bereits am 19. November hatte sich der Humanarzneimittelausschuss der EMA intensiv mit dem potenziellen COVID-19-Arzneimittel befasst. Das CHMP sprach damals – basierend auf den 50-Prozent-Wirksamkeit-Zwischenergebnissen – noch vor Marktzulassung eine Empfehlung zur Anwendung von Molnupiravir zur Behandlung von COVID-19 aus. Nach der damaligen wissenschaftlichen Einschätzung kann Molnupiravir bei COVID-19 bei erwachsenen Patient:innen ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf angewendet werden, wenn diese ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Die EMA empfahl zudem, dass die Patient:innen Molnupiravir so früh wie möglich nach Diagnose – innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn – erhalten und die Kapseln zweimal täglich für fünf Tage einnehmen.

Knappes Votum pro Zulassung in den USA

Nun ist allerdings auch der EMA nicht entgangen, dass es neue Daten gibt, die Molnupiravir in ein anderes – weniger wirkungsvolles – Licht rücken. Sie will deswegen diesen neuen Datensatz bei ihrer Empfehlung zur Zulassung berücksichtigen. Die Empfehlungen zur Anwendung vor Zulassung blieben jedoch unverändert bestehen, erklärt die EMA. Der Zulassungsantrag von MSD liegt der Europäischen Arzneimittelagentur bereits seit 23. November vor, zuvor lief bereits ein Rolling-Review-Verfahren zu dem Wirkstoff.

In den USA ist man ein Stück weiter – wenn auch dort die Notfallzulassung noch nicht vorliegt. Allerdings hat ein beratender Ausschuss der FDA am 30. November sein Urteil zumindest schon gefällt. Das Votum für Molnupiravir fiel dabei recht knapp aus: 13 Gremiumsmitglieder stimmten für eine Zulassung, zehn waren dagegen.

Corona-Antikörper wirken besser

Zu bedenken gilt, dass mit SARS-CoV-2-Antikörpern Präparate zur Behandlung von COVID-19 verfügbar sind, die zwar parenteral verabreicht werden müssen, aber eine deutlich bessere Wirksamkeit als Molnupiravir haben. Auch steht mit Paxlovid von Pfizer eine orale Behandlung in den Startlöchern, deren Wirksamkeit in der Behandlung von COVID-19 in Studien mit 89 Prozent weniger Krankenhauseinweisung und Tod überzeugte, und die Pfizer zufolge auch gegen die Omikron-Variante wirken soll.

Molnupiravir: sicher und wirksam?

Die knappe Mehrheit und die langwierigen Beratungen der FDA-Behörde könnten auf Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit des Virostatikums hindeuten, meint Max Kozlov, Neurowissenschaftler und wissenschaftlicher Autor für das Fachjournal „Nature“ in einem dort erschienen Beitrag. Wie kam es eigentlich zu den so stark voneinander abweichenden Studienergebnissen? Auch das beleuchtet der „Nature“-Autor.

In der ersten Studiengruppe von Merck erhielten 762 Personen zwischen Mai und Anfang August zweimal täglich an fünf aufeinander folgenden Tagen entweder vier Tabletten Molnupiravir oder Placebo. Die zweite Studiengruppe mit 646 Teilnehmer:innen erhielt die gleiche Behandlung, nur eben später, von August bis Oktober. Alle begannen die Behandlung innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn. 80 Prozent der Proband:innen waren aus Lateinamerika oder Europa. Ziel der Studie war die Reduktion von Krankenhauseinweisung und Tod. Während in der ersten Gruppe Molnupiravir Krankenhauseinweisung und Tod um die Hälfte reduzierten, unterschieden sich in der zweiten, späteren Gruppe die Ergebnisse zwischen Placebo und Molnupiravir kaum.

Lag es an Delta?

Merck konnte der FDA diesen eminenten Unterschied nicht erklären, laut Max Kozlov vermuteten manche FDA-Gremiumsmitglieder den Einfluss der Delta-Variante, die im ersten Studienzeitraum weniger dominant war als später. Somit könnte Molnupiravir gegen Delta schlechter wirken als gegen andere SARS-CoV-2-Varianten. Vielleicht spielte auch der Studienstandort eine Rolle, die Demografie und wie die Patienten im Krankenhaus versorgt wurden.

Wirksamkeit gegen Omikron?

Spannend wird dann: Wie gut wirkt Molnupiravir gegen die aufkommende und der Prognose von Expert:innen zufolge bald vorherrschende Omikron-Variante? Ergebnisse dazu will Professor Sandra Ciesek, Virologin an der Universitätsklinik Frankfurt am Main, gegen Ende der Woche vorstellen. Das kündigte sie am Mittwoch (15. Dezember) bei einer Veranstaltung des „Science Media Center“ an.

Aufgrund seiner Wirkungsweise müsste Molnupiravir theoretisch auch gegen Omikron wirken, meint Sankar Swaminathan, Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten an der University of Utah Health in Salt Lake City und Mitglied im FDA-Beraterausschusses in „Nature“. Allerdings ließen die Studiendaten über die Wirksamkeit gegen Delta vermuten, dass dies nicht stimme. „Ein Virostatikum, das gegen alle Versionen von SARS-CoV-2 wirkt, wäre ein Segen, vor allem, wenn die derzeitigen Behandlungen mit monoklonalen Antikörpern gegen Omikron oder eine künftige Variante nicht wirken. In einer solchen Situation“, sagt er, „wären wir in unseren Möglichkeiten, Krankenhausaufenthalte zu verhindern, stark eingeschränkt“.

Mehr zum Thema

Mutagenität, Knochenfehlbildungen und Virusvarianten

Die möglichen Nebenwirkungen von Molnupiravir

EMA prüft neuen Corona-Antikörper

Sotrovimab soll auch bei Omikron-Variante wirken

Auch gibt es Sorge, ob der möglichen Nebenwirkungen von Molnupiravir – DAZ.online berichtete ausführlich darüber. Es könnte mutagen wirken (weswegen es auch nicht in der Schwangerschaft angewendet werden soll) oder die Entstehung von Mutanten fördern, erklärte Sankar Swaminathan. Er fürchtet, dass vor allem bei unvollständigen Therapiezyklen mutierte Viren überleben könnten, die der Infizierte dann verbreitet. Das könnte insbesondere bei immungeschwächten Menschen passieren, die das Virus unter Umständen nicht vollständig aus ihrem Körper eliminieren könnten.

Der Vorteil von Molnupiravir

Als größter Vorteil von Molnupiravir wird stets die einfache Anwendung genannt – und fraglos ist eine oral einzunehmende Kapsel für zu Hause niederschwelliger als eine Antikörperinfusion im Krankenhaus. Mittlerweile gibt es jedoch auch die ersten zur COVID-19-Behandlung und Prävention zugelassenen Antikörperpräparate – Casirivimab/Imdevimab in Ronapreve® –, die als einmalige Injektion zumindest subcutan appliziert werden können. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bundesrepublik bestellt 80.000 Dosen

Molnupiravir wirkt schlechter als gedacht

Bundesregierung hat bestellt, Zulassung des Virustatikums steht noch aus

80.000 Dosen Molnupiravir

Sotrovimab: Wirkung auch gegen Omikron

Drittes Corona-Antikörperpräparat für die EU

Neues zu SARS-CoV-2 in Kürze

Corona-Ticker

Mutagenität, Knochenfehlbildungen und Virusvarianten

Die möglichen Nebenwirkungen von Molnupiravir

Erste orale antivirale Behandlung

Großbritannien lässt Molnupiravir bei COVID-19 zu

Risiko für Hospitalisierung und Tod bei COVID-19 ist unter Antikörper geringer

Sotrovimab im Duell gegen Molnupiravir

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.