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Gastkommentar
Cannabis und Rabattverträge – geht das zusammen?
Kürzlich wurde bekannt, dass es in Deutschland erstmalig einen Rabattvertrag für Cannabisblüten gibt: Ein entsprechendes Abkommen hat das Unternehmen Adrexpharm nach eigenen Angaben gleich mit mehreren Kassen geschlossen. „Pharmazeutischer Unsinn“, meinen die pharmazeutischen Biologen Dr. Ilse Zündorf und Professor Robert Fürst aus Frankfurt am Main. Der eigentliche Aufreger, der in der Diskussion um die Rabattvertragsfähigkeit von Cannabis völlig untergeht, ist in ihren Augen aber ein ganz anderer. Ein Gastkommentar.
Man reibt sich verwundert die Augen: Rabattverträge für Cannabisblüten und Cannbisextrakte – kann und darf das sein? Wir meinen, dass das wahre Problem nach wie vor ganz woanders liegt!
Ein Rabattvertrag zwischen einer Krankenkasse und einem Arzneimittelhersteller ist ein Mittel der Kostenreduktion im Gesundheitswesen. Die Meldung, dass ein Pharmaunternehmen mit mehreren Kassen Rabattverträge für Cannabisblüten und -extrakte abgeschlossen hat, macht einen überaus stutzig: Kann man das Prinzip der Generika, also der wirkstoffgleichen Arzneimittel mit den üblichen Substitutionskriterien, auf die pflanzliche Droge Cannabisblüten und auf einen daraus hergestellten, eingestellten Extrakt übertragen? Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabisunternehmen (BPC) findet in seinem Positionspapier „Rabattverträge mit Cannabis-Arzneimitteln bergen Gefahren für Patient:innen“ eine klare Antwort: nein!
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Laut BPC bekämen Patienten eventuell nicht das, worauf sie gut eingestellt sind, oder es könnte zu Lieferengpässen kommen. Der Verband weist auch darauf hin, dass es bei einer Cannabis-basierten Therapie auf möglichst gleichmäßige Wirkspiegel ankäme. Cannabisblüten seien ein Naturprodukt, das natürlichen Schwankungen unterliege, und Cannabisextrakte seien in ihrer Inhaltsstoffzusammensetzung vom Herstellungsprozess abhängig. Selbst eine perfekte Übereinstimmung der (wenigen) zu deklarierenden Parameter wie die genaue Drogenbezeichnung, Droge-Extrakt-Verhältnis und Extraktionsmittel garantiere keine Wirkstoffgleichheit. Resümee des BPC: Cannbisblüten und -extrakte sollten von Rabattverträgen ausgeschlossen werden und auf die Substitutionsausschlussliste kommen.
Alles richtig! Die Argumente zur Substitution pflanzlicher Arzneimittel sind alte Bekannte, sie finden sich bereits im Statement „Gute Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) aus dem Jahr 2014. Diese Argumente sollten (phyto)pharmazeutisches Basiswissen sein – unseren Studierenden bläuen wir sie zumindest intensiv ein. Zu den Rabattvertragsunterhändlern sind sie aber anscheinend noch nicht vorgedrungen.
Es ist pharmazeutischer Unsinn, Cannabisblüten für generikafähig zu halten
Natürlich ist es pharmazeutischer Unsinn, Cannabisblüten für generikafähig zu halten. Selbst ein eingestellter Extrakt, bei dem man argumentieren könnte, dass stets ein fixer Prozentgehalt an THC vorliegt, ist nur schwer generikafähig: Über Wirkstoffgleichheit könnte man allenfalls bei einem Extrakt nachdenken, der einem Reinstoff extrem nahe kommt, denn dann sollten die anderen Stoffe keine wesentliche Rolle mehr spielen. Oder der Extrakt enthält einen Stoff, der nachgewiesenermaßen der alleinige Träger der Wirksamkeit ist.
Eingestellter Cannabisextrakt enthält übrigens gemäß Deutschem Arzneibuch (DAB) mindestens 1 und höchstens 25 Prozent THC. Ein bestimmter Anteil an CBD ist nicht vorgeschrieben, muss aber natürlich analytisch erfasst und deklariert werden. Zwei Cannabisextrakte verschiedener Hersteller, selbst wenn sie beide die identische (beispielhafte) Deklaration 10,0 Prozent THC und 3,0 Prozent CBD hätten, werden mit Sicherheit in den überaus zahlreichen anderen Inhaltsstoffen schwanken, denn immerhin enthält die Ausgangsdroge Cannabis flos etwas mehr als 100 Cannabinoide und mehr als 400 Nicht-Cannabinoide. Es gilt also der alte Grundsatz: Das Vielstoffgemisch als solches ist der Wirkstoff! Und natürlich versteht man immer besser, dass ein Cannabisextrakt mehr ist als THC und CBD. Ein spannender Beitrag hierzu war jüngst in einem DAZ-Artikel aus der Reihe „Pharmako-evolutionär!“ zu lesen .
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Jetzt aber zum eigentlichen Aufreger, der überhaupt nicht neu ist und in der Diskussion um die Rabattvertragsfähigkeit von Cannabis völlig untergeht: Cannabisblüten stellen als Arzneimittel zur direkten Abgabe an Patientinnen und Patienten und zur selbst zu gestaltenden inhalativen Therapie – oder was man sonst so damit macht – unserer Meinung nach einen Rückschritt in die pharmazeutisch düsteren Zeiten der Asthmazigaretten dar. Mit eingestellten Extrakten wird die Sache immerhin schon etwas besser; noch besser wären aber genau charakterisierte Stoffgemische oder isolierte Einzelstoffe (vielleicht auch in Kombination), die in klinischen Studien ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gezeigt haben.
Besonders erschwerend und fast noch haarsträubender kommt hinzu, dass die Sortenauswahl und die Indikationsstellung nicht auf der Basis von klinischen Evidenzen erfolgt, sondern, wenn man es leicht überspitzt formuliert, nach Bauchgefühl. Ein bisschen weniger THC, etwas mehr CBD und schon sind Cannabisblüten eines bestimmten Kultivars für Max Mustermann ein brauchbares Schmerzmittel bei einer austherapierten Erkrankung. Man redet dann von individueller Therapie und Erfahrungswissen.
Natürlich funktioniert das im Einzelfall und natürlich haben einige Ärzte hier viel Erfahrung, dennoch regiert das Zufallsprinzip. Evidenzen im Sinne klinischer Studien für eine Therapie beizubringen, sind kein Selbstzweck, sondern die Basis dafür, den Zufall in den Hintergrund zu drängen und die Therapie auf eine rationale Ebene mit nachvollziehbaren und begründeten Entscheidungen zu heben. Davon würde die Cannabis-Therapie sicherlich sehr profitieren. In diesem evidenzbasierten Feld, so hat man das Gefühl, geht nur wenig voran, man bleibt eher im Graubereich – der mit der wohl bald anstehenden Legalisierung von Cannabis als Rauschdroge sicher noch grauer wird.
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