Unbeugsam und unabhängig

STIKO-Vize Wicker verteidigt Arbeitsweise der Impfkommission

22.12.2021, 13:45 Uhr

Prof. Sabine Wicker ist Betriebsärztin des Universitätsklinikums Frankfurt! am Main und Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut,(Foto: picture alliance/dpa/dpa pool | Andreas Arnold)

Prof. Sabine Wicker ist Betriebsärztin des Universitätsklinikums Frankfurt! am Main und Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut,(Foto: picture alliance/dpa/dpa pool | Andreas Arnold)


Systematisch die Spreu vom Weizen trennen

Die SOP verläuft entlang von vier Leitfragen, im englischen Akronym PICO genannt, was für Population, Intervention, Comparison und Outcomes steht. Dementsprechend lauten die Fragen: Welche Bevölkerungsgruppe nehmen wir in den Blick? Um welchen Impfstoff und um welches Impfschema geht es? Wie unterscheiden sich die Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Impfstofftypen? In Bezug auf welche klinischen Endpunkte können wir unsere Aussagen treffen?

„Der Dreh- und Angelpunkt unserer Arbeit ist eine systematische Literaturrecherche“, betonte Wicker. Das sei in dieser Pandemie angesichts von zigtausenden Publikationen auf Preprint-Servern keine triviale Aufgabe. „Sie werden aktuell auf den Preprint-Servern zu jeder Behauptung irgendeine Studie finden.“ Es sei aber notwendig, die Qualität jeder Studie adäquat einzustufen, bevor man sie in die Bewertung einbeziehen könne. „Sehr wichtig ist uns auch die Transparenz“, sagte Wicker. Um nachvollziehbar werden zu lassen, warum sie eine bestimmte Empfehlung abgebe, veröffentliche die STIKO dazu jeweils ausführliche Begründungstexte.

Verwirrung aus Verantwortung

Ausführlich erläuterte Wicker jede einzelne Aktualisierung, die die STIKO bisher zu COVID-19-Impfungen gegeben hat. Dabei kam sie auch auf die widersprüchliche Kommunikation zum AstraZeneca-Impfstoff im Frühjahr zu sprechen. Am 1. April hatte die STIKO diesen Vektorimpfstoff nur für Unter-60-jährige empfohlen. „Vielleicht hätte uns das Datum sagen können, dass dies nicht wirklich eine gute Empfehlung war.“ Die STIKO habe jedoch angesichts einer lückenhaften Datenlage kaum eine andere Wahl gehabt. Klinische Prüfungsergebnisse zum AZ-Impfstoff habe es damals nur für eine niedrige dreistellige Zahl von über 60-jährigen Probanden gegeben.

Weil kurz darauf die seltenen gefährlichen Nebenwirkungen des Impfstoffs evident und deren Vorkommen hauptsächlich bei unter-50-jährigen Patientinnen festgestellt wurde, musste die STIKO sechs Wochen später ihren ursprünglichen Rat umdrehen und den Impfstoff nur noch für Über-60-jährige empfehlen. Das habe leider für Verwirrung in der Bevölkerung gesorgt. „Aber selbstverständlich müssen wir eine Empfehlung sofort ändern, wenn wir Evidenz für eine schwere Nebenwirkung haben.“



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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