Welchen Einfluss hat Omikron?

Bundestag debattiert kommende Woche über Impfpflicht

Berlin - 17.01.2022, 15:00 Uhr

Soll der mehrfache Piks für alle Pflicht sein? Gegner der Impfpflicht und Corona-Maßnahmen demonstrierten auch am vergangenen Wochenende. Wie wird die Politik sich verhalten? (Foto: IMAGO / Lobeca)

Soll der mehrfache Piks für alle Pflicht sein? Gegner der Impfpflicht und Corona-Maßnahmen demonstrierten auch am vergangenen Wochenende. Wie wird die Politik sich verhalten? (Foto: IMAGO / Lobeca)


Ab Mitte März gilt in Deutschland eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Wird ihr eine allgemeine Impfpflicht folgen? Die Meinungen, wie sinnvoll eine solche in Zeiten von Omikron noch ist, gehen auseinander. Kommende Woche Mittwoch will der Bundestag das Thema diskutieren – drei Stunden sind für die Debatte anberaumt. Konkrete Anträge oder Gesetzentwürfe liegen bislang nicht vor.

Österreich will Anfang Februar als erstes EU-Land eine COVID-19-Impfpflicht für Personen ab 18 Jahren einführen. Ausnahmen sind für Schwangere und Menschen vorgesehen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Auch Genesene sollen für 180 Tage ausgenommen sein. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor, den die Regierung am gestrigen Sonntag in Wien vorstellte. Für Impfverweigerer sind Geldstrafen zwischen 600 und 3.600 Euro vorgesehen, wenn sie einer Impfaufforderung nicht nachkommen und einen gesetzten Impftermin verstreichen lassen.

Doch wie sieht es in Deutschland aus? Die Große Koalition hatte stets erklärt, mit ihr werde es keine Impfpflicht geben. Im Dezember brachte dann die frisch formierte Ampel-Koalition mit dem Gesetz, das unter anderem Apotheker:innen zur Durchführung von COVID-19-Impfungen berechtigt, eine einrichtungsbezogene Impfpflicht auf den Weg: Der neue, auf das Jahr 2022 befristete, § 20a Infektionsschutzgesetz bestimmt, dass Beschäftigte von Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungs- und Pflegediensten, Geburtshäusern und weiteren, einzeln aufgezählten Einrichtungen ab 15. März 2022 einen COVID-19-Impf- beziehungsweise Genesenennachweis vorlegen müssen – oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Neue Arbeitsverhältnisse in den genannten Einrichtungen sind ab 16. März 2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises möglich. Apotheken sind von dieser Regelung nicht erfasst. 

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Seit einigen Wochen wird aber auch eine allgemeine Impfpflicht diskutiert. Vergangene Woche hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut klar dafür ausgesprochen – und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) glaubt ebenfalls, an einer solchen nicht vorbeizukommen. Zugleich machte Lauterbach klar, dass sein Haus beziehungsweise die Regierung keine eigene Gesetzesvorlage einbringen wird. Er ist vielmehr der Ansicht, dass das Thema jenseits der Parteipolitik anzugehen ist und erwartet nun Gruppenanträge aus der Mitte des Bundestags. Am 26. Januar steht nun eine vereinbarte Debatte zu einer „möglichen Einführung einer SARS-CoV-2-Impfpflicht“ auf der Tagesordnung des Bundestags. Für die Beratung ist eine Dauer von drei Stunden vorgesehen – Anträge liegen nach der gegenwärtigen Tagesordnung noch nicht vor. 

Erfordert Omikron einen anderen Blick auf die Dinge?

Derweil bestärkt die rasante Ausbreitung der zumeist mit eher milden Krankheitsverläufen verbundenen Omikron-Variante Kritiker einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in ihren Bedenken. „Omikron ändert die Spielregeln“, sagte etwa der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Stephan Thomae, der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). „Es ist jetzt nicht an der Zeit, einfach nur irgendetwas zu tun und möglichst harte Maßnahmen zu beschließen, nur um Handlungsbereitschaft zu beweisen. Es geht darum, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun.“

Vor einigen Tagen hatte bereits die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Professor Alena Buyx, deutlich gemacht, dass das Gremium seine Empfehlung für eine ausgeweitete Impfpflicht unter Umständen überdenken müsse. Die Haltung richte sich auch danach, welche Corona-Variante das Infektionsgeschehen dominiere, sagte sie dem „Spiegel“. Als der Ethikrat im Dezember mehrheitlich eine Ausweitung der Impfpflicht auf wesentliche Teile der Bevölkerung empfohlen habe, sei dies „im Kern unter den Bedingungen der Delta-Variante“ geschehen.

Wenn Impfpflicht, dann befristet

Die Befürworter halten eine Impfpflicht für nötig, weil die Impfquote in Deutschland laut vieler Experten bislang zu gering ist, um die Pandemie nachhaltig einzudämmen. Auch wenn mittlerweile Omikron dominiert, ändert sich für sie wenig bis nichts – inzwischen sind auch alle Ministerpräsidenten für eine Impfpflicht. Der Ungeimpfte, der jetzt eine Omikron-Infektion bekomme, werde im Herbst gegen andere Varianten wenig Schutz haben, schrieb Minister Lauterbach am Sonntag auf Twitter. „Omikron ersetzt Impfung nicht.“

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte am Sonntagabend in der Bild-Sendung „Die richtigen Fragen“: „Ich glaube, wir werden aus dieser Pandemie nur rauskommen, wenn wir jetzt diese Impfpflicht – egal in welcher Variante – einführen.“ Er hoffe, dass die Bundesregierung rasch einen Entwurf vorlege. Allerdings ist dies, wie bereits erwähnt, nicht geplant.

FDP-Vize: Im Sommer waren noch alle Parteien gegen eine Impfpflicht

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel verteidigte die Haltung seiner Partei – hier gibt es offenbar die größten Vorbehalte gegen eine Impfpflicht. Im Sommer seien noch alle Parteien gegen die Impfpflicht gewesen, sagte er am Sonntagabend im ZDF. Durch die ansteckendere Delta-Variante habe sich die Lage verändert und durch Omikron verändere sie sich möglicherweise erneut. Er halte es für angemessen, über eine medizinethische Frage über Fraktionsgrenzen hinweg zu entscheiden. Deshalb sei es richtig, dass es im Bundestag Gruppenanträge geben werde statt eines Regierungsantrags.

Die Abgeordnete Dagmar Schmidt, die in der SPD-Fraktion an entsprechenden Anträgen mitarbeitet, konkretisierte erste Überlegungen: „Eine Impfpflicht – wenn sie kommt – wird befristet“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. „Es geht darum, eine Grundimmunität in der Bevölkerung zu erreichen. Im Moment gehen wir davon aus, dass drei Impfungen relativ gut schützen. Dann wäre es das dann auch.“

Auch Lauterbach hatte am Wochenende erklärt, aus seiner Sicht sollte eine Impfpflicht drei Impfdosen umfassen. Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger nannte eine solche Festlegung voreilig. Es sei leider nicht sicher absehbar, ob gefährliche Varianten zusätzliche Impfungen erforderlich machen könnten, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag).

Der Virologe Klaus Stöhr erwartet hingegen erst eine rasche Durchseuchung, dann eine natürliche Immunisierung der Bevölkerung – und schließlich ein Auslaufen der Pandemie. „In den nächsten zwei bis drei Wochen wird es eine Unsicherheit geben, wie hoch die Inzidenz steigen wird“, sagte er im TV-Sender Bild. Danach bekämen durch die starke Durchseuchung sehr viele Menschen eine natürliche Immunität, die „oben draufgepflanzt“ werde auf die Immunisierung durch Impfungen. Beides zusammen werde zu einem anhaltenden Immunschutz führen, sodass man auch nicht immer wieder boostern müsse. Im Herbst müsse man sehen, ob man den Über-60-Jährigen noch einmal ein Impfangebot mache.



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