Leserbrief in der DAZ

Notdienst am Limit – Apothekerin fordert Reformen

Berlin - 04.02.2022, 15:45 Uhr

Müssen die Notdienst-Regeln überarbeitet werden – und wenn ja, wie? (Foto: IMAGO / Ina Peek) 

Müssen die Notdienst-Regeln überarbeitet werden – und wenn ja, wie? (Foto: IMAGO / Ina Peek) 


In einem Leserbrief in der aktuellen DAZ-Ausgabe berichtet Apothekerin Daniela Hänel, vor welche Herausforderungen der Notdienst die Apothekeninhaber:innen inzwischen stellt – persönlich, organisatorisch und finanziell. Aus ihrer Sicht sind jetzt Reformen nötig – ansonsten „werden wir weitere Vor-Ort-Apotheken in der Fläche verlieren“, warnt die erste Vorsitzende der Freien Apothekerschaft.

Innerhalb des Berufsstands schwelt das Thema schon lange – Apothekerin Daniela Hänel, Inhaberin der Linda Apotheke in der Nordvorstadt in Zwickau und erste Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, bringt es jetzt auf den Punkt: Unter dem Titel „Notdienst ja – aber nicht für Almosen: Was ist uns der Apotheken­notdienst wert?fasst sie in einem DAZ-Leserbrief zusammen, mit welchen Herausforderungen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen inzwischen diesbezüglich konfrontiert sind.

Approbierte im Notdienst sind weiterhin unterbezahlt

„In den meisten Fällen werden die Dienste von den Inhaberinnen und Inhabern selber mit Arbeitszeiten von 24 bis 36 Stunden am Stück und mehr durchgeführt“, schreibt Hänel. Nur die wenigsten angestellten Approbierten übernähmen diese Dienste zum Tarif. „Und warum? Weil er einfach unterbezahlt ist.“ Das gelte auch nach der aktuellen Tariferhöhung vom Januar 2022 weiterhin.

Die Notdienste sind laut Hänel, der die Linda Apotheke in der Nordvorstadt in Zwickau gehört, in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvoller geworden. Das begründet sie unter anderem mit steigendem bürokratischem Aufwand, aber auch mit den Ansprüchen der Kundinnen und Kunden. „So unkompliziert wie es vor ein paar Jahren war, ist es längst nicht mehr.“

Konkrete Reformvorschläge

Hänel möchte eine Diskussion zum Thema Notdienst anstoßen, auch dazu, wie sich die Bedingungen möglicherweise verbessern lassen. Dazu schlägt sie folgende Reformen vor:

  • Die Vergütung pro Auftrag müsse von 2,50 Euro auf mindestens 10 Euro angehoben werden. „Denn warum dürfen Schlüsseldienste, Versorger von Strom, Gas, Wasser und Abwasser, ­Abschleppdienste, Handwerker Feiertags- und Notdienstzuschläge von 50 Euro aufwärts verlangen und wir nicht?“
  • Telefonate, die nur einer Beratung am Telefon bedürfen, könnten über die 116 117 abgewickelt werden. „Somit könnten die Diensthabenden entlastet werden. Auch wäre das eine Möglichkeit, die sexuellen Übergriffe am Telefon zu umgehen. Diese nehmen verstärkt zu und können äußerst unangenehm sein.“
  • Zudem regt Hänel eine Gebietsreform an. „Warum muss alle 10 km eine Apotheke Notdienst haben? Insbesondere in Bayern ist die Anzahl der Dienste enorm und die Abstände so gering, da könnte man ja fast zusammensitzen und diensten.“
  • Auch steuerliche Vorteile hält die Apothekerin für angemessen. „In allen anderen Berufen, außer bei uns, gibt es steuerliche Vergünstigungen. Warum müssen wir unsere Notdienstvergütung voll versteuern? Auch wir haben hohe Feiertage, die wir lieber mit unseren Familien und Freunden verbringen möchten.“
  • Apotheken sollten darüber hinaus einen Ermessensspielraum erhalten, zu welchen Zeiten sie am Wochenende erreichbar sind. „Je nach individueller Situation wäre es sinnvoll Kernzeiten anzubieten, um ein geringes Patientenaufkommen zu bündeln, oder bei stark frequentierten Apotheken eine durchgehende Versorgung zu gewährleisten.“

Hänel schreibt an Lauterbach

Hänel wird es nicht dabei belassen, ihr Anliegen den Apothekerkammern und -verbänden vorzutragen: Sie möchte auch die Politik für dieses Thema sensibilisieren. Gegenüber der Redaktion ergänzt sie, der Brief werde auch an alle Abgeordneten des Landes Sachsen rausgehen – einschließlich Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). „Die Briefe gehen morgen in die Post.“ Zudem haben sich Hänel zufolge bereits weitere Kolleginnen und Kollegen bereit erklärt, das Schreiben an ihre Abgeordneten in den jeweiligen Bundesländern zu schicken. „Herr Lauterbach hat auch schon Post erhalten.“ Ein Gespräch mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening habe es ebenfalls schon gegeben.

Ganz besonders freut sich Hänel über das Feedback vonseiten der Kolleginnen und Kollegen. In den sozialen Netzwerken stößt sie mit ihrem Anliegen auf breite Zustimmung. „Es wird sich nichts ändern, wenn man nicht endlich mal die Initiative ergreift“, betont sie gegenüber der DAZ. „Einer muss den ersten Schritt wagen. Vielleicht schaffen wir, die kleinen Basisapothekeninhaber, eine Kehrtwende und bewirken etwas zum Positiven.“

Anmerkung der Redaktion: Leserbriefe, die in der DAZ-Printausgabe veröffentlicht werden, können üblicherweise auf unserer Website nur von Abonnenten aufgerufen werden. Wegen der großen Resonanz haben wir uns in Abstimmung mit Frau Hänel dafür entschieden, in diesem Fall davon abzuweichen und den Brief für alle Leserinnen und Leser freizuschalten. Sie finden den vollständigen Beitrag von Frau Hänel hier.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Notdienst am Limit

von A. Berner am 08.02.2022 um 20:34 Uhr

Bezugnehmend auf den Artikel „Notdienst am Limit“
Herzlichen Dank an Frau Hänel, dass sie sich diesem Thema angenommen hat.
Ich möchte aus Sicht einer angestellten Apothekerin, die Notdienste leisten muss, zu diesem Thema Stellung nehmen.
Die Notdienstsituation hat sich in den letzten 30 Jahren ,solange bin ich im Dienst, gravierend verändert. Mittlerweile herrscht nachts ein durchgängiger Kundenverkehr. Dies führt zu 24-Stunden-Arbeitsschichten ohne Schlaf. In anderen Branchen sind solche 24 Stundenschichten nicht zulässig.
Aus diesem Grund müssen endlich Arbeitszeitregelung und Entlohnung für Angestellte an diese veränderte Situation angepasst werden.
Wenn man für eine strapaziöse 12 Stunden Nachtschicht nur 7,5 Stunden entlohnt bekommt und damit kaum über Mindestlohn verdient ist das für einen akademischen Beruf nicht tragbar. Kein Wunder, dass unser Berufsstand Nachwuchssorgen hat.
Auch die anderen von Frau Hänel angeführten Aspekte, den Notdienst betreffend , müssen dringend diskutiert und verbesst werden.

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Neue Zeiten

von Stefan Haydn am 07.02.2022 um 18:56 Uhr

Die letzten Jahre sind Notdienste auch deshalb belastender, weil bestimmte Mitbürger häufig erst ab 21 Uhr unterwegs sind.
Früher konnte man davon ausgehen, dass in der Nacht wirklich nur ein Notfall kommt, heute fängt bei manchen der Tag aber scheinbar erst da an.

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Notdienst am Limit

von Barth Christiane am 05.02.2022 um 12:56 Uhr

Sehr geehrte Frau Hänel,
grundsätzlich bin ich auf Ihrer Seite. Wir müssen aufhören 'Telefonbücher auswendig zu lernen', wenn man es von uns verlangt.( Apotheker machen das ja, Ärzte nicht- der Unterschied zwischen den Berufen ). Mir erschließt sich nur nicht der Seitenhieb auf Bayern. So weit ich das beurteilen kann, ergibt sich die Anzahl der Apotheken pro Notdienst auch aus den großen Abständen zwischen den Orten. In Ostdeutschland sind diese zwar extrem ( lt. ADAC! ), deshalb sind sie in anderen Bundesländern aber trotzdem nicht akzeptabel.
Die Problematik der kleinen Apotheken für die Fächendeckung werden wir auch nicht mit einer höheren Notdienstgebühr
lösen. Meine Forderung: 80 000,00 Euro Honorar extra, um sich eine zusätzliche approbierte Person und ausreichend pharmazeutisches Personal für Technik, Burokratie, Qualitätsmanagement, pharmazeutische Dienstleistungen, Wawi und Kundengespräche leisten zu können. Auf dem Dorf werden wohl kaum die für das wirtschaftliche Überleben notwendigen drei Kassenarztsitze zusammenkommen.
Die FDP sagt, dass es sich von selber regeln würde und unsere Standespolitiker sind der Meinung, dass es noch eine ausreichende Flächendeckung gäbe. Ohne Generalstreik haben wir keine Chance und versuchen Sie mal so etwas zu organisieren! Aber Deutschland soll Meister darin sein sich erst gründlich in die Katastrophe hinein zu reiten, um sich dann meisterlich damit auseinanderzusetzen und sie souverän zu bewältigen.
Ich weiß wovon die Rede ist: Dorfapotheke, in fast vierzig Jahren 10 Wochen Urlaub, bei drei Kindern einmal 6 Wochen Mutterschutz, 3 Wochen Reha, seit fast zwanzig Jahren außer sonntags Arbeitszeit bis mindestens nachts um 0.00 Uhr. Ich würde mich freuen , wenn Sie erfolgreicher wären als meine Generation.

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Notdienst am Limit

von Anika Ewald am 05.02.2022 um 11:37 Uhr

Ich schliesse mich dem voll und ganz an. Dank Amazon und Co ist es kein Not- Dienst, sondern eine 24 Stunden Erreichbarkeit in der man gerade als Frau häufig angepöbelt und oder sexuell angegangen wird, meist von den Mitbürgern die keiner geregelten Arbeit nachgehen oder der neuen Generation Helikopter Mütter. Einen "echten" Notfall habe ich in den letzten Jahren schon lange nicht mehr erlebt. Eine bessere Vergütung würde dies nicht attraktiver machen. Es muss eine Reform her. Wir sind nicht Zalando und Amazon und können nicht 24/7 erreichbar sein. Schade das die Kammer Nordrhein diesbezüglich nur eine politische Meinung hat = dienstbereit heisst dienstbereit und versucht die einzelnen Anliegen mit politischen Phrasen abzubügeln.

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Notdienst

von Ingrid Schierle am 05.02.2022 um 9:07 Uhr

Liebe Daniela Hänel,
Vielen Dank für diesen Brief!
Gerade die kleinen Apotheken können ein Lied davon singen, was es bedeutet, alle paar Tage notdienstbereit zu sein. Es geht ja nicht darum, sich um die Dienste zu drücken, aber es muss zu akzeptablen Bedingungen stattfinden. Die Vorschläge sind mehr als gerechtfertigt und es ist wichtig, dass sich in diese Richtung endlich was bewegt!

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Nachtdienst

von Brigitte am 04.02.2022 um 20:17 Uhr

Endlich wird diesbezüglich mal Initiative ergriffen! Ich hoffe sehr, dass es zu grundlegenden Veränderungen kommen wird, wie zum Beispiel ein zeitlich eingeschränkter Not- und Nachdienst und nicht 24 Stunden rund um die Uhr für Nasenspray, Schwangerschaftstest, Fiebersaft nachts um 2 Uhr ( sollte man in der Hausapotheke haben!), tonnenweise Ibuprofen und Co. Ende des Notdienst um 22 Uhr, Notdienstgebühr 5-10 Euro je nach Uhrzeit und weniger Dienstapotheken auf einem Haufen- ich bin voll dafür, obwohl ich mich am 01. März in den vorzeitigen Ruhestand begebe! Ich hatte auch die Schnauze voll von 2-4 Notdiensten im Monat, die ich ebenfalls alle selber gemacht habe! Ich drücke den Kollegen/innen fest die Daumen, dass die Vorschläge von Frau Hänel Gehör finden. Die Apothekerschaft muss dafür kämpfen und sich nicht immer alles gefallen lassen. Unsere Arbeit muss mehr Anerkennung finden und entsprechend honoriert werden!!!

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Leserbrief Frau Hänel

von Heike Hölzl am 04.02.2022 um 19:12 Uhr

Vielen Dank Frau Hänel, Sie sprechen mir aus der Seele!
Habe auch eine mittelgroße Apotheke und mache jeden Notdienst selber. Ich glaube viele Menschen wissen gar nicht was wir jeden Tag leisten! Wir brauchen einfach mehr Gehör bei den Politikern. Wir machen alles, nur um unsere Daseinsberechtigung zu untermauern, wie eine Horde Schafe!

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Notdienst

von Cordula Eichhorn am 04.02.2022 um 17:42 Uhr

Vielen Dank , dass endlich auch einmal das Thema der sexuellen Übergriffe während der Notdienste thematisiert wird ( immerhin sind die meisten Inhaber /- innen nachts alleine!) , genauso wie das Verhalten mancher Patienten, die uns als „ Späti” benutzen! Es MUSS an einer neuen Lösung gearbeitet werden !

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Vielen Dank dafür

von Karl Friedrich Müller am 04.02.2022 um 17:07 Uhr

Es ist überfällig, den Missbrauch einzudämmen. Den "Kunden" ist meist nicht mal bewusst, dass es sich um einen NOTDIENST handelt, sondern sehen das eher als Tag und Nacht der offenen Tür.
Unserer Vertretung sind wir sowieso egal.

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