Spritpreis, Mindestlohn und Energiekosten

Unter Zugzwang – Noweda stutzt Apotheken-Konditionen zurecht

Berlin - 22.03.2022, 16:30 Uhr

Noweda-Kunden müssen mit Abstrichen bei ihren Konditionen rechnen. (Foto: IMAGO / biky)

Noweda-Kunden müssen mit Abstrichen bei ihren Konditionen rechnen. (Foto: IMAGO / biky)


Ähnlich wie die Apotheken mussten auch die pharmazeutischen Großhändler in den vergangenen Jahren finanziell einige Kröten schlucken, ohne dass ihre Vergütung entsprechend angepasst wurde. Nun stößt die Noweda offenbar an ihre Grenzen: Die Genossenschaft schreibt jetzt ihre Kunden an und informiert über Kürzungen bei den Konditionen.

Nicht nur die Apotheken ächzen unter Mehrbelastungen wie steigenden Spritpreisen und Energiekosten sowie dem angekündigten Anstieg des Mindestlohns auf 12 Euro: Auch für den pharmazeutischen Großhandel wird die Luft dünn. Erst kürzlich hatte der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) darauf hingewiesen, dass die Rx-Marge der Grossisten inzwischen unter die 4-Prozent-Marke gefallen sei – aus der Sicht von Phagro-Chef André Blümel eine echte Gefahr für die Infrastruktur. „Die flächendeckende Versorgung über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel ist schon seit längerem nicht mehr ausreichend finanziert“, sagte er anlässlich der jüngst veröffentlichten Kennzahlen für das Jahr 2021.

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Das im Jahr 2012 beschlossene und auf Daten aus dem Jahr 2010 basierende Vergütungsmodell berücksichtige weder die Strukturveränderungen im Arzneimittelmarkt noch die erheblichen Kostensteigerungen der vergangenen zehn Jahre. „Viele neue regulatorische Auflagen zur Arzneimittelsicherheit oder zum Fälschungsschutz müssen finanziert, zur sicheren Versorgung mit temperaturempfindlichen Arzneimitteln muss in temperaturgeführte Lager- und Transportkapazitäten investiert werden“, erläutert Blümel. Dazu steigen die Energie- und Personalkosten. „Das alles schultern unsere Unternehmen und sind gleichzeitig eingezwängt in den Schraubstock der Arzneimittelpreisverordnung.“

So funktioniert die Großhandelsvergütung

Als Vergütung erhält der pharmazeutische Großhandel pro Arzneimittelpackung einen Höchstzuschlag von 3,15 Prozent auf den Netto-Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers sowie einen Festzuschlag in Höhe von 70 Cent. Allerdings ist der prozentuale Zuschlag gekappt bei 37,80 Euro. Heißt: Für Arzneimittel, die pro Packung teurer sind als 1.200 Euro, erhält der Großhandel höchstens 37,80 Euro plus 70 Cent Festzuschlag. Das bedeutet: je teurer das Arzneimittel, desto niedriger die prozentuale Marge des Großhandels. (jb)

Die Mehrbelastungen der Grossisten bekommen zunehmend auch die Apotheken zu spüren: So erhebt etwa das Unternehmen Kehr ab dem 1. April dieses Jahres eine Extra-Gebühr von 2 Euro je Tour. Begründet wird dieser Schritt damit, dass auch die Transportpartner mit Blick auf die aktuelle Situation gezwungen seien, Zuschläge zu verlangen.

Post von der Noweda

Auch Noweda-Kunden dürften dieser Tage Post bekommen: Die Genossenschaft passt ihre Konditionen zum 1. Juni 2022 an, allerdings nach Angaben eines Sprechers individuell abgestimmt auf die jeweilige Apotheke und die bestehende Geschäftsbeziehung. Möglich ist zum Beispiel die Einführung eines Mindestlohn- und Energiekostenausgleichs, eine Anpassung des Rx-Packungsausgleichs oder der OTC-Konditionen sowie eine Kürzung des Rx-Skontos.

In dem Schreiben, das der DAZ vorliegt, verweist die Noweda unter anderem auf die Umsetzung der EU-Fälschungsschutzrichtlinie und der GDP-Leitlinie sowie die Einführung des Mindestlohns. „Mit Hilfe von umfassenden Kostensenkungsprogrammen und zweckmäßigen Investitionen konnte Noweda bislang die Voraussetzungen schaffen, neue Belastungen allein tragen zu können“, informiert das Unternehmen. „Diese Möglichkeiten stoßen jedoch nunmehr an ihre Grenzen.“

So soll etwa der gesetzliche Mindestlohn weiter steigen – von aktuell 9,82 Euro auf zunächst 10,45 Euro zur Jahresmitte und letztlich 12 Euro ab Oktober 2022. „Wir wollen diese politische Entscheidung, die an der eigentlich zuständigen Mindestlohnkommission vorbei getroffen wurde, nicht bewerten“, lässt die Genossenschaft wissen. „Fakt ist aber, dass der Sprung um über 2 Euro gegenüber dem aktuellen Mindestlohn zu einer immensen zusätzlichen Kostenbelastung der Noweda führen wird.“

Zieht die Konkurrenz nach?

Auch die steigenden Diesel-, Strom- und Gaspreise setzen dem Großhändler demnach zu. „Es ist absehbar, dass Noweda die enormen zusätzlichen Belastungen wirtschaftlich nicht mehr auffangen kann, wenn es nicht zu deutlichen Leistungseinbußen kommen soll.“ Finanzielle Entlastung habe in den vergangenen Monaten das COVID-19-Impfstoffgeschäft gebracht, auch wenn dieses mit einem erheblichen Ressourceneinsatz verbunden gewesen sei. Doch nun schrumpfe dieser Geschäftszweig wieder – und damit kehrten „die negativen Effekte infolge der Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingungen mit Macht zurück“.

Ob die anderen Platzhirsche in der Großhandelsbranche nachziehen und ihre Konditionen für die Apotheken anpassen werden, ist derzeit nicht zu erfahren. Phoenix und Gehe/Alliance Healthcare (AHD) wollten sich auf DAZ-Anfrage nicht zur Thematik äußern, eine Rückmeldung der Sanacorp steht noch aus.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Rabattkürzungen oder Honorare !

von Ulrich Ströh am 22.03.2022 um 17:33 Uhr

Die Aufregung um aktuell anstehende Rabattkürzungen können wir uns sparen!

Notwendig ist eine intensive öffentliche Diskussion um die Anpassung des Apothekenhonorars , das seit 2004 unangepasst ist!

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