FSME-Impfungen

Encepur und FSME-Immun – austauschbar und gleichwertig?

Stuttgart - 25.03.2022, 15:00 Uhr

Gibt es Unterschiede, mit welchem Impfstoff man sich gegen FSME impfen lässt? (x / Foto: Klaus Eppele / AdobeStock)

Gibt es Unterschiede, mit welchem Impfstoff man sich gegen FSME impfen lässt? (x / Foto: Klaus Eppele / AdobeStock)


Ist es egal, ob man sich mit Encepur oder FSME-Immun gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis impfen lässt? Wie unterscheiden sich die FSME-Impfstoffe, und sind sie austauschbar beziehungsweise gleichwertig?

Zwei Impfstoffhersteller teilen sich den FSME-Markt in Deutschland – Bavarian Nordic mit Encepur® und Pfizer mit FSME-Immun. Und von beiden Impfstoffen gibt es je eine FSME-Impfstoffversion für Kinder und einen zugelassenen Impfstoff für Erwachsene. Wie unterscheiden sich die Vakzinen und sind sie wirklich gleichwertig und austauschbar?

Adjuvantierte Totimpfstoffe

Alle verfügbaren FSME-Impfstoffe sind Totimpfstoffe. Vorteil ist, dass das FSME-Virus dadurch seine Virulenz verloren hat und damit nicht mehr pathogen und fähig ist, eine Infektion zu verursachen. Allerdings ist dafür die Immunität geringer als bei Lebendvakzinen, die zwar attenuierte, jedoch noch vermehrungsfähige Viren enthalten. Das bedeutet für die FSME-Vakzinen: Der Impfschutz reicht nach Grundimmunisierung nicht lebenslang, sondern muss von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden.

Kinder bekommen nur halb so viel Antigen

Encepur® Kinder enthält 0,75 Mikrogramm inaktiviertes FSME-Virus (kultiviert in Hühnerfibroblasten-Zellkulturen), das zur Wirkverstärkung an hydratisiertes Aluminiumhydroxid adsorbiert ist. Als FSME-Stamm setzt Encepur® auf K23 („K“ steht für „Karlsruhe“). Die Inaktivierung des Virus erfolgt mittels Formaldehyd. Encepur® Erwachsene enthält die doppelte Menge Antigen und ist ansonsten gleich zusammengesetzt wie der FSME-Kinderimpfstoff von Bavarian Nordic.

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Bei FSME-Immun 0,25 ml Junior setzt Pfizer auf 1,2 Mikrogramm durch Formaldehyd inaktiviertes FSME-Virus des Stammes Neudörfl (ein Ort in Österreich), das sich in Hühnerembryonal-Fibroblastenzellen vermehrt hat. Das Antigen ist wie auch bei Encepur® wirkverstärkt und an hydratisiertes Aluminiumhydroxid adsorbiert. Die Erwachsenenimpfung ist – und auch das findet sich bei Encepur® – doppelt so hoch dosiert wie die Kinderimpfung.

Vorsicht beim Impfalter!

Auch wenn beide – sowohl Encepur® wie auch FSME-Immun – adjuvantierte und intramuskulär zu applizierende Totimpfstoffe sind, sollte man zumindest genauer hinschauen, wenn es um die Zulassung – respektive das zugelassene Impfalter – geht. Denn: Bei Encepur® wird man „schneller erwachsen“ als bei FSME-Immun. Was bedeutet das?

Während Encepur® Kinder zugelassen ist für Kinder von einem Jahr bis elf Jahren – und Jugendliche bereits ab dem zwölften Lebensjahr Encepur® Erwachsene als FSME-Schutz erhalten –, wird FSME-Immun 0,25 ml Junior im Alter von einem Jahr bis 15 Jahren geimpft. FSME-Immun 0,5 ml Erwachsene ist hingegen erst ab 16 Jahren zugelassen. Auch bei den Auffrischimpfungen lohnt ein Blick in die Fachinformation der FSME-Vakzinen: Encepur® erhalten bereits Ab-50-Jährige im Drei-Jahresrhythmus (unter 50 Jahren noch alle fünf Jahre), während FSME-Immun Auffrischimpfungen alle fünf Jahre bis zum Alter von 60 Jahren vorsieht. Erst Ab-60-Jährigen wird eine erneute Impfung alle drei Jahre nahegelegt.

RKI: FSME-Impfstoffe sind gleichwertig

Doch sind beide Impfstoffe gleichwertig und gegeneinander austauschbar? Das Robert Koch-Institut (RKI) erklärt dazu: „Die FSME-Impfstoffe beider Hersteller (FSME-Immun und Encepur®) werden als gleichwertig und austauschbar angesehen.“ In Untersuchungen habe sich herausgestellt, dass im Bedarfsfall ein Wechsel zwischen den Impfstoffen „ohne Einbuße der Wirksamkeit“ möglich ist, erklärt das RKI und bezieht sich dabei auf einen „Expert Review of Vaccines“ aus dem Jahr 2006 („Are tick-borne encephalitis vaccines interchangeable?“). Allerdings rät das RKI auch, „wenn möglich“, in der Grundimmunisierung beim FSME-Impfstoff des gleichen Herstellers zu bleiben.

Höhere Antikörpertiter nach Encepur-Impfung?

Jedoch gibt es auch Studien zur Seroprävalenz von Antikörpern zehn Jahre nach FSME-Impfung – und zwar sowohl für Encepur® als auch für FSME-Immun. Laut einer 2017 im Fachjournal „Vaccine“ veröffentlichten Arbeit („Seropersistence of TBE virus antibodies 10 years after first booster vaccination and response to a second booster vaccination with FSME-IMMUN 0.5mL in adults“) lagen zehn Jahre nach Grundimmunisierung (drei Impfdosen) und einer Auffrischimpfung mit dem Pfizer-Impfstoff FSME-Immun bei 84,9 Prozent der Geimpften schützende Antikörper vor, bei Unter-50-Jährigen konnten Antikörper sogar bei 88,9 Prozent nachgewiesen werden. Die 315 Probanden waren zu Studienbeginn 20 bis 49 Jahre alt, die Studie fand in einer FSME-Niedrig-Endemieregion in Polen statt.

Daten gibt es auch zu Encepur®, diese wurden in der Tschechischen Republik – einem FSME-Hoch-Endemieland – erhoben und 2018 ebenfalls in „Vaccine“ publiziert („Second five-year follow-up after a booster vaccination against tick-borne encephalitis following different primary vaccination schedules demonstrates at least 10 years antibody persistence“). Es handelt sich dabei um eine offene Phase-IV-Studie, bei der gesunde Erwachsene und Jugendliche (Mindestalter zwölf Jahre) nach Grundimmunisierung mit Encepur® (drei Impfdosen) eine Auffrischungsdosis erhalten hatten. Das Ergebnis: In allen untersuchten Altersgruppen hatten auch zehn Jahre nach Impfung 90 bis 100 Prozent der Geimpften noch schützende Antikörper gegen FSME.

Ist Encepur überlegen?

Lässt sich anhand der höheren Prävalenz von FSME-Antikörpern zehn Jahre nach Encepur®-Impfung als nach FSME-Immun-Impfung also automatisch ein besserer Impfschutz ableiten? Nicht unbedingt, denn die Impfstoffe wurden nicht in derselben Studie direkt Head-to-Head gegeneinander untersucht, auch unterschieden sich die Studienorte (Niedrig-Endemieregion vs. Hoch-Endemiegebiet). Im „Bayerischen Ärzteblatt“ kam Professor Dr. Christian Bogdan (Mikrobiologisches Institut – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg) sodann 2018 zu dem Schluss: „Ob der Encepur®-Impfstoff dem FSME-Immun-Impfstoff bei der Aufrechterhaltung protektiver Langzeittiter tatsächlich überlegen ist, müsste durch eine parallele Vergleichsstudie in ein und derselben Endemieregion untersucht werden.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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