Blutdruckbehandlung bei Schwangeren: uneinheitliche Empfehlungen
Bei Schwangeren unterscheidet man bei Bluthochdruckwerten lediglich zwischen milder/moderater Hypertonie (140 bis 159 mmHg systolisch und 90 bis 109 mmHg diastolisch) und schwerer Hypertonie mit Blutdruckwerten ab 160/110 mmHg. Schwangere mit schwerer Hypertonie (ab 160/110 mmHg) zeigen ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie und Nierenversagen, Schlaganfall und Frühgeburt. Ob auch bereits werdende Mütter mit moderat erhöhten Blutdruckwerten von Antihypertensiva profitieren, ist unklar. Denn bislang konnte lediglich gezeigt werden, dass blutdrucksenkende Arzneimittel bei leichter Hypertonie zwar die Phasen mit sehr hohen Blutdruckwerten verringern und somit das Risiko, dass sich aus einer milden eine schwere Hypertonie entwickelt. Aber dass sich das Outcome für die Schwangere, den Fetus oder dann das Neugeborene ebenfalls klinisch verbessern, ist bislang nicht erwiesen.
In der gemeinsamen S2k-Leitlinie „Hyptertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie“ (Stand März 2019, gültig bis 30. April 2022) raten die Deutsche, Österreichische und Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, dass der Zielblutdruck zwischen 130 und 150 mmHg systolisch und 80 bis 100 mmHg diastolisch betragen sollte, weswegen Schwangere mit Blutdruckwerten ab 150/100 mmHg antihypertensive Arzneimittel erhalten sollten. Die European Society of Cardiology (ESC) und European Society of Hypertension (ESH) empfehlen laut der Leitlinie „Management der arteriellen Hypertonie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Hochdruckliga (DHL), dass schwangere Frauen ab Blutdruckwerten von 150/95 mmHg medikamentös behandelt werden sollten – es sei denn, es liegt eine Gestationshypertonie (Hypertonie hat sich erst nach der 20. Schwangerschaftswoche entwickelt und verschwindet meist sechs Wochen nach der Geburt) oder eine vorbestehende Hypertonie (Hypertonie bestand bereits vor der Schwangerschaft oder hat sich vor der 20. Schwangerschaftswoche entwickelt und besteht in der Regel auch sechs Wochen nach Geburt noch) überlagert von Gestationshypertonie vor oder es gibt bereits Organschädigungen. Diese Schwangeren sollten bereits ab Blutdruckwerten von 140/90 mmHg antihypertensive Arzneimittel erhalten. Der Empfehlungsgrad ist I C – das heißt die Leitlinienautoren halten diese Maßnahme für empfehlenswert und nützlich, können ihre Einschätzung jedoch lediglich auf kleine Studien oder retrospektive Analysen und Registerdaten stützen.
Die amerikanische Fachgesellschaft ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) rät erst bei Blutdruckwerten ab 160/105 zur medikamentösen Behandlung von Bluthochdruck in der Schwangerschaft und strebt sodann Zielblutdruckwerte zwischen 120 und 159 mmHg systolisch und 80 bis 109 mmHg diastolisch an. Das NICE (National Institute for Health and Care Excellence) in Großbritannien möchte eine antihypertensive Behandlung bereits bei Werten ab 140/90 mmHg einleiten, bis der Zielblutdruck bei Werten ≤135/85 mmHg liegt.
Eine aktuelle Übersicht der zahlreichen und unterschiedlichen Empfehlungen zur Hypertoniebehandlung in der Schwangerschaft veröffentlichten Wissenschaftler im Februar 2022 im Fachjournal „Hypertension“.
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