Umfrage des DeutschenArztPortals

Formfehler-Retax: Vielen Ärzten ist das Problem nicht bewusst

Stuttgart - 30.05.2022, 07:00 Uhr

Ärztinnen und Ärzte stellen Rezepte aus, sind sie dabei unachtsam, werden die Apotheker:innen zur Kassen gebeten. (s / Foto: pix4U / AdobeStock)

Ärztinnen und Ärzte stellen Rezepte aus, sind sie dabei unachtsam, werden die Apotheker:innen zur Kassen gebeten. (s / Foto: pix4U / AdobeStock)


Retaxationen wegen Formfehlern sind in den Apotheken ein großes Ärgernis: Der Patient wurde beliefert, man hat weder unwirtschaftlich gehandelt, noch wurde die Arzneimitteltherapiesicherheit gefährdet und trotzdem gibt es von der Kasse kein Geld. Was den Groll bei den Apotheker:innen noch zusätzlich steigert: Sie haben den Fehler gar nicht gemacht, sondern der verordnende Arzt oder die Ärztin. Doch die sind sich dieser Problematik oft gar nicht bewusst, wie eine Umfrage des DeutschenArztPortals zeigt.

Seit 1. November 2020 müssen auf Rezepten Dosierungsangaben zu jedem verordneten Medikament stehen – es sei denn, dem Patient liegt ein Medikationsplan vor oder es ist eine andere „Dosierungsanweisung“ vorhanden. Das kann der Arzt dann mit den Buchstaben „Dj“ auf dem Rezept kenntlich machen – „Dosierungsanweisung vorhanden: ja“. Ob das der Wahrheit entspricht, muss die Apotheke nicht hinterfragen. Der Gesetzgeber habe damit „eine langjährige Forderung der Apothekerschaft“ aufgegriffen, äußerte der damalige Vor­sitzende des Deutschen Apo­thekerverbandes (DAV) Fritz Becker seinerzeit erfreut. Er warnte aber auch davor, dass etwaige Formfehler den Krankenkassen nicht als Vorwand dienen dürften, Rezepte zu retaxieren und den Apotheken die Vergütung vorzuenthalten.

Leider ist aber genau das eingetreten. Es gab keinen wirtschaftlichen Schaden, die Arzneimitteltherapiesicherheit war nicht gefährdet – die Häufigkeit der „Dj“ nach zu urteilen, müssen viele Patient:innen schriftliche Anweisungen erhalten haben –, es wurde ein Arzneimittel abgegeben und trotzdem gab es kein Geld. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) beispielsweise berichtet von Retaxationen in Höhe von 120.000 Euro bei seinen Mitgliedern – und das sei nur der „Wellenkamm“.

Diese Rexationen aufgrund von Formalien sind nichts Neues. Sie gibt es länger als die Vorschrift für die Dosierungsangaben. Eigentlich dürfen, wenn „es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt“, die Kassen nicht mehr retaxieren. Das wurde vor einigen Jahren im Rahmenvertrag verankert. Vom Tisch ist das Thema deswegen aber nicht. Auch wenn die Verbände immer einiges zurückholen, ist es doch ärgerlich, schließlich bleibt der Aufwand. Kleine Beiträge werden daher oft gar nicht reklamiert und die Apotheken bleiben auf den Kosten sitzen.

Natürlich ist es Aufgabe der Apotheken, diese Formalien zu überprüfen. Doch, auch wenn vieles davon die Software übernimmt, ist die Rezeptkontrolle ein großer Zeitfresser. Was die Apotheker:innen aber besonders ärgert, ist, dass sie für fehlerhaft ausgestellte Rezepte zur Kasse gebeten werden, und zwar nur sie. Die Ärzte bleiben von den Folgen verschont. Es drängt sich also die Frage auf, ob Ärzt:innen sich der Folgen ihres Handelns oder – im Falle fehlender Angaben – Nicht-Handelns eigentlich bewusst sind.

Nicht einmal die Hälfte weiß Bescheid

Einer nicht repräsentativen Umfrage des DeutschenArztPortals zufolge ist das bei vielen tatsächlich nicht der Fall. So gaben von 359 Teilnehmenden 42 Prozent an, dass sie nicht wussten, dass die Kassen den Apotheken bereits bei kleinen Formfehlern die Erstattung komplett verweigern können. 9 Prozent antworteten, dass sie das nicht wussten, es sie aber auch nicht interessiere. Lediglich 27 Prozent erklärten, dass ihnen das aus dem Gespräch mit Apotheken bekannt sei. 22 Prozent hatten der Umfrage zufolge schon mal davon gehört.

Somit ist es vielleicht vielen Ärzten und Ärztinnen gar nicht egal, ob sie ihre Rezepte korrekt ausstellen – wie das von Apothekerseite oft postuliert wird –, sondern ihnen fehlt einfach das Problembewusstsein. Und das könnte man im Gegensatz zum Gebaren der Krankenkassen zumindest stellenweise ändern.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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12 Kommentare

Sondernummer 0

von Jan Kusterer am 01.06.2022 um 17:18 Uhr

Es wird Zeit für die Sondernummer 0. "Korrektur einer fehlerhaften, nicht vertragskonformen ärztlichen Verordnung" mit Faktor 7,50 €. Diese wird direkt von den Krankenkassen bei den KV´en eingezogen. Wie schnell dann auf einmal alles funktionieren würde.....Schöner Traum...

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Wieso soll einem Schwachsinn auch bewusst sein?

von Dr. House am 30.05.2022 um 15:38 Uhr

Es ist doch klar, dass Ärzten das nicht bewusst ist. Sie würden niemals so dämliche Knebelverträge aushandeln. Warum auch? Die Ärzte wissen, dass die Krankenkassen auf sie angewiesen sind und mit ihnen keinen Blödsinn treiben können. Nur Apotheker bringen sich in diese Opferrolle. Und nein es ist nicht unverschuldet. Wir sind seit Jahrzehnten ein Berufsstand der "Befehle ausfüllt" ohne sie zu hinterfragen. Sogesehen ist Apotheker kein akademischer Beruf. Echte Akademiker können eben auch mal nein sagen. Jetzt kriegen wir Stück für Stück die Quittung, weil uns keiner mehr ernst nimmt.

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Wir sind keine Kontrolleure der Ärzte!

von Thomas Eper am 30.05.2022 um 11:05 Uhr

"Natürlich ist es Aufgabe der Apotheken, diese Formalien zu überprüfen." -> Sehe ich nicht so!
Warum sollten wir (unentgeltlich) prüfen und Kontrollieren, ob die Arztpraxen und Kliniken Rezepte richtig ausstellen können? Und wenn sie das nicht können, zahlen wir die Strafe!? Wo sind wir denn eigentlich? Das ist der Job von Aufsichtsbehörden.
Auf Grund unserer Ausbildung sind wir sehr wohl in der Lage zu beurteilen, ob ein Rp.- Ausstellungsfehler des Arztes die Belieferung des Rp. verhindert oder nicht und ob eine Rücksprache mit dem Arzt notwendig ist.
Wir und nicht die Krankenkassen haben das zu beurteilen.

Höchste Zeit, dass dieser Skandal mal abgestellt wird.
Es gibt erheblichen Handlungsbedarf liebe Politiker und ABDADAVBAK!

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AW: Wir sind keine Kontrolleure der Ärzte

von Dr.Radman am 30.05.2022 um 12:12 Uhr

So sehe ich das auch!

AW: Wir sind keine Kontrolleure der Ärzte

von Thomas B am 30.05.2022 um 14:35 Uhr

Meine Rede!

AW: Wir sind keine Kontrolleure der Ärzte

von Gert Müller am 30.05.2022 um 15:57 Uhr

Mag ja Alles richtig sein. In meiner Apotheke ist es so, die Rezepte kommen von den Ärzten.Also wer muss wen in den Allerwertesten kriechen ? Was auch Richtig ist, welche Vollpfosten verhandeln solche Verträge?

verspätete Zahlung?

von Christoph am 30.05.2022 um 10:08 Uhr

Ist der nicht gerechtfertigte Retax nicht eine Form der verspäteten Zahlung, welche zum Abzug des Kassenabschlags berechtigt?
Das könnte man ja gemeinsam per Sammelklage feststellen lassen.

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AW: Betrug!

von Thomas Eper am 30.05.2022 um 10:48 Uhr

Eine nicht gerechtfertigte Retax ist Betrug!
Nach einer früheren Statistik der LAV sind 70% (siebzig!) der Retaxe nicht gerechtfertigt.
Vorsätzlicher Betrug, weil darauf spekuliert wird, dass die Apotheke keine Zeit, bzw. Lust auf die nicht vergütete Mehrarbeit des Widerspruchs hat.

AW: verspätete Zahlung

von Thomas B am 30.05.2022 um 14:39 Uhr

Sammelklage gegen die DAK?
Wunderbares Betätigungsfeld für den Bundesapothekerverband! Ich hätte da einen Stapel Beiträge.....

vergebliches Warten...

von Christina L. am 30.05.2022 um 9:31 Uhr

Leider ist das E-Rezept da auch kein Allheilmittel, da auch E-Rezepte mit der Dosierungsangabe "Bei Bedarf" auftauchen!
Spätestens das dürfte dann nicht mehr zu unseren Lasten gehen!

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Gleiches Recht für alle

von Thomas B am 30.05.2022 um 8:37 Uhr

Es mag tatsächlich so sein, dass den Ärzten das Problem nicht bewusst ist. Sie haben ja auch wirklich wichtigeres zu tun.
Das eigentliche Problem liegt woanders:
Warum werden die kranken Kassen in ihrer Willkür, Eigenmächtigkeit und Selbstherrlichkeit nicht endlich gezwungen, sich auch an die Regeln zu halten?
Es geht hier nicht nur um die Ignoranz der Regeln zur Retaxation von Formfehlern, sondern auch um Dinge wie Dirigieren von Rezepten, Umgehung bzw. Ignorieren der gültigen Arzneilieferverträge im Geschäft mit Versendern, Missbrauch der Retaxregeln durch einzelne Kassen, Sanktionierung von eigentlich Unbeteiligten Dritten usw.
Wenn ein inländischer, kleinerer Leistungserbringer wie eine Einzelapotheke sich so ein Geschäftsgebaren erlaubt, wird er sofort an den Pranger gestellt, zur Kasse gebeten und/oder dauerhaft entfernt.
Warum nicht gleiches Recht für Alle?

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AW: Gleiches Recht für alle

von Dr. Radman am 30.05.2022 um 9:49 Uhr

Das eigentliche Problem liegt woanders, nämlich an der ABDA. Wieso werden die Ärzte über Retaxgebaren der KK nicht informiert? Wieso akzeptiert die ABDA die Nullretaxation überhaupt? Wieso kann die ABDA die Kassen, die Retaxregeln ignorieren nicht sanktionieren, quasi Rahmenvertrag kündigen?. Und ich könnte die Liste fortführen...

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