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Dynobactin
Auf der Suche nach ähnlichen Genen – neues Antibiotikum per Computer gefunden
Schweizer und US-Forscher haben jetzt mit Dynobactin ein neues Antibiotikum gefunden, das gegen gram-negative Bakterien wirkt. Ihre Suche starteten sie dabei per Computer, indem sie nach ähnlichen Genclustern zu den Synthesegenen eines bereits bekannten Wirkstoffs fahndeten. Die Methode könnte neue Möglichkeiten in der Antibiotikaforschung eröffnen.
Darobactin ist ein vielversprechendes neues Antibiotikum gegen gram-negative Bakterien (zu denen etwa Enterobakterien wie Escherischia coli und mögliche Pathogene wie Salmonellen, Klebsiellen oder auch Pseudomonaden gehören), das aus einer ungewöhnlichen Quelle stammt. Es wird von Bakterien der Gattung Photorhabdus produziert, die symbiotisch im Darm von insektenbefallenden Fadenwürmern (Nematoden) leben. Diese Bakterien helfen den Larven der Nematoden beim Befallen von Insektenlarven, indem sie sie für sie als Nahrung abtöten – das machte die Bakterien für die Wissenschaft interessant.
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Denn die biolumineszenten Stäbchen (das bedeutet ihr Gattungsname) produzieren verschiedene Giftstoffe, um ihr Tötungswerk zu verrichten. Ein Teil dieser Giftstoffe richtet sich nicht gegen Insekten, sondern gegen konkurrierende Bakterien. Damit lassen sie sich nicht nur als „Biopestizide“ in der Landwirtschaft erfolgreich einsetzen – sie stellen eben auch eine Quelle für verschiedene Antibiotika dar, die sich auch in der Humanmedizin anwenden lassen.
Die Entdeckung von Darobactin wurde so bereits im Jahr 2019 von US-amerikanischen Forschern in Nature veröffentlicht. Aktuell befindet sich das Antibiotikum auf dem Weg der Entwicklung zum Therapeutikum und wäre damit das erste, das aus einem tierischen Mikrobiom stammt.
Potenzial neuer Antibiotika noch nicht ausgeschöpft
Mit Darobactin ist dieses Potenzial neuer und vor allem neuartiger Antibiotika aber offensichtlich längst nicht ausgeschöpft. Angesichts der zunehmenden Bildung von Resistenzen, gerade bei lebensgefährlichen Entzündungen verursachenden ubiquitären gram-negativen Erregern, suchen Forscher weltweit gerade nach solchen neuen Antibiotika.
Eine dieser Forschungsgruppen ist die von Sebastian Hiller, Professor am Biozentrum der Universität Basel in der Schweiz. Im vergangenen Jahr identifizierte Hiller mit seinem Team in Kooperation mit Forschern der Northeastern University in Boston in den USA den Wirkmechanismus von Darobactin. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Nature.
Jetzt gingen die Schweizer Forscher noch einen Schritt weiter und machten sich auf die Suche nach weiteren Antibiotika, die Darobactin ähneln. Darobactin ist ein Peptid. Das bedeutet, dass anders als bei sekundären Naturstoffen, sich recht unmittelbar ein konkretes für das Peptid codierendes Gen im Genom finden lässt. „Die Gene für solche Peptidantibiotika besitzen ein klares Erkennungszeichen“, erklärt der Ko-Erstautor der Studie Dr. Seyed M. Modaresi aus Hillers Forschungsgruppe. Das nutzten die Forscher, um per Computeranalyse nach weiteren ähnlichen Genen zu suchen. „Nach diesem Merkmal hat der Rechner das gesamte Erbgut von Bakterien, die solche Peptide produzieren, systematisch durchforstet. Dabei sind wir auf Dynobactin gestoßen“, sagt Modaresi.
Dynobactin ist strukturell und chemisch anders als Darobactin
Dynobactin wird vom Bakterium Photorhabdus australis produziert, unterscheidet sich aber strukturell vom Darobactin unter anderem durch zwei nicht verbundene Ringsysteme. Die Wirksamkeit des Antibiotikums untersuchten die Forscher im Mausmodell an Tieren, die eine Blutvergiftung nach Gabe von Dynobactin überstanden.
Darobactin und Dynobactin setzen allerdings am gleichen Ziel an. Beide beeinflussen das Protein BamA, die äußere A-Komponente der „β-barrel assembly machinery“. Dieser aus fünf Komponenten (Bam A – E) bestehende Transmembran-Proteinkomplex gram-negativer Bakterien reguliert und katalysiert den Zusammenbau der äußeren Membran der Bakterien. Außer bei gram-negativen Bakterien kommt der Bam-Komplex auch in Zellorganellen von Eukaryonten vor wie den Mitochondrien und den Chloroplasten, die sich evolutionär von Bakterien ableiten.
Neue Antibiotika wirken am Bam-Komplex der Bakterien
„Dynobactin steckt von außen wie ein Korken im BamA und hindert es daran, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Bakterien sterben“, erklärt Modaresi. „Obwohl Dynobactin chemisch kaum Ähnlichkeiten mit dem bekannten Darobactin aufweist, bekommt es die Bakterien an derselben Stelle zu fassen. Damit hatten wir anfangs nicht gerechnet“, sagt er.
Bereits in ihrer Arbeit über Darobactin hatten die Forscher festgestellt, dass die Art der Interaktion zwischen Antibiotikum und BamA dafür spreche, dass sich kaum Resistenzen gegen den Wirkstoff bilden könnten.
An der Weiterentwicklung der Antibiotika sind die Schweizer nicht weiter beteiligt. „Es sind Entwicklungen in Richtung klinischer Studien und Markteintritt auf dem Weg für die Familie der Daro- und Dynobactine. Dies ist in den Händen einer Firma in den USA und es gibt meines Wissens noch weitere Firmen weltweit, die unabhängig von uns auf diesen Substanzklassen aktiv geworden sind. Meine Forschungsgruppe bleibt weiterhin in der Grundlagenforschung tätig“, erklärt Hiller.
Viele weitere mögliche neue Kandidaten für die bioinformatische Suche
Man habe allerdings eine Reihe weiterer interessanter Kandidaten auf der Liste für weitere mögliche Antibiotika, die die Forscher per Computer suchen wollen. „Genauere Information über deren Identität können wir im Moment leider noch nicht veröffentlichen“, sagt Hiller.
Insbesondere Wirkstoffe aus der Klasse der Polypeptide und Polyketone würden sich für eine ähnliche Suche anbieten, sagt der Professor. „Diese werden in einer modularen Weise biosynthetisiert, welche sich für die bioinformatische Suche der Synthesecluster besonders eignet.“
Grenzen in dem bioinformatischen Ansatz sieht er bei der Suche nach gänzlich neuen Substanzklassen. „Der gewählte Ansatz sucht ausgehend von einem bekannten Gencluster verwandte Systeme in anderen Spezies. Er kann also nicht gänzlich neue Substanzklassen mit völlig neuen Eigenschaften finden. Doch selbst dies ist nicht grundsätzlich unmöglich, es bräuchte dann aber einen anderen Ansatz, zum Beispiel die Suche nach Resistenzgenen innerhalb des Biosyntheseclusters. Es bleibt also auch weiterhin viel zu tun, sowohl im experimentellen als auch im bioinformatischen Bereich“, erklärt er.
Seine Forschungsgruppe wolle sich nun unter anderem dem Verständnis des Mechanismus des Bam-Komplexes widmen, der auch hinsichtlich des rationalen Designs von Wirkstoffen am Computer ein neuer Ansatz für Antibiotika sein kann. „Wir versuchen fundamental neue Ansätze zu dessen Inhibition zu entwickeln“, sagt Hiller.
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